Kirche am Ort

Quartiersarbeit bedeutet Brücken bauen

Die Exkursion zeigte die Vielseitigkeit von Quartiersarbeit. Foto: Diözese Rottenburg-Stuttgart

Die Quartier-Safari durch den Raum Stuttgart zeigt die Vielfalt kirchengemeindlicher Quartiersarbeit.

Quartiersarbeit ist ein wichtiges Bindeglied zwischen Bewohnern und den Kirchen und ihren sozialen Diensten vor Ort. Sie bringt Menschen zusammen und setzt Gebäude und Flächen für inklusive und lebendige Wohn- und Lebensorte ein und kann dadurch eine Win-Win Situation für Kirche und Kommune sein. Wie vielfältig Quartiersarbeit sein kann, davon konnten sich die Teilnehmer:innen bei der „Quartiers-Safari“ selbst überzeugen.

Bei einer ökumenischen Exkursion durch den Raum Stuttgart wurden am Donnerstag verschiedene Quartiersprojekte besucht und mit den Menschen vor Ort über ihre Konzepte gesprochen. Die Veranstaltung war eine Kooperation vom Verbindungsbüro zur Region Stuttgart/Dialogforum der Kirchen in der Region Stuttgart, der Evangelischen Akademie Bad Boll und von „Aufbruch Quartier“-Diakonisches Werk Württemberg.

Zusammenbringen von verschiedenen Gruppen

Erster Stopp der Tour war das Quartier in Esslingen-Weil. Hier setzt sich Kirchengemeinde und Diakonie gemeinsam für mehr Zusammenhalt in den Nachbarschaften ein. Quartiersmanager Kurt Hilsenbeck gibt in seiner Präsentation einen kurzen Überblick über die vergangenen vier Jahre Quartiersarbeit. In den Stadtteil Esslingen-Weil sind neben den alteingesessenen Bewohnern viele neue Familien mit Kindern und Jugendlichen hinzugezogen – auch Familien mit Migrationshintergrund. Um diese verschiedenen Gruppen zusammenzubringen, wurde eine Strategie zur Quartiersarbeit entwickelt. Mit verschiedenen Angeboten wie einem Strick- und Spieletreff, einem öffentlichen Bücherschrank oder einem wöchentlichen Mittagstisch sollen sich die unterschiedlichen Bewohnergruppen begegnen. „Es geht immer um Wirkung“, sagt Quartiersmanager Kurt Hilsenbeck. Bei seiner Arbeit musste er mit den Räumen arbeiten, die es bereits gab. So wird in der evangelischen Lukaskirche in Weil nicht nur der Gottesdienst gefeiert, sondern auch Platz für verschiedene Veranstaltungen gemacht. Es ist der Begegnungsort im Stadtteil. Beim Mittagstisch treffen dann zum Beispiel die Handicap-Gruppe auf die Demenzbetreuungsgruppe oder auf Jugendliche. „Manches gelingt sehr gut, aber manches bleibt auch eine Herausforderung“, so lautet das Fazit nach rund vier Jahren Quartiersarbeit von Hilsenbeck. Eine Herausforderung sei es zum Beispiel, Menschen in prekären Wohnsituationen zu erreichen.

Beim zweiten Stopp in Wendlingen konnten die Teilnehmer:innen das neue Johannesforum besichtigen. Auf dem Gelände wurde die Johanneskirche bis auf den Turm abgerissen, um Platz für ein inklusives Gemeindezentrum zu schaffen. Der Abriss des Kirchengebäudes war für die Bewohner:innen ein emotionales Thema, erklärt Bürgermeister Steffen Weigel: „Gerade die älteren Menschen haben in der Johanneskirche geheiratet oder hier ihre Kinder getauft. Für sie war es, als würden wir ihnen jetzt diesen Ort wegnehmen.“ Vor dem Abriss war die Kirche täglich 14 Tage lang für eine bestimmte Zeit geöffnet, um Abschied zu nehmen. Außerdem hängt das Kreuz der Johanneskirche im neuen Saal des Gemeindezentrums. Der Abriss des alten Kirchengebäudes sei ein schwieriger Schritt gewesen, stimmt Diakonin Bärbel Unrath zu. „Aber wir hatten den Mut und jetzt zeigt sich, dass es sich gelohnt hat. Wir haben hier einen Begegnungsort, wo Menschen zusammenkommen“, sagt die Diakonin. Ein Höhepunkt der vergangenen Wochen sei das gemeinsame Public Viewing der Fußball-Europameisterschaft gewesen, denn dort kamen Jung und Alt zusammen.

Für die Menschen vor Ort da sein

Wie funktioniert Quartiersarbeit ohne Räumlichkeiten? Dieser Herausforderung musste sich Quartiersmanagerin Ingrid Bondorf stellen. Im Neubaugebiet Akademiegärten in Neuhausen gibt es kein Gemeindezentrum. Deshalb ist die Kirchenmitarbeiterin jede Woche mittwochnachmittags auf einer kleinen Grünfläche im Wohngebiet vor Ort für die Menschen da. „Wir haben eine Whatsapp-Gruppe, in der wir Informationen zu anstehenden Veranstaltungen veröffentlichen. Wir feiern hier viele kirchliche Feste: Nikolaus oder Advent zum Beispiel“, sagt Bondorf. Die größte Hürde sei es, das Angebot bekannter zu machen. Ihre Arbeit bestehe deshalb viel aus Pressearbeit, aber auch einfach darin, bei Wind und Wetter präsent zu sein. „Uns geht es bei unserer Arbeit darum, dass sich die Menschen hier begegnen und die Gemeinschaft gefördert wird. Denn viele der Bewohner kennen sich hier gar nicht“, sagt sie.

Die Quartiers-Safari wurde von Diakon Thomas Prinz begleitet. Er hat den Teilnehmer:innen unterwegs bei der Busfahrt von Station zu Station Impulse zum Thema Quartiersarbeit gegeben. Bei Quartiersarbeit steht der Mensch ganz gleich seiner konfessionellen Zugehörigkeiten im Fokus: „Christ sein braucht keine Zugehörigkeit, sondern es ist ein Angebot. Ein Angebot für alle Menschen“, sagt Prinz. Deshalb müsse die Kirche auch selbst mitarbeiten bei der Gestaltung des Zusammenlebens innerhalb einer Stadt- oder Ortsgemeinde. Für gute Quartiersarbeit müssen alle zusammenarbeiten: „Es braucht auf beiden Seiten Menschen, die bereit sind, Brücken zu bauen und neue Wege zu gehen“, erklärt der Diakon.

Weil Quartiersarbeit von dem Engagement der Menschen lebt, sind die Wege dorthin sehr vielfältig. Prinz hofft, dass die Teilnehmer:innen der Exkursion den Tag als Inspiration und Motivation für ihre Arbeit mitnehmen. „Das Leben ist bunt. Das Leben ist nicht immer nur einfach. Es geht nicht darum, etwas Schönes zu schaffen, sondern darum, etwas zu schaffen, das im Alltag hilft. Und der Alltag ist eben sehr vielfältig: freudig und beladen, offen und geschlossen, herausfordernd und fördernd“, sagt Thomas Prinz.

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