Wenn Winfried Kretschmann über das Projekt „Friedensglocken für Europa“ spricht, liegt viel Rührung in seiner Stimme. Der Ministerpräsident besuchte am Montag die Kirche „Maria Hilfe der Christen“ in Aichtal-Grötzingen – dort läuten im Kirchturm vier Glocken, zwei davon sind Friedensglocken. Und zwar aus diesem Grund: Als die Grötzinger Kirche im Jahr 1955 gebaut wurde, ist sie mit zwei Glocken ausgestattet worden, die von den Nationalsozialisten im Osten Europas beschlagnahmt, aber vor der Zerstörung gerettet wurden. Diese sind mittlerweile zurück in ihren ursprünglichen Gemeinden in Polen und Tschechien. Grötzingen hat dafür zwei neu gegossene Turmglocken bekommen – die ebenfalls zu Friedensglocken geweiht wurden.
So klingt der Frieden
Familiengeschichte, die lebendig wird
Für Winfried Kretschmann war es ein Anliegen, die neuen Glocken zu besichtigen, da er eine besondere Verbindung zu den Friedensglocken hat. Der Ministerpräsident war im vergangenen Jahr dabei, als eine der Grötzinger Glocken nach Frombork (Frauenburg) in Polen zurückgebracht worden ist. „Die Reise war sehr berührend, weil meine Eltern von dort stammen, mein Bruder ist dort getauft worden“, erzählt Kretschmann in Grötzingen. Als seine Familie damals aus Polen floh, starb einer seiner Brüder. „Das sind natürlich Familiengeschichten, die nochmal lebendig werden, wenn man an diesem Ort war“, sagt Kretschmann. Die Glocken seien für ihn auch ein großes Zeichen der Versöhnung.
Grötzingen war Startpunkt des Glocken-Projekts
Volker Weber, der Dekan des Dekanats Esslingen-Nürtingen, freut sich, dass er den Ministerpräsidenten an diesem Tag empfangen darf. „Mit Ihrem Besuch feiern wir heute eigentlich schon einen Teil unseres Geburtstags“, sagt er zu Kretschmann. Die kleine, moderne Kirche wird in diesem Jahr 70 Jahre alt. Sie ist die einzige in der Diözese Rottenburg-Stuttgart, die zeitweise die Heimat für Friedensglocken aus zwei Ländern war. Deshalb war die Gemeinde auch der Startpunkt für das Projekt „Friedensglocken für Europa“.