In Baden-Württemberg werden die Stimmen lauter, die dem in der Corona-Krise geplagten innerstädtischen Einzelhandel zu Lasten des Sonntagsschutzes zumindest vorübergehend helfen wollen. Der Anlassbezug nach dem Ladenöffnungsgesetz – Sonntagsöffnungen sind nur im Zusammenhang mit „örtlichen Festen, Märkten, Messen oder ähnlichen Veranstaltungen" zulässig – soll für das laufende restliche Jahr entfallen. Zuletzt äußerten sich Grüne und FDP im Land entsprechend.
Die Allianz für den freien Sonntag Baden-Württemberg spricht sich entschieden gegen diese Vorschläge aus. Sie befürchtet, dass damit der mit Verfassungsrang geschützte freie Sonntag angegriffen werden soll, und verweist auf das Bundesverwaltungsgericht, das erst kürzlich in einer Entscheidung zur Stadt Herrenberg die verfassungsrechtliche Bedeutung des freien Sonntags nochmals bekräftigt hat. Beim Anlassbezug geht es um den Kern des vom Grundgesetz geforderten Sonn- und Feiertagsschutzes. „Wer von diesem Prinzip abrückt, stellt den Sonntagsschutz in Deutschland grundsätzlich in Frage“, so Peter Niedergesäss, Diözesansekretär der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) Rottenburg-Stuttgart.
Für die Allianz steht fest: Der Sonntag sei kein Tag zum Shoppen und Schuften. Er gehöre der Familie, den Freunden, dem Glauben, der Kultur, dem Sport und der Erholung. Auch Beschäftigte im Handel hätten ein Recht auf diesen Tag – gerade unter den belastenden Arbeitsbedingungen der gegenwärtigen Pandemie. Der arbeitsfreie Sonntag sei kein überflüssiger Luxus, auf den jetzt verzichtet werden könne, sondern ein wertvolles Gut, das es zu schützen gelte.
Romeo Edel, evangelischer Wirtschafts- und Sozialpfarrer in der Prälatur Stuttgart: „Sonntagsschutz hört nicht in Zeiten der Epidemie auf! Der freie Sonntag ist das Kulturgut, das uns seit fast 1700 Jahren nicht nur Struktur, sondern auch Zeiten der Ruhe und des Innehaltens in Gemeinschaft mit unseren Nächsten garantiert."
Die Sonntagsallianz warnt deshalb alle Beteiligten davor, beim Sonntagsschutz vorschnelle Kompromisse zu suchen. Die Abschaffung des Anlassbezuges, und sei sie auch zunächst befristet, werde die Sonntagsruhe beschädigen, aber keine Arbeitsplätze retten.
„Sonntagsshopping ist keine Konjunkturspritze. Für sehr viele Unternehmen erhöhen sich durch zusätzliche Öffnungszeiten vor allem die Betriebskosten. Die Händler stehen dann an sieben statt sechs Tagen in einem verschärften Verdrängungswettbewerb", stellt Bernhard Franke, Landesfachbereichsleiter Handel im ver.di Landesbezirk, fest.
KAB-Diözesansekretär Peter Niedergesäss ergänzt: „Geöffnete Läden an Sonntagen führten schon vor der Corona-Krise nicht zu höheren Umsätzen. In den jetzigen Zeiten, bei getrübter Konsumlaune, wird das nicht anders sein."