Tag der Diakonin

"Es ist längst Zeit für überfällige Reformen"

Bilder: Diözesanrat / KDFB

Frauenbund und Diözesanrat fordern, die in der Corona-Krise neu sichtbar gewordenen Ausdrucksformen von Glaube und Spiritualität ernst zu nehmen.

Zum jährlichen Tag der Diakonin am heutigen Mittwoch fordern der Katholische Deutsche Frauenbund (KDFB) und der Diözesanrat der Diözese Rottenburg-Stuttgart, die in der Corona-Krise neu sichtbar gewordenen Ausdrucksformen von Glaube und Spiritualität ernst zu nehmen. Eine echte Reform und eine neue Kultur in der katholischen Kirche seien nur möglich, wenn die alleinige Fixierung auf männerzentrierte Eucharistiefeiern abgelöst werde durch eine neue Vielfalt an Glaubensformen. Zu dieser Vielfalt tragen Frauen Wesentliches bei.

Derzeit zeige sich an vielen Orten eine Kirche, die lebendiger sei als je zuvor, analog wie digital, betont die KDFB-Diözesanvorsitzende Karin Walter. Gleichzeitig wirkten die Bilder von Eucharistiefeiern in leeren Kirchen verstörend: „Eine klerikerzentrierte Männerkirche vermittelt eine Spiritualität, in der sich viele Gläubige nicht mehr wiederfinden“, so Walter. Sie hätte sich gewünscht, dass sich Priester in dieser Zeit des Verzichts vermehrt solidarisch an die Seite ihrer Gemeindemitglieder stellten, statt die Gläubigen in eine reine Zuschauerrolle zu verweisen.

„Weg mit Kleingeist, Verstocktheit und Mutlosigkeit!"

Mit Beginn der Corona-Pandemie und dem Verbot von öffentlichen Gottesdiensten sei deutlich geworden, wie vielfältig Glaube und Spiritualität gelebt werde und wie eine Beteiligungskirche aussehen könne. Diese zeige sich beispielsweise in neuen Formen von Seelsorgegesprächen, am Gartenzaun oder unter Fensterbänken, beim als Filmbeitrag gesendeten Ökumenischen Frauenkreuzweg in Stuttgart oder bei den zahlreichen von Laien initiierten Zoom-Andachten mit Freunden oder Gemeindemitgliedern im Netz. Jugendorganisationen wie der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) hätten zudem Online-Angebote in einer Form bereitgestellt, von der sich junge Erwachsene angesprochen fühlten.

„Weg mit Kleingeist, Verstocktheit und Mutlosigkeit! Nutzen wir die bestehenden Möglichkeiten -  auch mit den von Papst Franziskus in seinem jüngst veröffentlichten Schreiben ‚Querida Amazonia‘ ausdrücklich ermöglichten Laien als Gemeindeleiterinnen – für phantasievolles Gestalten von Gottesdiensten in großer Vielfalt und in allen Facetten, die uns unsere Weltkirche bietet“, rät der Sprecher des Diözesanrats Rottenburg-Stuttgart, Dr. Johannes Warmbrunn. Doch damit sei es nicht genug, es müssten endlich ernsthafte und deutliche Beteiligungen der Frauen – gerade auch im Dienst des Diakonats – möglich werden, macht Warmbrunn deutlich.

Kein Zurück nach der Pandemie

Aus diesem Grund dürfe es nach Corona kein Zurück zu einem Zustand wie vor der Pandemie geben. „Spiritualität, Kreativität und Zeugenschaft aller Frauen und Männer müssen endlich Eingang finden im Amtsverständnis unserer Kirche.“ Frauen und Männer seien gleichermaßen befähigt, Christus zu repräsentieren, sind sich Karin Walter und Johannes Warmbrunn einig.

Gerade in der Krise bestätige sich, wie wichtig der diakonische Dienst von Frauen für unsere Kirche und Gesellschaft sei, stellt Karin Walter fest. Vor allem Frauen engagierten sich zurzeit unermüdlich in der Pflege von alten und kranken Menschen, versorgten Behinderte, schulterten die Hauptlast bei der Betreuung der Kinder, die momentan ohne Schule und Kita auskommen müssten. „Die Wertschätzung der Frauen, die diese Grunddimension unseres Glaubens vorbildhaft leben, ist in unserer Kirche leider immer noch unterentwickelt“, so Walter. Auf diesen „unermüdlichen und starken Einsatz unserer Frauen in der Diözese“ sei er stolz, ergänzt Johannes Warmbrunn.

Jetzt möglich, was vor Corona undenkbar war

Die vor Kurzem erfolgte Ankündigung von Papst Franziskus, die Frage eines Diakonats für Frauen erneut zu prüfen, wecke in ihr keine großen Erwartungen, sagt die Diözesanvorsitzende. Alle Argumente für den Zugang von Frauen zu Weiheämtern in der katholischen Kirche lägen seit Jahren auf dem Tisch. „Wir brauchen keine weiteren Diskussionen, wir brauchen jetzt dringend Bischöfe, die handeln“, fordert Walter.

In der aktuellen Corona-Situation nehme die Gesellschaft für das Überleben der Menschen Vieles in Kauf. Es sei möglich, was vorher undenkbar gewesen sei. Dasselbe müsse auch für die katholische Kirche gelten: „Ein Überleben der Kirche ist nur möglich, wenn Frauen endlich gleichberechtigt in ihr wirken und an allen Vollzügen teilhaben können. Dies ist nur möglich, wenn alle Ämter für Frauen geöffnet werden.“

Spätestens jetzt sei es Zeit, dass auch Rom und die Bischöfe bisher anscheinend Undenkbares neu bewerten. Entscheidend sei deshalb auch, dass der Synodale Weg keinesfalls zum Stottern komme, fordert Johannes Warmbrunn: „Die Hoffnungen, die hierin liegen, dürfen nicht erneut enttäuscht werden; denn es ist längst Zeit für überfällige Reformen in unserer Kirche.“

Partnerschaftliches Miteinander von Frauen und Männern

Der Tag der Diakonin steht in diesem Jahr durch Corona unter veränderten Vorzeichen. Eine ursprünglich für den 3. Mai geplante Veranstaltung mit Bischof Gebhard Fürst in Rottenburg musste abgesagt werden. Der vorgesehene Austausch mit rund 200 Frauen aus der ganzen Diözese soll nach Möglichkeit nachgeholt werden.

Seit 1998 setzt sich der Katholische Deutsche Frauenbund am 29. April, dem Gedenktag der Heiligen Katharina von Siena, mit dem "Tag der Diakonin" für die Zulassung von Frauen zum diakonischen Amt in der Kirche ein. Der Diözesanrat Rottenburg-Stuttgart hat sich im Juni 2016 dem Netzwerk „Diakonat der Frau“ angeschlossen und hat sich wiederholt und deutlich für ein partnerschaftliches Miteinander von Frauen und Männern in der Kirche ausgesprochen. Seit 2018 ist er Mitveranstalter und großer Unterstützer des Tags der Diakonin in der Diözese Rottenburg-Stuttgart.

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