Wie kann die Politik die vielfältigen Anstrengungen der Kirche im Bereich Prävention und Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs besser begleiten, wo muss sie kontrollieren? Welche Schritte sind noch zu gehen, um den Opfern Gerechtigkeit widerfahren zu lassen? Welche Erwartungen haben sie an die systemische Aufarbeitung? – Ein Podium mit Astrid Mayer und Karl Haucke, Betroffene von sexualisierter Gewalt, mit Bischof Dr. Gebhard Fürst, dem Bundestagsabgeordneten Prof. Dr. Lars Castellucci und der Kinder- und Jugendpsychiaterin Prof. Dr. Renate Schepker diente dazu, Forderungen zu benennen und Perspektiven auszuloten.
Grenzverletzungen nicht übersehen
Mit dem Appell, die eigene Betroffenheit von sexualisierter Gewalt zu reflektieren – als direkt Betroffener, Mitbetroffener, vielleicht Mitwisserin –, wandte sich Astrid Mayer, Journalistin und Mitgründerin der Betroffeneninitiative kirchlicher Missbrauch Süddeutschland, an die Teilnehmenden der Tagung und die Öffentlichkeit. Der Prozentsatz der Menschen, die damit gar nichts zu tun haben, sei sehr gering und darüber werde sehr wenig gesprochen, sagte Mayer. Ohne eine solche Reflexion könne man Betroffenen „nicht wirklich zur Seite stehen“. Auf der persönlichen Ebene forderte sie eine „konkrete Verbesserung der Situation von Betroffenen“, etwa durch achtsameren Umgang bei den Anlaufstellen, damit sich auch diejenigen Betroffenen zeigen könnten, die sich bisher nicht gemeldet haben. Mayer zeigte sich überzeugt, „dass wir unsere Gesellschaft viel besser machen können, wenn wir aufhören, Grenzverletzungen zu übersehen oder zu entschuldigen, und wenn wir lernen, Macht sichtbar zu machen und mit Macht umzugehen“.
Aufarbeitung gesetzlich verankern
Karl Haucke, Mitglied des Betroffenenrats der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM), forderte ein gesetzlich verankertes Recht auf Aufarbeitung „und im Gegensatz dazu für die Täterorganisation eine Pflicht zur Aufarbeitung“ mit einem Recht auf Akteneinsicht. „Aufarbeitung ist bedeutend, um individuelles Erleben und Handeln sichtbar zu machen“, sagte Haucke. Es gehe darum, „Einzelberichte zu einer größeren Erzählung zusammenzuführen. Der Sinn für uns alle dabei ist, dass dieses Mosaik die Erfahrungen verdichtet und diese damit gesellschaftspolitische Relevanz bekommen.“ Für Betroffene bedeute dies, „sie haben das Erlebte zur Sprache gebracht“.