In seinem diesjährigen Pfingstschreiben spricht der Dekan des katholischen Dekanats Reutlingen-Zwiefalten, Hermann Friedl, Tacheles. Die Freiheit in Gesellschaft und Kirche sei „mehr denn je gefährdet angesichts der Bedrohungen für Frieden und Sicherheit durch den Ukrainekrieg und unzählige Gewalttaten, einschließlich der sexualisierten Gewalt und des Missbrauchs auch in der Kirche“. Die Freiheit, die für Dekan Friedl im christlichen Menschenbild und in der „Wiederherstellung der Beziehung zu Gott, die Jesus bewirkt hat“ liegt, sei zudem „ins Wanken geraten durch die Klimakrise, den Zustand des globalen Finanzsystems, durch die Gesetzlosigkeit im Internet und nicht zuletzt durch die Coronavirus-Pandemie“.
Deutlich wird Dekan Friedl auch gegenüber dem russischen Machthaber und dem Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche: „Bei manch einem Politiker oder kirchlichen Würdenträger setzt der Verstand aus.“ Gleichzeitig bedauert der Dekan, dass sich „Spiritualität und Glaubenspraxis von Christen entsprechend der gesellschaftlichen Entwicklung mittlerweile derart individualisiert“ hat, „dass auch die großen Kirchen kaum mehr gehört werden, geschweige denn die Gotteshäuser sich füllen“. Gründe dafür sieht Friedl „im überreizten Familienmanagement, in der beruflich-existentiellen Absicherungsnot und in einer diesseits orientierten Zukunftsplanung“ mit der Konsequenz von Vereinzelung, Vereinsamung, Isolation, Depression, Krankheit und lebendigem Tod.
Pfingsten, das „am meisten vernachlässigte Hochfest der Christen“, könne, so der Dekan, einen Gegenakzent setzen durch die „Freiheit der Kinder Gottes“ und die Geistkraft Gottes, „die durch das Leben und den Glauben trägt“. Diese christliche Freiheit und Gottes Heiliger Geist machten deutlich, dass „der Mensch nicht nur Rechte hat, sondern auch Pflichten und Verantwortung sich selbst, den anderen und Gott gegenüber“. Dies unterstreicht Dekan Hermann Friedl mit der Heilungsgeschichte eines auch innerlich Gelähmten durch die Apostel Petrus und Johannes: „Silber und Gold besitze ich nicht. Doch was ich habe, das gebe ich dir: ‚Im Namen Jesu Christi, des Nazoräers, steh auf und geh umher!‘“
Dekan Friedl beendet seinen Pfingstbrief mit großem Dank an die Bürgerinnen und Bürger und den hoffnungsvollen Worten: „Wir tun gut daran, uns stets auf die demokratisch errungenen Werte zu stützen, für sie einzutreten, sie zu erhalten und in unserem christlichen Engagement nicht nachzulassen, bläst der Wind auch noch so ins Gesicht!“ Dies sei „Leben teilen“, wie es das Motto des soeben zu Ende gegangenen Deutschen Katholikentags in Stuttgart zum Ausdruck gebracht habe.