In der Urlaubssaison zieht es Reiselustige in die schönsten Ecken der Welt – Franz Pitzal dagegen zieht es in die ärmsten Ecken der Welt. Er hat Elend gesehen in riesigen Slums in Angola, in überfüllten Flüchtlingslagern im Irak. Er war bei von Minen verstümmelten Menschen in Kambodscha und von Unterernährung Erblindeten in Nordkorea. Sehenswürdigkeiten habe er besichtigt, wenn sie auf dem Weg lagen – das sei jedoch immer mit Hilfsprojekten verbunden gewesen, so der emeritierte Pfarrer. „Ich war da, um zu sehen, ob das gespendete Geld angekommen ist. Oft haben wir dabei neue Projekte ins Leben gerufen.“
Hilfe in den ärmsten Gegenden der Welt
Zuletzt war er im Südsudan und in Äthiopien. „Ich dachte, der Südsudan wäre das ärmste Land der Welt“, sagt Pitzal. „Aber jetzt fliehen Menschen vom Sudan in den Südsudan, weil sie da noch ärmer dran sind.“ Besonders schlimm sei es für die Kinder. Pitzal besuchte in der südsudanischen Hauptstadt Juba ein Kinderheim und war schockiert über die Zustände dort: „Die meisten der achtzig Mädchen und Jungen haben auf dem Boden geschlafen, hatten kein Bett oder haben draußen in heruntergekommenen Zelten übernachtet.“ Für die Menschen im Südsudan habe er bisher rund 11.000 Euro an Spenden sammeln können, so Pitzal. Das Geld sei für die Finanzierung eines Schlafraums, Betten und einer Toilette vorgesehen.
Pitzal hat selbst Leid und Armut erlebt
An anderen Orten fehle es den Menschen an unterschiedlichen Dingen – wenn Pitzal sie unterstützt, geht es immer um Hilfe zur Selbsthilfe, zum Beispiel mit Nähmaschinen, Brunnen, Fischteichen, Öfen zum Brotbacken. Reine Geldspenden mache er nicht. Wie er mit den Projekten im Ausland angefangen habe, daran kann er sich nicht genau erinnern: „Aber ich bin als Pfarrer immer ein besonderer gewesen – nie ein großer Theologe, sondern bei mir lag der Schwerpunkt immer auf dem Sozialen.“ Pitzal erzählt weiter, dass er aus der Arbeiterwelt komme und viel Armut erlebt habe. Als er neun Jahre alt war, wurden er und seine Familie aus ihrer Heimat im Sudetenland vertrieben. Deswegen kann er sich auch in die Menschen aus der Ukraine hineinversetzen und setzte sich nach dem Kriegsausbruch bei der Lieferung von Hilfspaketen ein: „s'Beta aloi langt au net,“ findet er. Die Menschen in Deutschland heute, die keinen Krieg miterlebt haben, hätten einen anderen Bezug zu Leid und Not in der Welt, so Pitzals Vermutung. „Sie haben weniger Blick für so etwas“, meint er und spricht sich gegen Geldverschwendung aus: „Ich bin selbst fußballverrückt – aber die Gehälter der Spieler sind nicht mehr normal. Dafür könnte man Krankenhäuser bauen!“
Die Renninger Krippe finanzierte Projekte mit
Für seine Hilfsprojekte Geld zu bekommen, sei mühselig: „Ich sammle und bettle“, so Pitzal. Eine große Einnahmequelle dafür sei 41 Jahre lang die Renninger Krippe gewesen. Jährlich zog sie rund 70.000 Besucher in die 18.000 Einwohnerstadt im Landkreis Böblingen. „Die Krippe hatte jedes Jahr ein neues Thema, dann wurde es nicht langweilig“, sagt Pitzal. Er habe zusammen mit Ehrenamtlichen alles selbst gebaut, aus einfachen Materialen: „Aus Kruscht, platt gesagt!“ Jetzt gibt es das Krippenmuseum, in dem Krippenfiguren aus aller Welt ausgestellt sind. Und: die Mütze von Papst Franziskus. Pitzal hatte seine eigene im Februar 2016 bei seinem Besuch im Vatikan mit ihm getauscht und die Mütze des Kirchenoberhaupts mit nach Renningengebracht. „Das war eine herzige Begegnung“, erinnert sich Pitzal. Er ist auch weiteren bekannten Persönlichkeiten begegnet: In Tübingen und München absolvierte Pitzal sein Theologiestudium und hörte sowohl bei Joseph Ratzinger als auch Hans Küng Vorlesungen. Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg überreichte ihm das Bundesverdienstkreuz. Pitzal bleibt allerdings auf dem Boden: „Ich kann ich viele Dinge nicht: Zum Beispiel Singen oder Schreibmaschine schreiben.“
Weltkulturpfad in Renningen
Pitzal geht es „zu gut“ für seine 87 Jahre, er ist immer beschäftigt und unterwegs. Momentan kümmert er sich viel um den Weltkulturpfad in Renningen: Die Kunstwerke entlang des Weges sollen zum Nachdenken über die Probleme in der Welt, über Kultur und Religion anregen. Außerdem entwickelt er neue Ideen für die Kirche vor Ort, wie kleinere Stammtische in Gemeinden. Denn auch die älteren Leute wendeten sich mehr von der Kirche ab, befürchtet er und sagt, was er vorlebt: „Es ist Menschlichkeit, mit der die Kirche überzeugen muss.“