Synodaler Weg

Synodalität geht weiter

Dr. Johannes Warmbrunn, Sprecher des Katholikenrats, und Weihbischof Matthäus Karrer im Interview. Foto: Diözese Rottenburg-Stuttgart / Ines Szuck

Wie es mit dem Synodalen Weg in der Diözese weitergeht, darüber haben Weihbischof Matthäus Karrer und Dr. Johannes Warmbrunn im Interview gesprochen.

Bei der Frühjahrs-Vollversammlung 2019 beschlossen die deutschen Bischöfe einen Synodalen Weg in Deutschland. Gemeinsam mit allen Gläubigen wollten sie Reformen anstoßen und damit auf die 2018 veröffentlichte MHG-Studie reagieren, gemeinsam die Ursachen analysieren und nach Lösungen suchen. Rom zeigte sich kritisch gegenüber dem Synodalen Weg in Deutschland. Viele Kritiker sind der Meinung – der Synodale Weg in Deutschland ist gescheitert.

Ob diese Einschätzung richtig ist und wie es mit Synodalen Weg in der Diözese Rottenburg-Stuttgart weitergeht, darüber sprechen Weihbischof Matthäus Karrer und Dr. Johannes Warmbrunn, Sprecher des Katholikenrats der Diözese Rottenburg-Stuttgart, im Interview.

Herr Weihbischof Karrer, ist der Synodale Weg gescheitert?

WB Karrer: In der Gesamtheit der Weltkirche und auch in Deutschland betrachtet, würde ich sagen, der Synodale Weg ist in einem schwierigen Prozess, aber er ist nicht gescheitert. Die öffentliche Wahrnehmung hat sich auf den Synodalen Ausschuss fokussiert, auch wegen der kritischen Stimmen aus Rom. Doch gibt es eine ganze Reihe anderer Themen, die auf unterschiedlichen Ebenen weiterhin beraten werden.

Letztlich haben wir durch die Weltsynode auch die Bestätigung, dass die Themen des Synodalen Weges in Deutschland auch die Themen in der Welt sind – die Zulassung von Frauen zu den Weiheämtern, das Stichwort Pflichtzölibat für Priester oder auch die Frage von Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare. Vielleicht ist die Art, wie wir die Themen in Deutschland angehen, in der Weltkirche hinterfragbar. Vielleicht geht es darum, die Form und die Kommunikation anders zu gestalten.

Ein großer Punkt war ja der Synodale Rat. Hier kam das Nein aus Rom, die Geschäftsordnung in der Deutschen Bischofskonferenz abzustimmen. Ist das möglicherweise Angst, die Macht des Bischofs könnte eingeschränkt werden?

WB Karrer: Ich glaube, das hat sehr viel mit Angst zu tun, dass hier durch die Hintertür eine neue Kirchenverfassung eingebracht wird, was wir aber nicht tun. Das ist weder die Absicht des Synodalen Ausschusses noch des Synodalen Rates. Sondern beide Gremien sind streng der kirchenrechtlichen Normierungen entsprechend unterwegs. Es geht hier um verbindliche Mitberatung und Mitentscheidung dort, wo es bereits kirchenrechtlich auch möglich ist. Einen Punkt muss man sehr klar formulieren. Der Synodale Rat auf Bundesebene wird nicht mehr als ein Beratungsgremium sein können. Denn jetzt schon hat die Deutsche Bischofskonferenz nicht die Möglichkeit, in einzelne Diözesen „hineinzuregieren“. Entscheidend ist vielmehr, dass Synodalität intensiv in den jeweiligen Diözesen gelebt wird. Das, was wir bundesweit miteinander abstimmen, hat vor allem mit Beratung, mit Entscheidungsfindung, mit Leitlinien zu tun, die man miteinander vereinbart. Aber die konkrete Synodalität, die auch von Rom auch nicht hinterfragt worden ist, passiert in den jeweiligen Ortskirchen.

Herr Warmbrunn, wo und wie erleben Sie diese konkrete Synodalität in der Diözese Rottenburg-Stuttgart?

JW: Wir haben seit über 50 Jahren das Rottenburger-Modell bei uns – das ist ein gelebtes synodales Modell auf allen Ebenen.

Beim Thema Macht und Gewaltenteilung sind wir schon relativ weit gediehen. Wir sind im ständigen Dialog mit Bischof, Generalvikar und vielen Vertretungen aus der Diözesanleitung, die in den Sitzungen der Diözesanen Räte zugegen sind. Wir Dekanatsvertretungen sind von den Kirchengemeinderäten gewählt und die wiederum auch vom Kirchenvolk. Wir haben ein Mandat, einen Auftrag und damit auch eine Verantwortung, die Kirche in unserer Diözese mitzugestalten. Dabei ducken wir Laien uns nicht weg. Wir pflegen eine klare Sprache auf beiden Seiten. Da ist alles offen gelegt, nichts wird unter den Tisch gekehrt. Der Bischof hat zwar in pastoralen Fragen immer ein Letztentscheidungsrecht, aber die Beschlüsse, die dzu einem Rat als Pastoralrat gegenüber dem Bischof führen, werden demokratisch gefasst. Und in fast allen Fällen folgte der Bischof diesem Rat. Also werden wir auch in der Hinsicht wirksam. Natürlich wäre es sinnvoll und wünschenswert, wenn seitens des Bischofs eine höhere Verpflichtung eingerichtet werden würde, dem jeweiligen Rat verbindlich zu folgen.

Als Kirchensteuervertretung sind wir Kraft des weltlichen Rechts ohnehin entscheidungsbefugt und als Katholikenrat können wir Botschaften in die Diözese und in die Gesellschaft hineingeben. Wir haben da weitgehende Gestaltungsmöglichkeiten.

Doch haben wir noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Da ist schon noch Luft nach oben. Denn nicht überall in unserer Diözese wird dieses Modell gelebt. Das wissen wir sehr wohl, aber wir werden darauf achten, dass es sich bessert. Auch die Priester vor Ort müssen dieses Modell leben – entsprechend den Vorgaben des Bischofs und unseren Vorstellungen, die ja auch satzungsmäßig verankert sind.

Weihbischof Karrer, teilen Sie diese Sicht?

WB Karrer: Gelebte Synodalität ist zuerst einmal nicht eine Sache von Satzungen und Rechten, sondern eine Frage von Haltungen. Das ist mir ganz wichtig, auch im Blick hin auf unsere Diözese. Wir werden gelebte Synodalität mit Satzungen rahmen können, aber leben muss sie im Verständnis aller Beteiligten. Das Entscheidende ist für mich: Dialog. Das Ziel muss sein, „gemeinsam“ zu Entscheidungen zu kommen und gemeinsam Verantwortung zu übernehmen, davor kann man streiten, hart ringen und Kompromisse erarbeiten Aber gelebte Synodalität ist für mich einfach spannend, bringt politische Diskussionen mit in den Rat hinein und führt dazu, dass zum Schluss eine gute Entscheidung getroffen wird, die besser ist, als wenn sie nur von einer Seite dominiert wird.                                                                                            

Herr Warmbrunn, nach der letzten Synodalversammlung im März 2023 sollte in den Diözesen, Ortskirchen an den Themen des Synodalen Wegs weitergearbeitet werden. Wie lief das konkret hier in der Diözese Rottenburg-Stuttgart?

JW: Wir haben uns mit den Themen des Synodalen Wegs sehr intensiv auseinandergesetzt. Dazu gab es in unserer Diözese im Juli vergangenen Jahres eine thematisch gut vorbereitete und ausgerichtete Tagung. Es gab viele interessante Impulse und Anstöße. Eine Arbeitsgruppe befasst sich jetzt mit der weiteren Umsetzung. Die gesammelten Impulse und Themen werden den verschiedenen Ausschüssen zugeordnet. Das Thema Macht und Gewaltenteilung ist im Pastoralausschuss verortet, das Thema Ämter und Frauen in der Kirche auch im Ausschuss Geschlechtergerechte Kirche. Und wenn es um die Umsetzungen geht, die mit Geld verbunden sind, ist natürlich der Finanzausschuss beteiligt. Wir sind da im ständigen Dialog, auch mit der Diözesanleitung. Ebenso werden Studien miteinbezogen, beispielsweise die KMU – der Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung. Auch da gibt es wichtige Querverbindungen, die wir natürlich nutzen für diese Form der Weiterentwicklung.

Papst Franziskus hat die Weltsynode 2021–2024 einberufen. Seitens des Generalsekretariats der Weltsynode gab es die Bitte, dass man sich in der Diözese nochmals mit zwei Fragestellungen befasst, die man dann in die Weltsynode einspeisen kann. Dazu gab es Anfang März ein Treffen. Wer war dabei und was wurde erarbeitet? Welche Erfahrungen können wir denn weitergeben?

WB Karrer: Dieses Treffen war schon gelebte Synodalität. Denn es waren die gewählten Mitglieder aus dem Geschäftsführenden Ausschuss (er vertritt den Diözesanrat zwischen den Vollversammlungen) da, Mitglieder der Diözesanleitung, eine Jugendvertretung war eingeladen und es war jeweils eine Vertretung der Konferenzen der Dekane und der Dekanatsferent:innen mit dabei.

Was wir mitgeben können in die Weltsynode? Dazu ein, zwei Beispiele: Erfahrungen gelingender, weitreichender Synodalität  ganz konkret seit 52 Jahren in unserer Diözese. Es ist einfach notwendig für die Zukunft der Kirche, dass es ein anderes Verständnis des Zueinanders von Welt- und Ortskirche braucht. Das heißt wir brauchen mehr Subsidiarität (Eigenverantwortung) bei den jeweiligen Ortskirchen. Die Weltkirche sollte gewisse Rahmensetzungen haben, aber pastorale Freiheiten mitgeben, dass pastorale Entwicklungen in den unterschiedlichen Kontinenten, Ländern, Diözesen auch unterschiedlich angegangen und entschieden werden können.

Und wir werden der Weltsynode auch dezidiert zurückmelden, dass wir der Überzeugung sind, dass die Taufwürde der Ausgangspunkt aller Fragen der Beteiligung im kirchlichen Leben ist und dass es keine Separierung nach Nationalität, nach Geschlechter, nach sexueller Orientierung oder ähnliches geben darf. Das ist eine fundamentale Überzeugung. Die Taufe ist die Eintrittskarte in die Kirche und zwar zu allen Fragen.

JW: Was wir uns natürlich wünschen, dass die triumphalistische Form, mit der wir die Ämter definieren und uns dann auch auf kirchliche Bilder berufen, relativiert werden muss. Christus ist unser Bruder, Freund und Wegbegleiter und nicht ein Allherrscher, dem sozusagen in diesem Herrscherbild gefolgt werden muss. Das ist für mich ganz wichtig, weil sich daraus auch Vieles ableiten lässt. Es gibt in unserer Diözese gute Ansätze auch im Teilen von Macht, in der Beteiligung des Gottesvolkes, im Miteinander und nicht im Gegeneinander zu arbeiten. Wir glauben, dass sich die Macht eines Bischofs, und das gilt auch für den Bischof von Rom, beschränken muss auf die zentralen Glaubensfragen. Es kann nicht sein, dass bis ins kleinste Detail hinein regiert wird. Wichtig ist, dass ein Bischof, auch der Bischof von Rom, sich beraten lassen muss. Die Kompetenz, eine Diözese in allen Details und allen Fachgebieten sinnvoll zu leiten, hat ein Bischof nicht. Also ist es auch zwingend sinnvoll und richtig für beide Seiten, dass diese Beratung stattfindet. Das werden wir nach Rom vermelden und das wird nicht untergehen, davon bin ich überzeugt.

Thema Macht: Ist die Angst aus Rom, dass der Bischof an Macht verlieren könnte, durch synodale Beratung seitens der Laien, begründet?

JW: Ich frage mich, warum gibt es da diese Ängste vor Machtverlust, die ich für kontraproduktiv halte und für nicht begründet. Das Miteinander im Team, das halte ich für den richtigen Weg, für alle Beteiligten. Macht darf eben nicht definiert werden als totale Macht, Allmacht, Übermacht oder dergleichen. Das wollen die Menschen nicht. Sie wollen generell nicht das Gefühl haben, gegängelt und dominiert zu werden. Da sehe ich auch einen der Gründe dafür, warum die Akzeptanz der Kirchen allgemein und unserer im Besonderen schwindet. Was wir in unserer Kirche leben, muss immer ein Miteinander auf Augenhöhe sein. Weil wir vor Gott alle gleich sind und alle Ebenbilder Gottes,muss das auch vor diesem Glaubenshintergrund gelebt werden.

WB Karrer: Ich würde sagen, es macht das Bischofsamt stärker, sich von Laien synodal beraten und auch verpflichtend beraten zu lassen. Es schwächt es nicht. Nichtsdestotrotz muss der Bischof sich immer wieder bewusst sein und ich als Weihbischof auch, dass ich in einer weltkirchlichen Verbindung stehe und darauf achten muss, diesen Dienst der Einheit nicht mehr nur nach innen, sondern auch nach außen zu leben. Und das ist manchmal ein Spagat und eine Herausforderung, aber letztlich ist es nichts anderes als Synodalität. Ich versuche gegensätzliche Meinungen zusammenzuführen und im Lichte des Evangeliums zu deuten und hier einen gemeinsamen Weg herauszuarbeiten.

Ein wichtiger Punkt ist für mich die klare Botschaft, auch an die Diözese: Synodalität geht weiter. Auch in Zeiten der Bischöflichen Vakanz. Sie geht weiter über den Synodalen Weg und die Weltsynode hinaus. Es ist unsere feste Absicht als Diözesanleitung und ich glaube auch als Diözesanrat, hier fundamentale Schritte zu gehen. Nochmals zu überprüfen, was bisher gut gelaufen ist und was verbessert werden muss. Pastoral betrachtet, sind die Themen nicht vom Tisch, im Gegenteil, sie werden zu einer Kernperspektive werden, die in den nächsten Jahren in die pastoralen Planungen mit einzieht. Ich weiß über die schwierigen Situationen, die wir teilweise in den Kirchengemeinden und Einrichtungen vor Ort haben. Die finanziellen und personalen Ressourcen schwinden, aber genau deshalb glaube ich, ist es wichtig, neue Themen und andere Formen des Miteinanders von Kirche in den Blick zu nehmen.

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