Seelsorge

"Speerspitze" sein, wenn alle Stricke reißen

Diakon Dr. Hubert Liebhardt wurde in St. Eberhardt in Stuttgart als Landespolizeidekan eingesetzt. Zelebrant war Weihbischof Karrer. Foto: Diözese Rottenburg-Stuttgart/ Nelly Swiebocki-Kisling

Weihbischof Matthäus Karrer, Polizeidekan Pfarrer Bernhard Metz, Landespolizeidekan Dr. Hubert Liebhardt und Landespolizeipräsidentin Dr. Stefanie Hinz im Haus der Katholischen Kirche in Stuttgart. Foto: Diözese Rottenburg-Stuttgart/ Nelly Swiebocki-Kisling

Am 19. April wurde Diakon Dr. Hubert Liebhardt in St. Eberhard in Stuttgart in sein neues Amt als Landespolizeidekan eingeführt.

In der Domkirche St. Eberhardt in Stuttgart sind an diesem verregneten Freitagmorgen ungewöhnlich viele Menschen in Polizeiuniform sowie Ehrengäste aus Politik, Gesellschaft und Kirche. Sie sind gekommen, um dem Wortgottesdienst beizuwohnen, den heute Weihbischof Matthäus Karrer zelebriert. Konzelebranten sind der ehemalige Landespolizeidekan Pfarrer Bernhard Metz sowie Landespolizeidekan Diakon Dr. Hubert Liebhardt, der während des Gottesdienstes neu in sein Amt eingesetzt wird.

An Orte gehen, wo man Seelsorge nicht erwartet

In seiner Predigt ging Weihbischof Matthäus Karrer auf die enge Zusammenarbeit zwischen Polizei und Seelsorge. Die Aufgaben des Polizeiseelsorgers vergleicht er mit den Aufgaben eines Hirten. „Es ist immer wieder eine Herausforderung, sich den verschiedenen Situationen zu stellen und sich auf die Bedürfnisse der Polizeikollegen einzulassen.“ Von ihren Einsätzen gezeichnet, sehnten sich die Polizeibeamten nach Ruhe, denn, egal, wie erschöpft sie seien, käme gleich wieder die nächste fordernde Situation. „Auch das ist eine Realität aus dem Polizeialltag,“ so Weihbischof Karrer. Sowie Jesus schickten auch die Polizeiseelsorger niemand fort. „Sie zeigen Präsenz und bringen immer ein gutes Wort mit.“ Das Hirtenbild erklärt Weihbischof Karrer mit der Aussage eines Hirten aus der Alb, mit dem er sich einst austauschte: „Ohne meine eigene Ruhe und Gelassenheit, könnte ich diesen Job nicht machen!“

Polizeiseelsorge lebt von ökumenischer Kollegialität

In Dankbarkeit nahm Diakon Dr. Liebhardt den Segen Karrers und das neue Amt als Landespolizeidekan an. Er begrüßte seine Gäste mit den Worten: „Die Polizeiseelsorge in Baden-Württemberg lebt von unserer ökumenischen Kollegialität im Verbund der vier großen Kirchen. So freut es mich, dass Ihr, liebe Polizeiseelsorgekolleg:innen gekommen seid.“ Der Erfolg der guten Zusammenarbeit sei etwas Besonderes: „Wir sind in Baden-Württemberg in der glücklichen Lage, dass wir uns als vier Kirchen sehr gut abstimmen und als Landesarbeitsgemeinschaft agieren. So ist das Amt des katholischen Landespolizeidekans eingebettet in diese Struktur und das ist gut so.“

Ehrengäste aus Politik, Gesellschaft, Kirche und Polizei

Nach dem Gottesdienst lud der neue Landespolizeidekan seine Gäste zum Stehempfang in den Eugen-Bolz-Saal im Haus der Katholischen Kirche ein - unter ihnen Landespolizeipräsidentin Dr. Stefanie Hinz und Landeskriminaldirektorin Sandra Zarges, Personalleiterin Anke Ströbele, Landespolizeidirektor Martin Feigl sowie zahlreiche Präsident:innen der Polizeipräsidien aus dem Gebiet der Diözese, Mitglieder der Landesarbeitsgemeinschaft Kirchliche Arbeit in der Polizei, Psychosoziale Berater der Präsidien Ulm, Konstanz, Rottenburg und Ravensburg sowie Mitglieder des kirchlich-katholischen Kollegiums.

Polizeidekan Georg Hug begrüßte die Gäste und erklärte, den Wechsel innerhalb der Polizeiseelsorge, der nun turnusmäßig nach zehn Jahren von Pfarrer Bernhard Metz an Diakon Dr. Hubert Liebhardt ginge. Selbstverständlich sei der Vorgänger nach wie vor Polizeidekan in der Polizeiseelsorge im Erzbistum Freiburg.

Unabhängig. Vertraulich. Professionell.

In seinem Grußwort lobte Weihbischof Matthäus Karrer die gewachsene, langjährige Tradition der guten ökumenischen Zusammenarbeit und überbrachte dem scheidenden und dem neuen Landespolizeidekanen und Gästen den Gruß des Diözesanadministrators Dr. Clemens Stroppel. In freier Rede ging Karrer auf das aktuelle Grundlagenpapier zur Polizeiseelsorge ein mit den drei Überschriften „Unabhängig. Vertraulich. Professionell., die für Polizei und Seelsorge gelte: „Es ist ihre Aufgabe, sich unabhängig, professionell und vertraulich zu den Menschen zu stellen, die diesen Dienst tun, sie zu begleiten und mit ihnen den Blick auf menschliche Abgründe und Grenzerfahrungen auszuhalten. Polizeidekane suchen mit ihnen im konstruktiven Dialog nach Antworten auf die Fragen, die die Spannungsfelder des beruflichen Alltags für Polizeibeamt:innen aufwerfen und geben ihnen ethische Leitlinien an die Hand, um Konfliktsituationen konstruktiv bearbeiten zu können.“ Das täten sie 1. Unabhängig – der Dienst der Kirche sei nicht in das staatliche System und dessen Hierarchie eingebunden. 2. Vertraulich – die Seelsorge lebe davon, dass alles, was im Zweiergespräch gesprochen werde auch dort bleibe. 3. Professionell – sowie die Polizei auch, arbeite die Polizeiseelsorge höchst professionell und nie nur im Sprechzimmer, sondern mittendrin, wo sie gebraucht würden.

Landespolizeipräsidentin Dr. Stefanie Hinz lobte Metz und Liebhardt als „zwei Vorbilder, die heute im Mittelpunkt stehen“. Die Bedeutung der Seelsorge sei eine zentrale, so Hinz: „Wenn man alleine nicht mit den Herausforderungen fertig wird, dann ist sie da und für die Kolleg:innen ansprechbar!“ So wie es wichtig sei, den Körper durch Sport gesund zu halten, um den tagtäglichen Herausforderungen gewachsen zu sein, sei die gesunde Seele nicht minder wichtig.

Die Menschlichkeit des Menschen in Uniform

Diakon Liebhardt warf in seiner kurzen Ansprache einen Blick zurück auf eine jahrelange vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Polizeipräsidenten seiner Präsidien: "Immer wieder in den Dienst genommen und entsendet zu werden, tut mir für meinen seelsorglichen Auftrag gut. Ich fühle mich gesendet unter dem Segen Gottes, dem mir Weihbischof Karrer zuspricht.“ Das Amt des Landespolizeidekans diene in erster Linie dem Menschen in der Polizeiorganisation, vor allem im Kontakt mit der Führungsebene. Dabei stehe die Hervorhebung der Würde jedes einzelnen Menschen mit seinen Verletzlichkeiten und Brüchen im Vordergrund, so Liebhardt: „Die Menschlichkeit des Menschen in Uniform. Das gilt es immer wieder ins Wort zu heben und in den alltäglichen Begegnungen zu realisieren."

Dienst für die Bürger:innen zum Wohle unserer Freiheit und Demokratie

Liebhardt lobte das Betreuungsangebot innerhalb der Polizei, das sich durch die Hauptamtlichkeit der Psychosozialen Beratung hervorragend etabliert und professionalisiert habe. „Die Zeit in der Polizei ist deshalb so erfüllend und wertvoll, weil ich Menschen begegnen darf, die mit einem hohen Maß an Selbstaufgabe, Engagement, Menschenliebe und Pflichtbewusstsein ihren Dienst für die Bürger:innen unseres Landes verrichten zum Wohle unserer Freiheit und Demokratie.“



„Der Polizeiberuf ist ein ehrenwerter aber auch schwerer Beruf. Wir Polizeiseelsorger:innen sind dafür da, den Menschen in eben dieser Uniform zu sehen, mit all seinen Verletzlichkeiten und Sehnsüchten.“
Landespolizeidekan Dr. Hubert Liebhardt



Mit der neuen Aufgabe verbinde er Beziehungs- und Vernetzungsarbeit mit den Menschen in Verantwortung für die Landespolizei sowie im Innenministerium. Und er erörtert: „Kurze Wege, persönliche Bekanntheit und gemeinsame Erlebnis schaffen eine gute Vertrauensbasis. Ein Psychosozialer Berater hat mal formuliert, dass die Polizeiseelsorge seine „Speerspitze“ sei, die er in peto hat, wenn alle Stricke reißen. Wir brauchen im Alltag eine gut gepflegte und geölte Beziehungsstruktur, damit wir bei einer ernsthaften Lage unkompliziert zusammenarbeiten können.“ Dabei könne sich die Polizei auf die Kirchen verlassen.

Die Zahl Sieben steht für das „Ganze“

Seine Kurzansprache schließt Liebhardt mit dem Blick auf das Logo der Polizeiseelsorge und einem Psalmwort: Der Herr ist Sonne und Schild. Er erklärt: „Unser Logo hat zur Unterscheidung vom Polizeistern nicht zwölf, sondern sieben große und sieben kleine Strahlen. Die Zahl Sieben steht für das „Ganze“. In der Bibel drückt sie etwas Heiliges, Gegebenes aus, das mit Ehrfurcht und Respekt angenommen und geachtet werden soll wie die Siebentagewoche und der Siebente Tag, der nicht Alltag, sondern Tag für Gott, Zeit für Besinnung, Raum für die Fragen nach dem Sinn des Lebens und nicht für den Geschäftssinn gibt.“


Mehr zur Polizeiseelsorge im Podcast „Kapellengespräche“ ab Mittwoch, den 24. April 2024 auf Soundcloud, Spotify und in der Audiothek. Das Gespräch ist dann auch als Video auf Youtube zu sehen.

Zur Person

Seit über 10 Jahren ist Diakon Dr. Hubert Liebhardt Polizeiseelsorger in den vier großen Flächenpräsidien Konstanz, Ravensburg, Reutlingen und Ulm sowie für die Hochschule der Polizei eingesetzt. In unterschiedlichen Formaten und im Rahmen von hunderten Einzelberatungen oder Einsatznachbereitungen ist Liebhardt vielen Kolleginnen und Kollegen aller Religionen, Konfessionen und Weltanschauung begegnet und hat sie begleitet - besonders bei Themen wie der Bewältigung von Krisen sowie bei der Auseinandersetzung mit dem Leid der Menschen wie Krankheit, Tod und Trauer.

Landespolizeidekan Dr. Hubert Liebhardt absolvierte in den späten 1980er Jahren eine technische Berufsausbildung zum Kommunikationselektroniker. 1994 holte er sein Abitur nach. Es folgten ein Studium der Erziehungswissenschaft und historischen Anthropologie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg sowie ein Fernstudium zur Leitung und Moderation in Gruppen nach TZI an der FernUni Hagen. Seine Doktorarbeit hatte den Titel „Medizinstudium mit Kind(ern) an der Universität Ulm.“ Von 2004 bis 2007 ergänzte er seine akademischen Ausbildung durch ein Studium der Theologie im Fernkurs in Würzburg an. Von 2007 bis 2020 folgte die Ausbildung zum Diakon in Rottenburg-Stuttgart mit einer weiteren Ausbildung in Geistlicher Begleitung und in Supervision (DGSv).

Acht Jahre lang, von 2002 bis 2010, war Liebhardt Leiter des Studiendekanats der Medizinischen Fakultät der Universität Ulm und von 2004 bis 2010 Leiter des Kompetenzzentrums E-Learning in der Medizin Baden-Württemberg. Von 2008 bis 2013 arbeite er als Forschungsgruppenleiter in der Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie mit den Schwerpunkten Familie, Kindesmissbrauch und E-Learning. Von 2012 bis 2013 war Dr. Hubert Liebhardt zusätzlich Direktor des Zentrums für Kinderschutz am Institut für Psychologie der Päpstlichen Universität Gregoriana unter der Trägerschaft der Erzdiözese München und Freising.

Seit 2010 ist Dr. Hubert Liebhardt Diakon im Zivilberuf, seit 2013 im Hauptberuf mit dem Auftrag der Polizeiseelsorge im Bereich Württemberg-Süd. Am 19. April 2024 wurde er zum Landespolizeidekan berufen.

Weitere Nachrichten

Diözesanmuseum
Exponate aus Sülchen sind in der Stuttgarter Landesausstellung zu sehen.
Neue Fundensembles zeigen in der einmaligen Ambiente der Sülchener Unterkirche dynamische Lebenswelten des Frühmittelalters.
Weiterlesen
Diözesanrat
12 starke Frauen der Diözese Rottenburg-Stuttgart begeben sich vom 15. bis 19. September auf eine Reise nach Rom. Redakteurin Ines Szuck berichtet.
Weiterlesen