Auch den Menschen nahe zu sein, die Weihnachten nicht mit ihren Lieben feiern können und dadurch mit ihrer Schuld konfrontiert werden, gehört, nach den Worten von Bischof Dr. Klaus Krämer, zu den Aufgaben christlicher Seelsorge und zu den „Werken der Barmherzigkeit“, wie sie in der Bibel beschrieben sind. Der neue Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart dankt deshalb allen Seelsorgerinnen und Seelsorgern in den Justizvollzugsanstalten (JVA), die das ganze Jahr über und in besonderer Weise in der Advents- und Weihnachtszeit für die Gefangenen ansprechbar sind und in Gesprächen und Gottesdiensten, in der Beichte und anderen Angeboten den biblischen Auftrag erfüllen, Gefangene zu besuchen.
Seit mehr als 30 Jahren feiern die Bischöfe der Diözese Rottenburg-Stuttgart an Heiligabend Weihnachtsgottesdienste mit den Menschen in den Justizvollzugsanstalten des Landes. „Es geht darum, den Häftlingen Hoffnung zuzusprechen in einer extremen Ausnahmesituation und auch die Arbeit der Bediensteten im Strafvollzug zu würdigen“, erklärt Sabine Mader, Diözesanreferentin für Gefängnisseelsorge. In diesem Jahr besuchen Weihbischof Matthäus Karrer die Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim sowie Weihbischof Thomas Maria Renz die Außenstelle Frauengraben und Weihbischof Dr. Gerhard Schneider die Hauptanstalt der JVA Ulm.
Sorge um Gefangene ist eine urchristliche Aufgabe
„Der Tag, der für viele Menschen der schönste im Jahr ist, ist für Gefangene oft der schwerste. Die Gottesdienste, die wir an Heiligabend mit ihnen feiern, sind jedes Mal ein eindrückliches Erlebnis, das mir lange in Erinnerung bleibt“, sagt Schneider. Weil Werkstätten und Schulen in den JVAs geschlossen und Besuchszeiten reduziert sind, seien die Gottesdienste für viele Gefangenen eine willkommene Unterbrechung des Alltags, unterstreicht Karrer. Der Besuch der Bischöfe sei mehr als „nur“ eine gute Tradition: „Die Sorge um Gefangene ist eine urchristliche Aufgabe, die bereits die ersten Christinnen und Christen intensiv gelebt haben. Biblisches Fundament ist die Weltgerichtsrede in Matthäus-Evangelium (Kapitel 25, Vers 36): ‚Ich war im Gefängnis und ihr habt mich besucht‘.“
Weihbischof Renz erinnert daran, dass Jesus Christus „seine Sendung in unsere Welt, die an Weihnachten beginnt, auch als Befreiungsdienst für die Gefangenen“ verstand, wie es im Lukasevangelium (4,18-19) anklingt. „Auch wenn wir bei unserem Gefängnisbesuch am Heiligabend den dortigen Gefangenen nicht unmittelbar das Geschenk der physischen Freiheit mitbringen können, so können wir den Inhaftierten doch die Botschaft des Freiwerdens in Christus verkünden und ihnen Hoffnung auf ein neues, vom Bösen befreites Leben in Christus machen“, erklärt Renz.
Weihnachtsgottesdienst ist ein Moment der Gemeinschaft und des Trostes
In der Diözese Rottenburg-Stuttgart sind acht katholische Seelsorgende in den JVAs tätig. Einer von ihnen ist Marcel Holzbauer in Ulm. Weihnachten sei „eine Zeit, in der das Gefühl der Isolation und seelische Wunden schmerzlich aufbrechen können. Die Atmosphäre ist emotional sehr aufgeladen, die Anspannung ist schon Tage vorher wahrzunehmen“, berichtet der Gefängnisseelsorger. „Der Weihnachtsgottesdienst wird deshalb oft als ein besonderer Lichtblick erlebt – ein Moment der Gemeinschaft und des Trostes, in dem die inhaftierten Männer für einen Augenblick aus ihrem engen Haftraum heraustreten können. Die Musik, die Lichter am Weihnachtsbaum, die Krippe, die hoffnungsvollen Texte – all das ist ein Geschenk für die Inhaftierten.“
Besonders die Feier mit einem Weihbischof lasse viele Gefangene spüren: ‚Du bist ein Gott, der mich sieht‘ (Gen 16,13), sagt Holzbauer. „Es ist ein Moment, in dem sie erfahren, dass sie nicht vergessen sind, sondern als Menschen wahrgenommen und wertgeschätzt werden. Das berührt, das gibt Hoffnung.“