Interview

Über die Beziehung zu Gott sprechen

Foto: Diözese Rottenburg-Stuttgart / Constanze Stark

Wer den Theologen und Priester Klaus Krämer geprägt hat und wie er über seinen Glauben redet, verrät er einem Studienkollegen im Interview.

Am 19. Juni 1993 knien in der Klosterkirche in Neresheim über ein Duzend junge Männer vor Bischof Walter Kasper und empfangen die Priesterweihe. Einer davon ist Klaus Krämer. Ob er schon ahnt, dass er einmal selbst in Theologie promoviert und habilitiert wird? Dass er einmal Hauptabteilungen in der Rottenburger Diözesanverwaltung und bundesweit die Missionswerke "missio" und "Die Sternsinger" leiten wird? Markus Waggershauser kennt den künftigen Bischof von Rottenburg-Stuttgart seit dem gemeinsamen Studium in Tübingen und fragt ihn, was ihm als Priester und Theologe wichtig ist.

Ein Bischof fällt ja nicht vom Himmel. Lass uns zunächst einen Blick in deine Jugend werfen. War dem Abiturienten Klaus Krämer schon klar, dass er Priester werden möchte?

Der Abiturient hat sich jedenfalls mit der Frage intensiv beschäftigt. Ich hatte damals noch verschiedene Möglichkeiten im Blick, die ich mir hätte vorstellen können. Ich habe auch mal ernsthaft dran gedacht, Medizin zu studieren, habe mich fürs Jurastudium entschieden und auch fürs Theologiestudium. Und in dem Jahr nach dem Abitur, glaube ich, sind die entscheidenden Weichen gestellt worden, den Weg des Priesters einzuschlagen.

Jura und Theologie - was hat dann letztendlich den Ausschlag gegeben für den Priester?

Ich habe beides parallel studiert, auch bis zum Examen, worüber ich im Nachhinein ganz froh bin,
weil mir auch die juristischen Kenntnisse sehr viel genutzt haben in meinen verschiedenen Aufgaben. Und das wird, glaube ich, auch künftig so sein. Aber für mich hatte der Priesterberuf eine andere Qualität, weil es doch eine Berufung ist, die die ganze Existenz und den ganzen Lebensweg mit erfasst. Das hat mich sehr fasziniert.

Hattest du damals den typischen Gemeindepfarrer mit Predigen, Taufen, Beerdigungen und Religionsunterricht im Blick?

Ja, das war natürlich die Perspektive, die ich kannte. Ich habe viele Priester persönlich als Pfarrer kennengelernt. Das ist schon das Bild, das man im Hinterkopf hat, wenn man sich für diesen Weg entscheidet. Aber ich habe früh gespürt, dass Theologie sehr vielfältig ist.

 

Die Theologie hat mich sehr fasziniert, auch als Wissenschaft.

 

Und dass es in der Kirche viele verschiedene Möglichkeiten gibt, Dienst zu tun., das war eine spannende Perspektive für mich.

Es gab ja einen Theologen, der auf deinem Lebensweg eine wichtige Rolle gespielt hat: Walter Kasper. Was hat dich an seiner Theologie geprägt?

Es ist, glaube ich, die wirklich sehr geerdete und durchdachte Theologie. Walter Kasper ist ein systematischer Theologe im guten Sinne des Wortes, der ganz große Themen und Zusammenhänge in einer Sprache formulieren kann, die selbst auch für Nicht-Theologen verständlich ist, aber eben doch theologisch sehr zuverlässig und exakt. Das ist eine seltene Gabe. Seine großen Lehrbücher sind sicher mit die bedeutendsten Werke, die er geschaffen hat.

Du warst für das Missionswerk Missio tätig. Bei Mission habe ich das Bild im Kopf von Ordensmännern, die nach Lateinamerika, nach Afrika und nach Asien gegangen sind und die Eingeborenen bekehrt haben. Das ist vermutlich nicht das Verständnis, das Missio hatte, und nicht das, das du in deiner Habilitation herausgearbeitet hast ...

Mission ist ein Begriff, mit dem sich viele schwertun heutzutage, weil man es mit einseitiger Kommunikation und Beeinflussung, unter Umständen auch mit Machtausübung, wenn man die Kolonialzeit, in der ja eine große Phase der Mission stattgefunden hat, sieht. Häufig wird Mission und Dialog als Gegensatz gesehen. Ich habe versucht nachzuweisen, dass es richtig verstanden kein Gegensatz ist, sondern dass, wenn wir Mission so verstehen, dass wir von unserem eigenen Glauben Zeugnis ablegen und andere Menschen auch teilhaben lassen wollen an der eigenen Faszination des Glaubens, dass es dann nur auf dem Weg des Dialogs auf Augenhöhe geht.

Das ganze Interview als Video

Zum Stichwort Zeugnis von seinem Glauben geben: Wie muss, wie kann man denn heute von Gott reden?

Ich denke, in unserer Zeit kann man nicht einfach Gott beschreiben und in ein System packen, sondern man wird Menschen nur überzeugen, wenn man über seine eigene Beziehung zu Gott spricht. Gott ist vor allem jemand, zu dem wir in Beziehung treten, der unser Leben beeinflusst, der uns dann auch Impulse und Perspektiven aufzeigt. Und das ist, glaube ich, die Art und Weise, wie wir heute über Gott reden müssen und reden können und auch Menschen wieder ganz neu erreichen können.

Das Bischofsamt, das du jetzt bald antreten wirst, hat neben der Leitungsaufgabe auch eine spirituelle Seite. Es heißt ja sogar, dass bei der Auswahl der Person der Heilige Geist mit im Spiel sei. Hast du das Gefühl, dass du von ihm auserwählt bist?

Das ist ein großes Wort, das ich jetzt für mich so nicht in Anspruch nehmen würde. Aber ich hoffe natürlich schon, dass der Heilige Geist mitgespielt hat bei dem Ganzen, denn das ist ja unsere tiefste Überzeugung, dass die Kirche vom Geist geführt wird und dass sie sich aber auch immer wieder vom Geist führen lassen muss. Und das ist vielleicht das viel Wichtigere, dass wir dem Wirken des Geistes auch Raum geben in allem, was wir tun - gerade bei so wichtigen Entscheidungen. Ich hoffe jedenfalls, dass auch mein Dienst vom Geist getragen ist und dass ich als Bischof auch geistesgegenwärtig unterwegs sein werde.

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