Gemeinschaftsfeier statt "stiller Messe"
Mitgenommen in die "Neue Welt" habe er Ideen einer liturgischen Erneuerung, die bereits im Beuroner Kloster kursierten, mitmaßt Friedel. In den Benediktinern von St. John's in Collegeville im Bundesstaat Minnesota fand Untraut Mitstreiter für Reformen. Die lateinischen Antworten konnten die Gottesdienstbesucher in den Dorfgemeinden aufsagen. "Sie wussten aber nicht, was es bedeutet", erklärt Friedel. Deshalb hätten sie während der "stillen Messe", in der der Priester auf Latein vor sich hin murmelte, den Rosenkranz gebetet.
Untraut setzte sich für eine lebendige Liturgie ein. "Miteinander, nicht jeder für sich", wie es Friedel formuliert. Dialogische Elemente in der Muttersprache und aktive Beteiligung der Gläubigen im Gemeindegesang, Einführung von Lektorinnen und Lektoren sowie anderer liturgischer Dienste - die neuen Ideen brachten ihm nicht nur Freunde ein. Schließlich stellte der Bischof von La Crosse Untraut frei für die Seelsorge bei den Schwestern der Schmerzhaften Mutter in Marshfield. Mit ihnen lebte er die liturgische Erneuerung und fasste die theologische Begründung dafür 1925 in einem Buch zusammen.
Wegbereiter des Zweiten Vatikanischen Konzils?
Friedel konnte im Internet eine Ausgabe des Werks erstehen. "Die einzige in Deutschland", vermutet er, da es in keinem Antiquariat zu finden war. Nicht nur im Bezug auf die Liturgie war Untraut um Bildung bemüht. Wenn er als Pfarrer Kirchen baute, gab es auch Räume für Schulen und Fortbildungen - und für die Geselligkeit. In Gemeindenachmittagen mit Kaffee und Kuchen förderte er das Miteinander. Trotzdem sei es eine Herausforderung gewesen, die Traditionen aller deutschsprachigen Herkunftsländer zu berücksichtigen, sagt der schwäbische Heimatforscher. Probleme gab es auch mit Kanadiern und Iren in den Gemeinden. "Er hätte sich auch mal bemühen können Englisch zu reden," wäre Friedels Ratschlag gewesen.
Der aus Meckenbeuren stammende Geistliche starb 1941, also vor 80 Jahren. Das Zweite Vatikanum, das von 1962 bis 1965 seine Ideen - nicht nur in der Liturgie - aufgriff und zur allgemeinen Lehre der Katholischen Kirche weltweit erklärte, erlebte er nicht mehr. Weshalb taucht sein Name nicht als Wegbereiter des Konzils auf? Untraut selbst bemerkte noch, dass sich sein Buch schlecht verkaufe. Henry führt dies in ihrer Doktorarbeit auf den schwindenden Einfluss der Deutschen in den USA zu Beginn des 20. Jahrhunderts und besonders nach dem Ersten Weltkrieg zurück. Doch, so stellte sie abschließend fest:
Dieser deutsch-amerikanische Einwandererpriester ... hatte tatsächlich den künftigen Verlauf des katholischen Lebens eingeläutet.