Im Zentrum der Ausstellung stehen das Leben des Hitler-Attentäters Claus Schenk Graf von Stauffenberg und der gescheiterte Umsturzversuch vom 20. Juli 1944. Anlässlich der Eröffnung ist der Eintritt eine Woche lang frei.
„Wir möchten mit ,Attentat.Stauffenberg‘ erreichen, dass sich die Besuchenden auf viele Weisen in Beziehung setzen können zu den Inhalten der Ausstellung“, sagte die Direktorin des Hauses der Geschichte Baden-Württemberg, Prof. Dr. Paula Lutum-Lenger, beim Eröffnungsmediengespräch am 17. November 2022. „In dieser Aktivität steckt ein neuer Typus Erinnerungsstätte, der das klassische Zeigen, durch Suchen, Forschen, Entdecken und selbst Gestalten ergänzt.“
Wer war der Mann, der Adolf Hitler töten wollte, und warum ist er heute so umstritten? Wie verlief das Attentat? Wie sollte das NS-Terrorregime beseitigt werden, und wer war am Umsturzversuch beteiligt? Wie verlief der 20.Juli 1944 an den Schaltstellen in Europa? Multimedial und neu inszeniert widmet sich die Stauffenberg-Erinnerungsstätte diesen Fragen. Das Haus der Geschichte Baden-Württemberg hat sie binnen eineinhalb Jahren konzipiert und für knapp 700.000 Euro umgebaut. Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien verlieh dem Museum mit ihrer Förderung den Rang einer „national bedeutsamen Kultureinrichtung“. Die Erinnerungsstätte ist im Alten Schloss in Stuttgart untergebracht. Dort wuchs Stauffenberg auf, als sein Vater Oberhofmarschall des württembergischen Königs war.
Eine große Kunstinstallation setzt sich mit der fehlgeschlagenen Tat, der Dramaturgie der Ereignisse und der Tragödie des Scheiterns auseinander. Die Ausstellung zeigt außerdem einige der seltenen erhaltenen Originalobjekte von Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Stücke wie sein Cello, sein Ehrensäbel oder ein Bronzekopf sowie historische Fotos spannen den Bogen von der Kindheit und Jugend in Stuttgart bis zu seinem Tod als Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus. Im Zentrum der biografischen Annäherung stehen Stauffenbergs Handeln in der Zeit des Nationalsozialismus und der Wandel vom engagierten, regiemetreuen Offizier der Wehrmacht zu einer Zentralfigur der Umsturzbewegung des 20. Juli 1944.
„In der Erinnerungsstätte werden Perspektiven eröffnet, Stauffenbergs Verhalten während der NS-Zeit einzuordnen und sich eine differenzierte Meinung zu der Frage zu bilden, ob und weshalb die Erinnerung an Stauffenberg und das Attentat auch heute noch Bedeutung haben“, beschreibt Projektleiterin Dr. Cornelia Hecht-Zeiler vom Haus der Geschichte das Ziel der Ausstellung. „Sie ermöglicht, Stauffenbergs Verhalten zwischen 1933 und 1944 aus unterschiedlicher Sicht zu betrachten, Handlungsoptionen in einer Diktatur mitzudenken und das Besondere seiner Entscheidung zum Widerstand zu erkennen.“
Ein Medientisch bietet einen interaktiven Zugang zu den Ereignissen am 20. Juli 1944 – von der Fahrt Stauffenbergs zum Führerhauptquartier Wolfsschanze, wo um 12.42 Uhr seine Bombe detonierte, bis zur endgültigen Niederschlagung in der Nacht in Berlin. Der große Multitouch-Bildschirm ermöglicht den Nutzer*innen, sich chronologisch durch den Tagesverlauf zu navigieren. Außerdem können einzelne, mit dem Attentat in Verbindung stehende Personen durch den Tag begleitet werden. Und der Medientisch macht nachvollziehbar, was am 20. Juli 1944 an verschiedenen Orten im deutschen Machtbereich passierte – etwa in Berlin, Paris, Prag, Stuttgart oder Wien.
Die Vielfalt an Perspektiven verdeutlichen auch zwei Filme, die im Rahmen von Schülerprojekten entstanden sind: einem deutsch-polnischen und einem deutsch-israelischen. Sie beschäftigten sich mit zwei zentralen Orten des 20. Juli 1944: dem Führerhauptquartier Wolfsschanze (heute in Polen) und dem Bendlerblock, Stauffenbergs militärischer Dienststelle in Berlin, wo er zusammen mit drei Mitverschwörern erschossen wurde.
Ein eigener Ausstellungsbereich nimmt den vielschichtigen Prozess des Erinnerns an das Attentat und Stauffenberg selbst in den Blick und betrachtet die widerstreitenden historischen Deutungen und Geschichtsbilder in Deutschland sowie in anderen Ländern in Europa und darüber hinaus. Dabei wird deutlich: Bis heute bestimmt die eigene Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus, wie generell gegenüber Demokratie und Diktatur, wesentlich das eigene Urteil über Stauffenberg.
Zitat der Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Petra Olschowski:
„Die Beschäftigung mit dem Widerstand gegen den Nationalsozialismus, mit seiner großen Ambivalenz und Heterogenität bleibt wichtig und zentral. Die Ausstellung vermittelt Besucherinnen und Besuchern fundiertes historisches Wissen über Claus Graf Schenk von Stauffenberg und das Attentat vom 20. Juli 1944. Sie ermöglicht multiperspektive Zugänge zur Erinnerung an ihn und fördert dadurch insbesondere bei jungen Menschen die Befähigung zu historischem Denken und differenziertem Urteilen. Eine zentrale Frage, wenn wir auf den Nationalsozialismus blicken, lautet: Wie konnte das passieren? Wie konnte es gelingen, eine Demokratie zu zerstören, die Weimarer Republik mit ihrer Verfassung, Institutionen, Normen und Verfahren. Die Erinnerungsstätte hilft uns, zu begreifen und zu durchdringen, was wir tun können, damit sich Ähnliches nie wieder wiederholt.“