Ein Baumwolltuch, zweieinhalb auf zehn Meter, hängt in der Ulmer Georgskirche. Wie verborgene Mitteilungen treten Farbkleckse mehr oder weniger intensiv an die Oberfläche eines Universums, dessen dominierendes Weiß Ruhe ausstrahlt und zugleich Fragen aufwirft. Was verdecken die „Falten“, die Schichten und Strukturen, die so wirken wie ein ungebügeltes Kleidungsstück? Unwillkürlich will das Gehirn Figuren erkennen, zuordnen, deuten. Dunkle Wolken im oberen Bereich? Was braut sich da zusammen? Und sieh dort, im unteren Drittel: Ist da nicht ein Mensch mit ausgestreckten Armen sehnsuchtsvoll unterwegs? – Dieses Mysterien-Tuch, wie die Künstlerin Marianne Hollenstein ihre Installation nennt, will einladen, still zu werden, aber auch Fragen zu stellen; es will anregen, auf „Spuren_Suche“ zu gehen und im eigenen Leben Oster- und Lebensspuren zu entdecken.
„Angedacht war ursprünglich die Gestaltung eines Fastentuches“, sagt Schwester Elisa Kreutzer, die das Projekt initiiert hat. Mit Fastentüchern werden in der Fastenzeit bildliche Darstellungen Jesu und vor allem Kreuze verhüllt. „Angesichts der Pandemie, die uns auf Abstand hält und Verzicht auferlegt, wurde aber immer mehr deutlich: Fastentuch und nochmal Verhüllen, das kann’s dieses Jahr nicht sein. Es braucht was Anderes.“ In dieser Zeit gelte es, „Stärkung, Hoffnung, Lebendigkeit und Lebensspuren weiterzugeben – quasi im Fasten und im Verzichten schon den Ausblick auf Ostern und die Auferstehung“, erklärt die Schwester von der Katholischen Cityseelsorge in Ulm.