Anlässlich der anhaltenden Diskussion um die Seenotrettung privater Hilfsorganisationen im Mittelmeer und des Bündnisses „Seebrücke - Schafft sichere Häfen“, dem auch die Stadt Rottenburg angehört, kam es am Dienstag, 16. Juli, zu einem Gespräch in den Räumen des Bischöflichen Ordinariats in Rottenburg. Die Staatsministerin für Integration, Annette Widmann-Mauz (CDU), traf dort mit Rottenburgs Oberbürgermeister Stephan Neher und Ludwig Rudloff, Bischöflicher Beauftragter für Flüchtlingsfragen in der Diözese Rottenburg-Stuttgart, zusammen. Mit dabei bei dem Gespräch waren zudem Angela Baer vom ökumenischen Arbeitskreis Asyl Südstadt in Tübingen sowie Ines Fischer, Asylpfarrerin aus Reutlingen. Widmann-Mauz stellte das Bundes-Programm „Neustart im Team“ vor, das sich an Kommunen richtet.
Die Staatsministerin sagte: „Menschen vor dem Ertrinken im Mittelmeer zu retten, ist nicht nur eine rechtliche, sondern auch unsere menschliche Pflicht. Wer dieser Verpflichtung nachkommt, darf nicht kriminalisiert werden. Es ist richtig, dass Deutschland Verantwortung übernimmt und sich gemeinsam mit anderen willigen EU-Staaten immer wieder bereiterklärt, Geflüchtete aufzunehmen und ihnen ein faires Asylverfahren zu bieten. Deutschland muss weiter alles daran setzen, damit es eine europäische Lösung für die Seenotrettung und einen gerechten Verteilmechanismus in der EU gibt. Gleichzeitig müssen wir Fluchtursachen entschlossen bekämpfen und mit Resettlement-Programmen dafür sorgen, dass sich Menschen, die dringend Schutz benötigen, gar nicht erst auf die gefährliche Reise machen müssen. Mit dem Programm ‚NesT - Neustart im Team‘ schaffen wir einen neuen Rahmen dafür, dass sich auch die zahlreichen hilfsbereiten Kommunen und Engagierten vor Ort einbringen können. Staat und Zivilgesellschaft arbeiten hier Hand in Hand, um besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen beim Ankommen in Deutschland zu helfen. Kommunen können das Programm unterstützen, indem sie Wohnungen zur Verfügung stellen. Mentorinnen und Mentoren helfen bei Behördengängen, bei der Suche einer Schule, eines Ausbildungs- oder Arbeitsplatzes und erleichtern so die erfolgreiche gesellschaftliche Integration. Dabei werden sie durch kommunale Integrationsbeauftragte, Ehrenamtskoordinatoren oder Migrationsberatungsstellen unterstützt. Das ist ein starkes Zeichen gelebter Solidarität.“
Oberbürgermeister Stephan Neher betonte, dass der Zusammenschluss aufnahmebereiter Städte sehr wichtig ist. Er sagte: „Rottenburg ist Gründungsmitglied im Bündnis ‚Städte Sicherer Hafen‘ und in diesem Zusammenschluss stärker als eine einzelne Kommune. Wir wollen den Druck auf die Verantwortlichen in Europa und im Bund erhöhen, aufnahmebereite Kommunen zu unterstützen und den Weg zur Aufnahme aus Seenot Geretteter entgegen der bisherigen Haltung zu bereiten. Es geht nicht um Zahlen oder etwa um noch mehr Flüchtlinge, sondern darum, dass wir dem Sterben auf dem Mittelmeer nicht mehr zusehen wollen. Wenn viele Städte mitmachen, ist die Last für alle eine lösbare Aufgabe."
Rudloff bezeichnete das am vergangenen Wochenende von Außenminister Heiko Maas (SPD) geforderte „Bündnis der Hilfsbereiten“ zur Verteilung von Flüchtlingen als gute Option. Denn eine EU-Lösung sei nicht in Sicht. Viel wichtiger wäre es aber, mehr in die Fluchtursachen zu investieren und die Wirtschaftspolitik zu ändern. „Es ärgert mich, dass Deutschland hier keine Vorreiter Position übernimmt“, sagte der Theologe. „Für mich als Bischöflicher Beauftragter für Flüchtlingsfragen und als Christ ist es unakzeptabel, dass wir Menschen im Mittelmeer ertrinken lassen.“ Jede Flucht sei ein Schrei nach Leben, weil es in den Flüchtlingslagern von Libyen Folter und Versklavung und in den Herkunftsländern der Geflüchteten keine Perspektive für sie gebe. „Wie viel Menschen müssen noch im Mittelmeer ertrinken bis die EU sich auf eine politische Lösung einigt oder findet“, sagte er. Dass sich Rottenburg, mit rund 70 anderen Städten zusammen, zu einem "sichern Hafen" erklärt hat, sei eine gute Botschaft.