Rekordzahl von Kirchenaustritten

Die Jahresstatistik 2019 verzeichnet 21.861 Austritte in der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Viele Projekte sollen entgegenwirken.

Als alarmierend und besorgniserregend bezeichnet Matthäus Karrer, Weihbischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart, die Rekordzahl an Kirchenaustritten im Jahr 2019. Mit 21.861 Austritten verzeichnet die Diözese Rottenburg-Stuttgart einen Negativrekord. Zum Vergleich: Im Jahr 2018 waren 17.497 Katholikinnen und Katholiken aus ihrer Ortskirche ausgetreten, im Jahr 2017 waren es 13.552. Die Mitgliederzahl der Diözese Rottenburg-Stuttgart belief sich am Ende des vergangenen Jahres auf 1.788.495 Frauen und Männer.

„Die evangelische und die katholische Kirche sind in gleicher Weise von hohen Austrittszahlen betroffen. Dasselbe gilt auch für alle katholischen Bistümer in Deutschland; regionale Unterschiede sind nicht sichtbar“, sagt Karrer anlässlich der heute durch die Deutsche Bischofskonferenz veröffentlichten Jahresstatistik 2019. In der Diözese Rottenburg-Stuttgart gebe es aber inzwischen mehrere Projekte, um den hohen Austrittszahlen entgegenzuwirken.

Zentrale Punkte sind dabei: Macht- und Hierarchiewahrnehmung, gleichberechtigter Zugang von Frauen zu allen Weiheämtern und die Sexualmoral.

 Laut Karrer ist letztlich das Erscheinungsbild der Kirche, das mit einer nicht mehr zeitgemäßen Haltung verbunden wird, ganz entscheidend für den Kirchenaustritt. Ausgetretene berichteten davon, dass sie keine Geduld mehr haben und der Kirche jede Reformkraft absprächen. „Zentrale Punkte sind dabei: Macht- und Hierarchiewahrnehmung, gleichberechtigter Zugang von Frauen zu allen Weiheämtern und die Sexualmoral“, sagt der für die pastorale Konzeption der Diözese zuständige Weihbischof und verweist darauf, dass alle diese Punkte auch zentrale Beratungsthemen des Synodalen Weges in der Katholischen Kirche in Deutschland sind, der zum 1. Advent 2019 gestartet ist.

„Besonders besorgt blicke ich auf die Gruppe der 25- bis 35-Jährigen“, stellt der Weihbischof fest. Auch 2019 sei in diesem Alter die Zahl der Kirchenaustritte besonders hoch gewesen. Um dem entgegenzuwirken, starte im September 2020 ein fünfjähriger Projektschwerpunkt zur „Glaubenskommunikation Junger Erwachsener“ in der Diözese Rottenburg-Stuttgart.

Seelsorge in den Kirchengemeinden vor Ort entscheidend

Laut Karrer gibt es nach wie vor auch einen Zusammenhang zwischen Kirchensteuer und Kirchenaustritt. Die Kirchensteuer sei dabei jedoch eher der Auslöser als die tatsächliche Ursache. Die wesentlichen Gründe für Kirchenaustritte seien stattdessen „Entfremdung“ und „fehlende Bindung“. Die Qualität der Seelsorge in den Kirchengemeinden vor Ort sei für viele Kirchenmitglieder entscheidend, erläutert er. „Die Erfahrungen gerade im Zusammenhang mit persönlichen Gottesdiensten, einer Taufe, Trauung oder Beerdigung sind für viele Kirchenmitglieder ein wichtiges Kriterium.“ Das belege auch eine Studie des Bistums Essen. Es müsse daher ein Schwerpunkt in der Diözese Rottenburg-Stuttgart sein, die Qualität der Seelsorge zu sichern. Ein erstes Projekt im Themenfeld „Trauerpastoral und Bestattungskultur“ sei dazu im Jahr 2019 aufgelegt worden.

Eine besondere Herausforderung sei zudem die bewusste Hinwendung der Kirche zu den Menschen, die wenige oder keine kirchlichen Angebote nutzten, diese aber mit ihren Kirchensteuern finanzieren, fährt Matthäus Karrer fort. So liege der Anteil der sonntäglichen Gottesdienstbesucher bei den regelmäßigen Zählungen bei unter zehn Prozent der Kirchenmitglieder. Die anderen mehr als 90 Prozent würden eher wenig Beachtung erfahren. „Hier geht es um neue Wege der Beteiligung und der Engagementförderung“, hebt Karrer hervor und verweist darauf, dass innerhalb der Diözese Rottenburg-Stuttgart vor diesem Hintergrund seit 2018 ein Modellprojekt zur Engagementförderung laufe, das im Frühjahr 2020 auf weitere sieben Seelsorgeeinheiten ausgeweitet worden sei.

Im Detail

Die Zahlen der Taufen, Trauungen sowie die der Kinder und Jugendlichen, die an Erstkommunion und Firmung teilnahmen, bewegen sich leicht unter den Zahlen der Vorjahre und unterliegen immer einer gewissen demografischen Schwankung. (Taufen: 2019:12.801, 2018: 13.398, 2017: 13.290; Firmlinge: 2019:12.877, 2018: 10.724, 2017: 13.308; Trauungen: 2019: 3079, 2018: 3308, 2017: 3302).

Für Weihbischof Matthäus Karrer wenig erfreulich, ist auch der Rückgang der Gottesdienstbesucherinnen und -besucher (2019: 157.386, 2018: 159.964, 2017: 169.541). Interessant sei dabei aber die Tatsache, dass in der Diözese Rottenburg-Stuttgart bei der Wahl zu den Kirchengemeinderäten – trotz Corona-Einschränkungen – 19,5 Prozent der Katholikinnen und Katholiken gewählt haben, wohingegen nur 8,8 Prozent regelmäßig den Sonntagsgottesdienst mitfeiern.

Statistische Daten zur Diözese Rottenburg-Stuttgart (Jahreserhebung 2019)

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