Pilgern

Pilgerin der Hoffnung

Frau steht vor einem Schild des Martinuswegs.

Monika Bucher hat in den letzten zwölf Jahren als Vorsitzende der Martinusgemeinschaft viel für das Pilgern in unserer Diözese geleistet. Foto: DRS / Annika Werner

Das Heilige Jahr 2025 steht unter dem Leitwort „Pilger der Hoffnung“. Für das Pilgern auf dem Martinusweg hat Monika Bucher viel geleistet.

Für viele Gläubige führt der Weg im Heiligen Jahr 2025 nach Rom. Wer lieber in der Heimat bleibt, hat in unserer Diözese zahlreiche Möglichkeiten zum Pilgern - zum Beispiel auf dem Martinusweg.

Monika Bucher, Vorsitzende der Martinusgemeinschaft, hat in den letzten zwölf Jahren viel ehrenamtlich für die Entwicklung dieses Pilgerwegs geleistet. Für unser Interview hat die 69-Jährige das Schreiben dutzender Weihnachtskarten unterbrochen und bei einer Tasse Kaffee erzählt, wie pilgern ihr in schwierigen Lebenssituationen Hoffnung gibt, wie es Menschen öffnet und welche Schwierigkeiten, aber auch herausragenden Momente es in ihrer Arbeit bisher gegeben hat.

Frau Bucher, Papst Franziskus will mit dem Heiligen Jahr 2025 eine Zeit der Besinnung und Erneuerung schaffen. Wie gibt Ihnen das Pilgern Kraft und Hoffnung?

Für mich ist Pilgern eine Spurensuche – nicht nur nach dem Weg, sondern auch nach Gott. Manche Lebensabschnitte sind nicht so toll, man ist von Zweifeln geplagt und man fragt sich, wo Gott ist. Sieht er mich überhaupt? Dann gibt mir die Schöpfung, die Natur viel Kraft – hier kann ich Zwiegespräch mit Gott halten.

Besonders stark habe ich das erlebt, als bei mir vor einigen Jahren Krebs diagnostiziert wurde. Sechs Wochen lang musste ich unter der Woche täglich zur Bestrahlung. Teilweise bin ich direkt vom Büro aus mit dem Taxi in die Klinik gefahren. Zu Hause habe ich dann kleine Runden in der Natur gedreht. Das war meine Kraftquelle – hier habe ich Gespräche mit dem lieben Gott geführt. Bei denen war niemand dabei, ich habe viel mit mir selbst ausgemacht. Meine Arbeit und der Martinusweg haben mir auch die Kraft und Stärke zu gegeben zu sagen: „Ich werde wieder gesund.“ Eine Krankheit kann viel ausmachen. Aber sie kann auch Negatives ins Positive wenden.

„Wir müssen die empfangene Hoffnungsfackel weiter brennen lassen und alles tun, damit alle wieder die Kraft und die Gewissheit zurückgewinnen, um mit offenem Geist, Zuversicht und Weitsicht in die Zukunft zu blicken.“ – Papst Franziskus

Wie schöpfen Menschen beim Pilgern Hoffnung, wenn sie in einer Gruppe unterwegs sind?

Pilgern kann Menschen öffnen. Hier sprechen andere manchmal mit mir über Dinge, die sie sonst niemandem erzählen. Außerdem findet man einen anderen Zugang als im Gottesdienst zu Menschen, die nicht gläubig sind.

In der Gruppe unterwegs zu sein, ist auch ein Mittel gegen Einsamkeit: Oft pilgern Menschen mit, die keine Beziehung haben – bei manchen ist der Partner verstorben. Bei der letzten Diözesanwallfahrt waren auch einige dabei, die nicht allein verreisen und gerne einfach unter Menschen sein wollten. Sie haben die Kommunikation gesucht. Wenn sich wildfremde Menschen einander anvertrauen, dann ist für mich Gott im Spiel.

Welche Teile des Martinuswegs sind Sie selbst schon gelaufen?

So genau kann ich das gar nicht sagen. Ich war bei allen Diözesanwallfahrten dabei, auch in Szombathely in Ungarn und in Tours in Frankreich. Für mich war die letzte die Schönste – da waren wir in Worms,Mainz, Trier, Luxemburg und Speyer. Ich war auch beim Bischofspilgern und, soweit es ging, immer beim Samstagspilgern dabei. Dabei konnte ich die Menschen kennenlernen, die sich in den verschiedenen Regionen um den Martinusweg kümmern.

Wie sind Sie denn zu Ihrer Arbeit beim Martinusweg gekommen?

Wie die Jungfrau zum Kinde! (lacht) Mein Schwiegersohn hat damals den Ausschlag gegeben. Ich erinnere mich genau – am 27. Februar 2012 gab es eine Veranstaltung im Martinihaus übers Pilgern. Er hat gesagt: „Geh hin, das ist was für dein Rentendasein.“ 

Mein Mann und ich sind zusammen hingegangen. Es gab tolles Essen – aber wir wussten die ganze Zeit nicht genau, was die Veranstaltung eigentlich genau zu bedeuten hatte. Letztlich stellte sich heraus, dass es die Gründungsversammlung für den Martinusweg war. Nachdem wir uns den Bauch vollgeschlagen hatten, konnten wir aber schlecht wieder aufstehen und gehen. Der ehemalige Generalvikar Werner Redies suchte Vereinsmitglieder für die St. Martinusgemeinschaft.

Einige Männer waren schon dabei, aber er bestand darauf, noch mindestens eine Frau mitaufzunehmen. Es waren viele Rottenburger Frauen vor Ort – aber es war wie im Elternorden, alle haben nach unten geguckt. Mein Mann hat mir mit seinem Blick ein „Wehe“ zugeworfen – und als ich gefragt wurde, ob ich mir das Amt vorstellen kann, hab ich halt „Ja“ gesagt. Ich wurde gleich zur Vorsitzenden gemacht!

Das klingt nach einer sehr spontanen Entscheidung…

Ja – und ich hätte nie gedacht, dass das solche Ausmaße annehmen würde. Aber ich habe es nie bereut. Ich sehe das Amt wirklich als Ehrenamt – ich bin geehrt. Es hat mich im Laufe der zwölf Jahre geprägt und selbstbewusster gemacht; ich konnte immer schon gut mit Menschen umgehen, aber das hat mir noch mehr Stärke gegeben. Außerdem ist mir der heilige Martin als Person sehr wichtig. Er ist auf Menschen zugegangen. So sehe ich mich ein stückweit – besonders für die, die eher am Rand stehen oder eine Beeinträchtigung haben. Für sie haben wir besondere Pilgerangebote konzipiert.  

Was sind denn Ihre konkreten Aufgaben?

Ich bin nicht nur Vorsitzende der Martinusgesellschaft in der Diözese, sondern in ganz Deutschland. Zu Beginn haben wir im Team am Schreibtisch die Wege geplant – die Idee war ja, Martinskirchen miteinander zu verbinden. Dazu war viel Kommunikation mit den anderen Diözesen notwendig. Hier ist uns zugutegekommen, dass Herr Redies ein großes Netzwerk besitzt. Die Pioniere sind dann die europäische Mittelroute abgelaufen, mein Mann war da auch dabei. Ich bin sehr dankbar, dass er mit an Bord ist – er ist auch zuständig für die Übernachtungsquartiere auf der Route.

Der Aufbau des Weges war also eine große Aufgabe, bei der es viele Kleinigkeiten zu beachten gibt. Ich verschicke Einladungen, bereite Sitzungen vor, schaffe Kontakte, stehe Menschen mit Rat und Tat zur Seite, die auf dem Weg pilgern wollen. Und ich kümmere mich um die Organisation von besonderen Angeboten – dieses Jahr beispielsweise zum ersten Mal das Lamapilgern. Das haben wir zusammen mit einer evangelischen Pfarrerin angeboten.

Außerdem kümmere ich mich um die Öffentlichkeitsarbeit und bestücke die Homepage.

Also eigentlich ein Fulltime-Job – und bestimmt nicht immer einfach?

Nein, besonders, was den Bürokratismus angeht – die Behörden sind oft im Weg gestanden. Aber jetzt haben wir 2200 Kilometer Weg zusammengeführt, 14 Mitgliedsländer arbeiten im Sinne des heiligen Martin, mit Sitz in Tours. Seit der Entstehung der Mittelroute 2014 gehören wir der Europäischen Föderation an.

Wow! Wie fühlt es sich an, das alles geschafft zu haben?

Ich habe es ja alles nicht alleine geschafft, sondern mit vielen Weggefährten. Aber auf unsere gemeinsame Leistung bin ich stolz – es gibt mir eine innere Befriedigung, dass Menschen jetzt auf dem Martinusweg unterwegs sind. Neben dem Jakobsweg ist er schließlich der zweite Kulturweg Europas.

Sie haben ehrenamtlich so viel für den Martinusweg getan – gab es denn auch besonders schöne Momente?

Von denen gab es viele! Zum Beispiel, als wir den Wegübergang in die Erzdiözese Freiburg geschafft haben. Zum ersten Mal hat der Weg verschiedene Diözesen miteinander verbunden. Oder, als ich von Bischof Fürst die Martinusmedaille für mein Engagement verliehen bekommen habe.

Das vielleicht größte Highlight war die Einladung zum Bürgerfest beim Bundespräsident Frank Walter Steinmeier. Ich bin ja ein Fan von Herrn Steinmeier. Ich habe den Brief aus dem Briefkasten geholt und als ich beim Öffnen den goldenen Adler gesehen habe, da habe ich eine Gänsehaut bekommen. Ich bin zu einem riesigen Gartenfest im Schloss Bellevue für Ehrenamtliche eingeladen worden – eine geniale Veranstaltung, bei der Leute aus Film, Funk, Fernsehen und Politiker anwesend da, mit einer wunderschönen Lichtershow auf den Schlosswänden. Die Feier ging bis in die Morgenstunden, irgendwann konnte ich nicht mehr stehen! (lacht) Ich bin in Strümpfen durch die Straßen Berlins gelaufen, die Polizisten haben ein bisschen komisch geguckt, aber das war mir egal. Solche Wertschätzungen haben mich aufgepeppt.

Und das Pilgern an sich gibt mir natürlich viel. Als ich am ersten Advent gepilgert bin - ein schöne Tour mit dem tollen Namen "Pilgern statt Shoppen" - sind wir auch ein Stück schweigend gelaufen. Ich kann viel geben - aber solche Momente brauche ich, um für mich selbst wieder Kraft zu tanken.

Was ist das Heilige Jahr?

Das Heilige Jahr (lateinisch annus sanctus) oder Jubeljahr (lateinisch annus iubilaeus) wird Ein Heiliges Jahr findet in der Regel alle 25 Jahre statt und ist ein Jubiläumsjahr der Geburt Christi. Die Stadt Rom rechnet für 2025 mit rund 45 Millionen Pilgernden, Besucherinnen und Besuchern. Dem Papst ist es wichtig, dass es vor allem ein geistliches Ereignis wird und die Pilger als bessere Menschen heimkehren und die Welt zu einer besseren machen.

alle 25 Jahre gefeiert. Ziel ist es, die Gläubigen zur Erneuerung ihres Glaubens und zur Vertiefung ihrer Beziehung zu Gott aufzurufen. Ein wichtiges Merkmal des Heiligen Jahres ist die Möglichkeit, einen vollkommenen Ablass zu erlangen, also die Vergebung der zeitlichen Sündenstrafen.

In unserer Diözese findet die Eröffnung des Heiligen Jahres am Sonntag, den 29.12.2024 um 9.30 Uhr im Dom St. Martin in Rottenburg statt.  

Mehr zum Martinusweg

Die "Via Sancti Martini" verbindet den Geburtsort des heiligen Martin, Szombathely in Ungarn, mit seiner Grablege in Tours in Frankreich. In Tannheim bei Biberach erreicht der Hauptweg Baden-Württemberg und führt weiter bis nach Speyer am Rhein.

Entstanden sind neben dem Hauptweg vier Regionalwege, die zahlreiche Martinskirchen miteinander verbinden und Pilger dazu einladen, sich mit dem heiligen Martin auf einen geistlichen Weg zu machen. Hier gelangen Sie zur Webseite des Martinuswegs und hier zu einer interaktive Seite, auf der Sie Pilgernden und Engagierten auf dem Martinusweg begegnen können.

 

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