Trommelklänge und Fanfaren, Böllerschüsse und Glockengeläut. Am 21. Juli 1963 stand ganz Ravensburg nicht nur wegen des Rutenfestes kopf. An diesem Sonntag hat Bischof Carl Joseph Leiprecht jungen Männern aus dem schwäbischen Oberland in der Liebfrauenkirche die Priesterweihe gespendet - ein für die Türmestadt wohl einmaliges Ereignis. Da die Zahl der Weihekandidaten in jener Zeit gewöhnlich über 30 lag, wurde der Kurs aufgeteilt. Die Kollegen aus dem nördlichen Teil der Diözese empfingen das Sakrament bereits am Vortag im Rottenburger Dom. Fünf der diamantenen Priesterjubilare, geprägt von der Aufbruchszeit des Zweiten Vatikanischen Konzils, leben heute in der Region Bodensee-Oberschwaben.
Vom Aufbruch des Konzils geprägt
Wendelin Elbs
Wendelin Elbs ist mit seinem Heimatort Sulpach bei Baindt und seiner Großfamilie immer noch eng verbunden. Seit einem halben Jahr wohnt der 84-Jährige nach Ruhestandsjahren in Friedrichshafen wieder in Ravensburg, wo er von 1996 bis 2005 Pfarrer in Christkönig und St. Jodok war. Zuvor hatte er sich nach den Vikarstellen in Neckarsulm, Stuttgart und Kornwestheim über Göppingen und Unterkochen wieder Oberschwaben genähert. „Sie müssen auf die Leute zugehen“, habe ihm einer der Ausbildungspfarrer gesagt, berichtet der Geistliche. Das beherzigt der Priester bis heute.
Im Göppinger Reusch und in Bartenbach besuchte Elbs als erster Pfarrer der gerade selbstständig gewordenen Christkönigsgemeinde möglichst viele katholische Haushalte, wie er erzählt. Auch die Gottesdienste und die Jugend lagen ihm an allen seinen Wirkungsorten am Herzen. „Man muss schauen, dass man die Leute begeistert“, erklärt der Geistliche. Mit seiner eher ausgleichenden Art legte er großen Wert auf die Zusammenarbeit mit den gewählten Mitgliedern der Kirchengemeinderäte. „Es ging ja nicht um mich, sondern um die Gemeinde“, betont er. Während seiner Zeit als Pfarrer in Unterkochen leitete er auch knapp vier Jahre das Dekanat Aalen.
Otto Schlichte
Otto Schlichte wohnt heute in seinem Elternhaus direkt am Rutenfestplatz. Dass die Priesterweihe in seiner Heimatstadt während der Ravensburger Hauptfeiertage und abgeschottet vom Festtreiben stattfand, findet er nicht sehr glücklich. Auch die Unfähigkeit seiner Kirche zu grundlegenden Reformen ärgert ihn. „Es ist vieles anders gekommen als gedacht“, resümiert er sein Priesterleben. „Bereut habe ich es aber nicht“, ergänzt der 87-Jährige. Er war Vikar in Heilbronn und Esslingen. Während seiner Zeit als Jugendseelsorger für die ganze Diözese Rottenburg lag ihm die Einbeziehung von Sozialarbeiter:innen als Fachkräfte in der Jugendarbeit am Herzen.
Überhaupt war Schlichte das Miteinander von Priestern und Laien in der Kirche und das persönliche Interesse an den Menschen wichtig. Als Stadtpfarrer in der Biberacher Simultankirche St. Martin von 1975 bis 1985 seien die eigentlichen Probleme in der ökumenischen Zusammenarbeit und im Kirchengemeinderat meist erst nach den Sitzungen auf den Tisch gekommen. „Da haben wir das dann bei einem Bier oder einem Wein besprochen“, erinnert sich der Priester. Und bis er die Räte der völlig unterschiedlich geprägten Ober- und Unterkirchberger an seiner letzten Pfarrstelle Illerkirchberg zu einer gemeinsamen Klausur zusammenbekommen habe, hätte es zwei bis drei Jahre Überzeugungsarbeit gebraucht. Die habe sich aber gelohnt, freut er sich.
Albert Schmid
An seinem Altersruhesitz in Weingarten lebt Albert Schmid mit unzähligen Kunstwerken und Büchern. In einem hat er selbst Skizzen von Orten gezeichnet, die er besucht hatte - seine Art des Tagebuchschreibens. Der Kontakt zu Künstlern wie Wilhelm Geyer und Otto Herbert Hajek prägte ihn. So wie Kunstwerke etwas Inneres ausdrücken, so sei es ihm auch bei der Feier der Gottesdienste um die Gestik aus dem Herzen und den Kontakt mit den Mitfeiernden gegangen, „nicht auf Show zu machen“, wie der 85-Jährige betont. Seine erste Pfarrstelle trat der gebürtige Schussenrieder in Schwäbisch Hall an, wo die Katholiken deutlich in der Unterzahl waren. 1974 kam er nach Bodnegg und übernahm 1981 auch Grünkraut.
„Ich habe den Beruf gerne gemacht“, sagt Schmid, der von 1991 bis zur Pensionierung im Jahr 2003 als Pfarrer in Achstetten wirkte. Heute habe jedoch die Verwaltung Übermacht bekommen, klagt er und bedauert die Zentralisierung der sehr individuellen Kirchengemeinden. Als junger Mann habe ihm der von den Nazis ausgewiesene Ulmer Jugendpfarrer und spätere Biberacher Dekan Albert Nusser gezeigt, welche Kraft der Glaube geben kann. Inzwischen mache er mit seiner Parkinsonerkrankung seine eigenen Grenzerfahrungen, gesteht der Priester. Und er sieht es als Chance, sich damit auseinanderzusetzen.
Hermann Seeger
Hermann Seeger wuchs mit acht älteren Geschwistern in einer bodenständig-frommen Familie in Isny auf und wollte schon als Kind Priester werden. Papst Johannes XXIII. und der ökumenische Geist prägten ihn. „Ich bin heute noch wild aufs Bibelstudium“, gesteht der 85-Jährige. Nach der Vikarszeit in Reutlingen kam er als Kurat nach Calmbach im Schwarzwald. Damals starb seine Mutter. Um den Vater besser unterstützen zu können, bekam er 1969 die Kuratenstelle in St. Maria in Weingarten, um „von der grünen Wiese an Gemeinde aufzubauen“, wie er es nennt. Im neu entstandenen Zentrum Heilig Geist setzte er mit den Menschen dort die Konzilsideen um.
Im Jahr 1986 wechselte Seeger als Nachfolger seines Kurskollegen Wendelin Elbs nach Göppingen und bekam als Pfarrer von Christkönig den Vorsitz der Gesamtkirchengemeinde und später das Amt des Vizedekans. In den letzten zehn Jahren bis zur Pensionierung im Jahr 2008 und bis zu seinem Umzug nach Neutrauchburg genoss der Priester das Leben eines Dorfpfarrers in Oberteuringen. Er habe mit den Leuten und durch sie viel gelernt, betont der Seelsorger. „Der liebe Gott hat das gut eingefädelt“, fügt er schmunzelnd hinzu. Inzwischen lebt Seeger in Isny und erholt sich von einer schweren Operation.
Helmut Waibel
Helmut Waibel stammt aus Mögglingen und erhielt am 20. Juli 1963 von Bischof Carl Joseph Leiprecht die Priesterweihe im Rottenburger Dom. Sein Dienst ließ ihn jedoch in Oberschwaben Heimat finden. Als der 1934 Geborene vier Jahre alt war, starb sein Vater. Zusammen mit seiner Mutter, die nicht in „der Partei“ war und somit keine staatliche Unterstützung bekam, schlug er sich in den Folgejahren durch und machte den Hauptschulabschluss. Während der Ferien und an freien Wochenenden im Spätberufenenseminar Fürstenried bei München und im Wilhelmsstift in Tübingen hielt er die Landwirtschaft mit am Laufen und verkaufte die Ferkel auf dem Markt.
Prägend für Waibel war die Zeit im Heim St. Josef in Heudorf am Bussen, wo der Seelsorger mit seiner bodenständig-humorvollen Art schnell Zugang zu den Jugendlichen mit Förderbedarf gewann. Von 1974 an wirkte er zehn Jahre als Pfarrer in Berkheim und sorgte dafür, dass bei seinen Brautleuteseminaren in Rot an der Rot auch erfahrene Ehepaare mitwirken durften. Den Monsignore-Titel wollte er als Superior der Anna-Schwestern in Ellwangen eigentlich ablehnen. „Wegen des Klosters habe ich dann doch nachgegeben“, gesteht er. Zuletzt Pfarrer in Daugendorf mit Zell und Zwiefaltendorf zog Waibel sich im Ruhestand 2001 in das Haus in Schweinhausen zurück, das er mit dem Verkauf seines Heimathofs gekauft hatte und zuvor als Selbstversorgerhaus vermietete. Seit Dezember lebt der Jubilar in einem Seniorenpflegeheim beim Kloster Brandenburg.
Hinweis
Da das hohe Alter bei den Priesterjubilaren in unterschiedlicher Weise seine Spuren hinterlassen hat, feiern sie ihr Jubiläum jeweils im kleinen Rahmen.