„Aber klar“, entfährt es in einer der Kirchenbankreihen einem der Zuhörer:innen deutlich vernehmbar. Er hätte die Melodie eigentlich erkennen müssen, bevor Patrick Gläser in seiner Moderation nachträglich nennt, was er da gerade gespielt hat. „Skyfall“, das Titelstück des gleichnamigen James-Bond-Films, läuft schließlich gern im Radio. Auf der Orgel dargeboten, klingt der Song dann allerdings doch etwas ungewohnt. Seit 2009 bietet Patrick Gläser, Musiker und Kirchenmusiker, viele solcher überraschenden Hörerlebnisse wie unlängst zum Auftakt der Night of Music in Öhringen.
Damals ging Gläser mit „Orgel rockt“ zum ersten Mal auf Tour. Nun liegt die neueste, die mittlerweile siebte, Ausgabe der Reihe vor. Wieder ist Gläser mit einer Auswahl an Stücken unterwegs. Auf ihn warten in den kommenden Wochen und Monaten Konzerttermine in Kirchen in ganz Deutschland verstreut. Ein Auftritt führt ihn außerdem nach Frankreich.
Wer Menschen, so wie sie sind, mit ihren Alltagserfahrungen in kirchliche Räume holen will, müsse sie auch mit ihrer Alltagsmusik eintreten lassen, ist Gläsers Idee hinter „Orgel rockt“. Daher spielt er bei seinen Konzerten Rock- und Filmmusik auf der Orgel.
Stücke mit Wiedererkennungsgrad
„Sinfonische Filmmusik hat mich immer fasziniert“, sagt Gläser. Und tatsächlich kommt das Arrangement eines Stücks wie des Hauptthemas aus „Pirates of the Caribbean“ der Orgel sehr entgegen. Der Wiedererkennungsgrad ist sehr hoch.
Bei reiner Rockmusik fehlt dagegen zunächst die Rhythmus-Linie des Schlagzeugs als Anker beim Zuhören. Ein Schlagzeug könne er nicht gänzlich ersetzen, erklärt Gläser. Er fügt aber an: „Eine Orgel lasse sich durchaus auch perkussiv spielen.“ Orchestral angelegte Kompositionen wie "Viva la Vida" von "Coldplay" sind wiederum bereits nach den ersten Orgelklängen schnell zuzuordnen, wie die Night-of-Music-Darbietung veranschaulichte.
Gläser sitzt in einem Café in Öhringen und erklärt seine Vorgehensweise: Im Prinzip covert er die Stücke auf der Orgel. Er hört sich jeden Titel mehrmals an, um sich die Struktur einzuprägen. Dann versucht er, das Ganze auf der Orgel nachzuspielen. Dabei verzichtet Gläser weitgehend auf eine Notation, um bei den Auftritten nicht zu sehr an den eigenen Aufzeichnungen zu kleben.
Aus Nordrhein-Westfalen nach Öhringen
Bei seiner Umsetzung für die Orgel durchbricht Gläser nicht nur vermeintliche instrumentelle Genregrenzen. Jeder Auftritt ist zugleich eine Improvisation, denn „jede Orgel ist anders, klingt anders“.
Gläser macht seit Kindheit an Musik, wie der 52-Jährige seinen Lebensweg schildert – viele musikalische Erfahrungen sammelte er dabei im kirchlichen Rahmen. Beruflich ist er als Kirchenmusiker allerdings ein Quereinsteiger. Gläser arbeitete zunächst in Vertrieb und Marketing. Im Jahr 1994 verschlug es ihn, der aus Nordrhein-Westfalen stammt, dabei nach Öhringen.
Einige Jahre später – ab 2003 – verlegte er dort seinen Schwerpunkt auf die Musik. Gläser setzte ganz auf seine selbstständigen Dienstleistungen im Bereich Audiomarketing seines Tonstudios Soundmanufaktur. Parallel bewarb er sich nebenberuflich auf die Kirchenmusikerstelle für die Gemeinden Öhringen und Neuenstein und absolvierte die entsprechende Ausbildung. „Orgel rockt“ mit den bisher erschienenen CDs zählt heute zu seinem wichtigsten Tonstudioprojekt.
Persönliche Geschichten aus dem Publikum
Die Ursprünge der Reihe gehen auf eine Anfrage für ein Orgelkonzert zurück. Auf die reagierte Gläser seinerzeit, indem er eher spontan Rock- und Filmmusik als Repertoire vorschlug. Das Grundgerüst seiner Veranstaltungen zieht sich seitdem durch alle Touren. So gibt es kein Programmheft. Das gebe es bei Rock- und Popkonzerten ja auch nicht, sagt Gläser. Dass die Zuhörer:innen Titel erraten müssen, gehört zum Konzept. Immer wieder flüstern sich einzelne Gäste bei den Konzerten daher ihre Entdeckungen zu. Aha-Erlebnisse erzeugen Glücksmomente.
Die Eindrücke und Gedanken der Zuhörer:innen sammelt Gläser. Bereits bei seinem allerersten Konzert konnten sie ihre Meinung notieren. „Einfach Augen schließen und genießen“, steht dann zum Beispiel auf einem der extra ausgeteilten Zettel. Oder das Publikum vermerkt eigene Wünsche für die Auswahl der Stücke – häufig genannt werde darunter die Filmmusik aus „Interstellar“. Die Zuhörer:innen geben zu einzelnen dargebotenen Titeln bisweilen aber auch sehr persönliche Geschichten preis.
Von einer berichtet Gläser besonders gern, weil sie für ihn die Wirkung seiner Orgelkonzerte eindrücklich illustriert: Zum erklingenden Thema aus dem Film „Das Boot“ hielt einmal ein Mann auf dem Blatt fest, dass sein Vater auf das letzte auslaufende deutsche U-Boot abkommandiert worden war, jedoch zum Glück aufgrund von Schwierigkeiten unterwegs dort nicht rechtzeitig ankam.
Solche Begebenheiten aus seinen Konzerten sind für Gläser eine Bestätigung dafür, dass er mit seinem für die Orgel untypischen Repertoire die Menschen direkt erreicht und in ihnen etwas in Bewegung bringt.