Reform - Dieselbe Kirche anders denken

Frauen als Priesterinnen, Segnung von homosexuellen Paaren und Laien in der Gemeindeleitung - Dieselbe Kirche kann man auch anders denken.

Dass das geht, das zeigt der Münsteraner Theologe Michael Seewald in seinem Buch „Reform – Dieselbe Kirche anders denken“. Er will, so schreibt der junge Theologe, „die Spielräume für Reformen in der Kirche auszuloten.“

Kirche, so Seewald, bewahrt das Alte, jedenfalls gibt sie das vor. Dabei, so zeigt Seewald in der jüngsten Geschichte der Dogmen, hat sich die Lehre der Kirche immer wieder geändert. Selten hat ein Papst einen Fehler eingestanden und sich korrigiert. Ein guter Trick des Lehramts auch: Es verkauft Neues als alt. Meist jedoch hat das Lehramt in der Geschichte auf das Vergessen gesetzt, damit Falsches einfach von der nächsten Generation der Gläubigen vergessen wird.

Zum Beispiel Pius XII.: Mitte des 20. Jahrhunderts schriebt er den Gläubigen vor zu glauben, dass die Menschheit von einem einzigen Menschenpaar, von Adam und Eva, abstammte. Die Wissenschaft bewies das Gegenteil. Die Lehre blieb jedoch bestehen, bis heute. Die folgenden Päpste setzten einfach darauf, dass das Kirchenvolk die bald offenkundig veraltete Lehre „vergaß“. Derselbe Papst formulierte den Satz: „Alle wissen, dass die Kirche, was sie festgelegt hat auch verändern und abschaffen kann.“ Trotzdem: Korrigiert hat Papst Pius XII. selbst gar nichts.

Will die Kirche nicht zu einer Art Freiluftmuseum verkommen, muss sie sich wandeln. Fraglich ist nach Seewald nur, was der unveränderbare Kern ihrer Botschaft ist und was ihre zeitbedingte, austauschbare Schale. Kern, Schale, das zu beurteilen, das ist die Frage. Päpstliche Äußerungen zu strittigen Themen in der Kirche – so sie nicht dogmatische Festlegungen durch ein Konzil sind – berühren die Schale der Kirche, nicht ihren Kern.

Michael Seewald ist Professor für Dogmatik. Nicht leicht zu lesen sein Plädoyer für eine neue Kirche. Aber deutlich wird: Die heute strittigen Fragen in der Kirche könnten übermorgen längst vergessen sein. Bis dahin müssen wir das bessere Argument suchen, um den Kern der Religion, die Frohe Botschaft, zu bewahren und sie den Menschen zu bringen. Dafür muss sich die Schale wandeln.

Dieselbe Kirche anders denken von Michael Seewald ist schwere Kost, aber am Ende kann der Leser aufatmen: Kirche hat sich immer verändert, sie kann und darf es auch heute. Gott sei Dank.

Michael Seewald: Reform - Dieselbe Kirche anders denken, Verlag Herder, Freiburg 2019, 176 Seiten, ISBN 978-3-451-38349-6

Der Autor ist Diözesanpriester

Michael Seewald, geboren 1987, ist Professor für Dogmatik und Dogmengeschichte sowie Principal Investigator am Exzellenzcluster "Religion und Politik" der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Bischof Gebhard Fürst weihte ihn am 6. Juli 2013 in Weingarten zum Priester für die Diözese Rottenburg-Stuttgart.

 

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