Aktivistinnen und Aktivisten der Initiative Lieferkettengesetz übergaben am 9. September vor dem Berliner Kanzleramt symbolisch die insgesamt über 222.222 Unterschriften, die bundesweit seit Beginn der Initiative vor genau einem Jahr für die Erarbeitung eines Lieferkettengesetzes gesammelt wurden und demonstrierten gleichzeitig gegen die erneute Verschiebung der Diskussion um das Gesetz im Bundeskabinett.
Ein Bündnis von 110 zivilgesellschaftlichen Organisationen, darunter viele kirchliche wie die Diözese Rottenburg-Stuttgart, fordern einen gesetzlichen Rahmen sowie Sanktionen für Unternehmen, die vermeidbare oder vorhersehbare Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung in ihren Lieferketten zu verantworten haben. Unterstützt werden sie nicht zuletzt von Papst Franziskus, der sich vor einigen Tagen zu dem Thema äußerte.
Aus der Diözese Rottenburg-Stuttgart reisten Julia Schiller, Referentin der Hauptabteilung Weltkirche, sowie drei junge Freiwillige zur Übergabe in die Hauptstadt: Katharina Haas, eine der gewählten Vertreterinnen im Rückkehrendenengagement der Weltkirchlichen Friedensdienste, beschreibt ihre Eindrücke so: „Es ist sehr spannend die unterschiedlichen Mitgliedsorganisationen der Initiative kennenzulernen und zu erleben, wie ihre jeweiligen Perspektiven und Erfahrungen in die Initiative einfließen und im Austausch miteinander stehen, um das gemeinsame Ziel einer gerechteren Lieferketten-Gesetzeslage zu erreichen.“
Im Diskurs werde von kritischer Seite vielmals die Frage zur Diskussion gestellt, ob mit diesem Gesetz nicht die Gefahr bestünde, dass Unternehmen aus Ländern abwanderten, wenn aufgrund der gegeben Bedingungen im Land nicht die Möglichkeit bestehe, die Vorgaben einzuhalten. Und das vor allem in Ländern, die die wirtschaftliche Unterstützung deutscher oder westlicher Unternehmen so dringend zu benötigen scheinen.
Mit dieser Frage hat sich auch Conny Semling beschäftigt, die sich nach ihrem in diesem Jahr beendeten Freiwilligendienst im Arbeitskreis "Eine Welt Politik" der Diözese Rottenburg-Stuttgart weiter engagieren möchte. Wie die Initiative hat auch sie eine klare Antwort gefunden: Es gehe nicht darum, dafür zu sorgen, dass Menschen ihre Arbeit verlieren, die sie - zugegebenermaßen - oft unter schlechten Bedingungen leisten müssten, sagt Semling. Sondern vielmehr gehe es darum, Raum zur Entwicklung zu geben. Denn den Unternehmen werde eine angemessene Zeitspanne zur Verfügung gestellt, in der sie sich auf die nun offensichtlich so neuen Bedingungen einstellen könnten.
Pius Tenywa, der gerade in Deutschland seinen Weltkirchlichen Friedensdienst absolviert und in seiner Heimat Uganda Transport und Logistik studiert hat, war ebenfalls mit dabei in Berlin und er beschäftigt sich nicht nur von studiumswegen mit dieser Thematik. In Uganda werden Menschen von ihrem Grund vertrieben, damit das Land an Unternehmen verpachtet werden kann. Tenywa sieht eine große Chance für bessere Arbeits- und Umweltbedingungen darin, Lieferketten dahingehend zu verkürzen als das nicht nur Rohstoffe exportiert, sondern im Herstellungsland auch verarbeitet und somit erst das Endprodukt exportiert wird. Dies würde auf der einen Seite zu überblickbareren Lieferketten führen und auf der anderen zu einem in sich gerechteren Handel.
„Auch wenn es von den Verantwortlichen und Beteiligten viel Zeit, Nerven und Herzblut fordert, so ist die Initiative Lieferkettengesetz ein Beispiel dafür, wie viel und wie viele, zivilgesellschaftliches Engagement erreichen und mitreißen kann. Und das motiviert“, sagt Julia Schiller.