Soziales

Vesperkirche das ganze Jahr

Ein Mann und ein Mädchen stehen an der Durchreiche zur Küche, wo ein Teller mit Essen hergerichtet wird.

Rosi Schupp schöpft bei "Einfach Essen" in Ravensburg eine Portion Spaghetti Bolognese - Foto: DRS/Waggershauser

In Ravensburg öffnet das Haus der Katholischen Kirche einmal in der Woche die Türen zum „Einfach Essen“.

Die Zeit der Vesperkirchen im Land neigt sich dem Ende zu. Auch in der Evangelischen Stadtkirche in Ravensburg stehen wieder Kirchenbänke statt Tische. Hier trafen sich drei Wochen lang Menschen aller gesellschaftlichen Schichten zum Essen. Doch diejenigen, die sich ein Restaurant nicht leisten können, und die, die gerne zusammen mit anderen essen, weil sie einsam sind, gibt es auch an den übrigen Tagen im Jahr. Nach ersten Erfahrungen ab 2007 gemeinsam mit der Caritas Bodensee-Oberschwaben war für die Kirchengemeinden Liebfrauen und St. Jodok klar, als sie das Haus der Katholischen Kirche in Ravensburg gemeinsam bauten: „Einfach Essen“ soll es dort das ganze Jahr über geben.

Und so füllt sich der Andreassaal seit 2017 jeden Mittwoch zwischen 11.30 und 13 Uhr mit ganz unterschiedlichen Menschen, die an den langen Tischreihen zusammen essen. Eine Besucherin feierte vor Kurzem ihren 90. Geburtstag. Montags und donnerstags bekommt Sie das Essen zu Hause geliefert und teilt es dann jeweils auf zwei Tage auf. „Mehr kann ich nicht kaufen“, gesteht sie im Blick auf ihre finanzielle Situation. Ihre zitternden Hände lassen sie nur wenige Speisen selbst zubereiten. Die Seniorin freut sich über die reichliche Portion Spaghetti Bolognese mit Salat, die in dieser Woche auf dem Speiseplan bei „Einfach Essem“ steht.

Auf Spenden angewiesen

Drei Euro zahlen die Gäste für die komplette Mahlzeit, wenn sie es können. Manche kratzen den Betrag in kleinen Münzen zusammen, andere zahlen zusätzlich eine Portion für Bedürftige, weiß Gemeindereferentin Christine Mauch. Zusammen mit Diakon Gerhard Walter und der gewählten Kirchengemeinderats-Vorsitzenden von Liebfrauen Monika Braun koordiniert sie das Angebot. An diesem Tag überreicht ein Ravensburger Chor den Erlös eines Benefizkonzertes. „Wir sind auf Spenden angewiesen“, betont Christine Mauch. Mit einem Koch auf Minijobbasis und der Hausmeisterin, die da sein müsse, gebe es Fixkosten. Den verbleibenden Teil müssten die Kirchengemeinden tragen.

Gerade vor großen Festtagen zaubern auch mal sozial eingestellte Gruppierungen innerhalb und außerhalb der Kirche mehrgängige Menüs. Sie übernehmen den kompletten Tag samt Einkauf und Bedienung. „Denen macht schon allein das Kochen Spaß“, verrät Monika Braun. Und als während der Corona-Pandemie der Saal geschlossen bleiben musste, kam schnell die Idee auf, durch die Glasscheibe des Begegnungsraums einfache Essenstüten auszugeben. „Da kamen auch Schüler von nebenan“, berichtet die KGR-Vorsitzende. „Und die Drogenszene vom Bahnhof war da“, ergänzt Christine Mauch. Nur ganz wenige von ihnen schafften danach den Schritt ins Gebäude rein.

Ehrenamtliche mit Spaß dabei

„Wir sind mit Stühlen draußen unter den Bäumen gesessen und haben unseren Leberkäswecken gegessen“, erinnert sich eine Besucherin, die inzwischen aufs Dorf gezogen ist. Trotzdem schaut sie mittwochs gerne vorbei. Ein anderer Gast hat schon öfter in der benachbarten „Ansprechbar“ einen Kaffee getrunken. Bisher konnte er in Kantinen günstig essen. Heute locken ihn die Spaghetti in den Andreassaal. Als dieser sich so langsam leert, gönnen sich auch die Helfer:innen und das Küchenteam eine Portion. Heidi Kessler ist schon seit den Anfängen dabei. Neben Vorbereitung, Nachfüllen, neu Eindecken und Hilfe für die, die schlecht gehen können, stehe ja auch noch Spülen und Küche putzen an.

Gegen 15 Uhr ist alles geschafft. „Dann langts auch“, räumt Claudia Tschöke ein. Sie ist erst vor einem Jahr von Ostfildern in ihre Heimatstadt zurückgekehrt. Von der Kirchengemeinde erhielt sie ein Willkommen und die Einladung, sich ehrenamtlich zu engagieren. Die Mitarbeit bei „Einfach Essen“ macht ihr Spaß. Rosi Schupp bereitet ansonsten in der Küche eines Pflegeheims Frühstück und Abendessen zu und freut sich, hier beim Kochen mitzuarbeiten. Auch wenn es wegen des dauerhaften Engagements schwieriger sei, Ehrenamtliche zu gewinnen, können die Koordinatoren auf ein Team von etwa 30 Leuten zählen, die diesen Ort des Miteinanders ermöglichen. „Dieses sich Begegnen macht für mich Kirchesein aus“, sagt Christine Mauch mit Überzeugung.

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