Markus Triebs fühlte sich für kurze Zeit in die Vergangenheit seines Hauses in Rot an der Rot zurückversetzt. Dort, wo gewöhnlich junge Menschen oder erwachsene Gäste die Flure bevölkern und sich in den Seminarräumen weiterbilden, wo sie im Meditationsraum beten und im Gewölbekeller feiern, wandelten wie einst acht Prämonstratenser-Chorherren durch die heiligen Hallen. Und zwar nicht irgendwelche, sondern Generalabt Jos Wouters aus Rom und weitere Äbte aus Deutschland, den USA, Frankreich sowie aus Indien. Sie sind mit dem amerikanischen Sekretär und dem niederländischen Ökonom die sogenannten Definitoren, die die weltweite Ordensgemeinschaft zwischen den Generalkapiteln leiten.
Im Jugendhauses St. Norbert, einem Tagungshaus der Diözese Rottenburg-Stuttgart, erinnern noch Raumbezeichnungen wie Prälatur, Refektorium und Hospiz an frühere Zeiten. 1126 gegründet gingen aus der Reichsabtei auch die oberschwäbischen Klöster in Schussenried, Weißenau bei Ravensburg und Obermarchtal hervor. Mit Pater Johannes-Baptist Schmid, seit 2019 Pfarrer in der Seelsorgeeinheit Rot-Iller, wirkt nach Auflösung der Abtei 1803 und einer kurzzeitigen Neubesiedlung zwischen 1947 und 1959 erstmals wieder ein Prämonstratenser in Rot. Als er am 31. März seine Ordensoberen mitbrachte, war das für Markus Triebs eine große Überraschung.
Dann war plötzlich noch Zeit
Die Definitoren kommen halbjährlich zusammen - einmal in Rom, einmal in einer Niederlassung an einem anderen Ort. In diesem Frühjahr war das Kloster Roggenburg in Bayerisch-Schwaben an der Reihe, zu dem Pater Johannes-Baptist gehört. Als die Tagesordnungspunkte der knapp einwöchigen Konferenz bereits einen halben Tag früher abgearbeitet waren als vorgesehen, schlug der für Roggenburg zuständige Abt Hermann-Josef Kugler aus Windberg einen Besuch in Rot an der Rot vor. Dort hatten Archäologen erst vor Kurzem unter der barocken Klosteranlage den mittelalterlichen Kreuzgang entdeckt.