Wie kam es, dass Alfons Waibel vor über 70 Jahren den Priesterberuf ergriff? "Das weiß ich nicht mehr, ich bins halt geworden", antwortet der Jubilar in breitem Schwäbisch und mit einem verschmitzten Lächeln. Und dann beginnt er zu erzählen von seiner sehr gläubigen Familie in Wagenhalden, einem Weiler, der zur Pfarrei Oberessendorf im Dekanat Biberach gehört. Und von der Realschule mit Lateinunterricht in Waldsee, wo er zwei Klassen in einem Jahr mit Bravour meisterte, sowie vom Bischöflichen Konvikt in Ehingen. An die Details kann sich der geistig rüstige Pensionär, der am 23. April seinen 100. Geburtstag feiert, noch genau erinnern.
Nur Alfons Waibels Gehör hat inzwischen deutlich nachgelassen. Mit seiner Hausfrau Alexandra Werner, die sich seit der Jahrtausendwende in der Wohnung in Eberhardzell um ihn kümmert, versteht er sich jedoch gut. Die gelernte Heilpädagogin wiederholt ihm das Gesprochene direkt ins Ohr. Sie chauffierte ihn die letzten Jahre auch noch zu Gottesdiensten in der Umgebung. Bis vor Corona zelebrierte der Priester im Eberhardzeller Seniorenzentrum Josefspark. Er habe zu Hause alle Texte vorbereitet und sich angeeignet, so dass er bei der Messe auf kein Buch angewiesen war, verrät sie.
Neue Wege statt altem Drill
In vielen Dingen war Alfons Waibel seiner Zeit und seiner Kirche voraus. Wenn es um "ökumenische Trauungen" oder die Kommunionspendung an evangelische Mitchristinnen und Mitchristen ging, die das katholische Verständnis der Eucharistie teilen, fand er um der Menschen willen pragmatische Lösungen. In Isny im Allgäu, wo er von 1968 bis 1982 als Pfarrer wirkte, führte er die Handkommunion ein, sobald dies möglich war. Eine Frau aus der Gemeinde konnte das nicht nachvollziehen. "Wer so etwas tut, muss in der Ewigkeit auf Glasscherben knien", erinnert sich Waibel an ihre Worte. Worauf der Priester nur trocken zurückfragte: "Woher sollen die im Himmel denn Glasscherben haben?"
Vielleicht hängt die offene und humorvolle Art des Jubilars auch mit seinen Kontrasterfahrungen von Kirche im Rottenburger Priesterseminar in der Nachkriegszeit zusammen. Im Theologiestudium in Tübingen hörte Alfons Waibel bekannte Professoren wie Karl Adam und Josef Rupert Geiselmann. Aber wie im Seminar herrschte damals auch im Theologenkonvikt Wilhelmsstift noch der "alte Drill". Ein Kommilitone sei beispielsweise nicht mehr eines Priesters würdig gewesen, weil er auf dem heimischen Bauernhof bei der Geburt eines Kalbes mitgeholfen habe. "Ich habe meinen eigenen Weg gefunden und bin ihn gegangen", sagt der Geistliche im Rückblick zufrieden.