Fachkräfte

Stadt gefährdet die Trägervielfalt

Fachkräfte in der Wohlfahrtspflege: Kirchen und Caritasverband Stuttgart warnen vor der Einführung einer Abwerbeprämie durch die Stadt Stuttgart.

Bereits die Stuttgart-Zulage, die von den freien Trägern ökonomisch und vielfach auch tarifrechtlich nicht aufgebracht werden kann, führt zu einer Gefährdung von Angeboten und Einrichtungen der freien Träger. Die von der Stadt jetzt angekündigte Abwerbeprämie ist ein weiterer Schritt zulasten der freien Träger. Die Stadt setzt mit ihrer offensiven Politik der Mitarbeitergewinnung mit Steuermitteln die freien Träger massiv unter Druck und gefährdet die Trägervielfalt in der Stadt. Anstelle von gegenseitiger Kannibalisierung fordern Kirchen und Caritas eine Allianz zur Fachkräftegewinnung wie sie auf Landesebene bereits besteht.

Die evangelische und die katholische Kirche sowie der Caritasverband Stuttgart haben ihre Bedenken bereits am 21. November in einem Brief an Oberbürgermeister Frank Nopper, den Verwaltungsbürgermeister Fabian Mayer sowie an die Fraktionsvorsitzenden im Stuttgarter Gemeinderat deutlich gemacht. Sie hatten bis 24. November um die Zusicherung gebeten, dass die „Kopfprämie“ für die Abwerbung von Mitarbeitenden zumindest nicht in Fällen bezahlt wird, in denen Mitarbeitende von einem Stuttgarter Träger in ein städtisches Beschäftigungsverhältnis wechseln.

Stadt ist dem Gemeinwohl verpflichtet

Diese schriftliche Zusicherung ist nicht erfolgt. Bisher gab es überhaupt keine offizielle Reaktion aus dem Stuttgarter Rathaus, auch auf direkte Nachfragen hin nicht. „Als freie Träger nehmen wir im Auftrag der Stadt wichtige Aufgaben der Daseinsvorsorge wahr. Von der Trägervielfalt profitieren die Stuttgarterinnen und Stuttgarter. Diese Aufgabenteilung sehen wir in Gefahr“, sagt der katholische Stadtdekan Christian Hermes.

Für den katholischen Stadtdekan, den evangelischen Stadtdekan Søren Schwesig und Caritasdirektor Uwe Hardt ist das offensive Vorgehen der Stadt bei der Personalgewinnung ein Affront gegen die freien Träger. Sie sehen das gegenseitige Abwerben von Mitarbeitenden durch Zulagen und Prämien als „eine besonders dreiste und kurzsichtige Vorgehensweise, die statt überzeugende Personalstrategien zu entwickeln und gemeinsam im Sinn des Gemeinwohls umzusetzen, einfach Geld auf den Tisch wirft nach dem Prinzip ,Wer bietet mehr...‘."

Die Kirchen und der Caritasverband erinnern daran, dass die Landeshauptstadt eben nicht irgendein Unternehmen ist, welches im bloßen Eigeninteresse operieren und den Markt zu beherrschen suchen darf, sondern die vorrangige politische Verantwortung für die Daseinsvorsorge und die Trägerlandschaft in der Stadtgesellschaft innehat. Dieser Verantwortung für das Gemeinwohl aber komme die Landeshauptstadt nicht nach, im Gegenteil, sie gefährde mit ihrem rücksichtlosen und nicht abgesprochenen Vorgehen die Angebote und das Engagement der freien Träger.

„Eklatanter Missbrauch von Steuergeldern“

Caritasdirektor Uwe Hardt und die beiden Stadtdekane werten die Abwerbeprämie als „Tritt ins Gesicht der Stuttgarter Träger der Wohlfahrtspflege, als einen eklatanten Missbrauch allgemeiner Steuergelder und auch als einen juristisch zu prüfenden Verstoß gegen die sozialverfassungsrechtlichen Prinzipien der Subsidiarität“.

Kooperation statt Kannibalisierung

Kooperation statt Kannibalisierung ist das Motto der Kirchen und der Caritas. Sie setzen sich dafür ein, bei der Gewinnung von Fachkräften zusammenzuarbeiten und gemeinsam nach Lösungen zu suchen, wie dies etwa auf Landesebene zwischen der Liga der Wohlfahrtsverbände und dem Land Baden-Württemberg im Rahmen der Fachkräfteallianz bereits geschieht. „Die Zusammenarbeit auf Landesebene kann uns Vorbild sein. Wir müssen uns auch auf der Ebene der Stadt zusammensetzen und kreativ werden. Durch gemeinsame Initiativen können wir mehr Fachkräfte gewinnen anstatt uns die vorhandenen gegenseitig abzuwerben“, sagt der evangelische Stadtdekan Søren Schwesig.

Freie Träger beteiligen anstatt deren Anliegen zu ignorieren

Caritasdirektor Uwe Hardt fordert die Stadt Stuttgart auf, die freien Träger zu beteiligen und endlich den von den freien Trägern und Kirchen immer wieder angebotenen Dialog zu suchen: „Wir möchten bei der Umsetzung der Beschlüsse beteiligt und nicht übergangen werden. Wenn die Stadt unsere Gesprächsangebote weiter ignoriert und uns – wie eben mit der angekündigten Abwerbeprämie oder einer nicht tariflich verankerten Stuttgart-Zulage – ganz absichtlich benachteiligt, schadet sie ihren Bürgerinnen und Bürgern, die auf Unterstützung angewiesen sind. Ohne unseren Beitrag bei den sozialen Aufgaben, ohne unsere fachliche Kompetenz, die wir in unseren Diensten und Einrichtungen einbringen, könnte die Stadt ihrer sozialen Verantwortung nicht ansatzweise gerecht werden.“

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