Beim „Abend der Begegnung“ wird es plötzlich hektisch im Zentrum Weltkirche auf dem Karlsplatz. Polizisten auf Motorrädern fahren vor. Der Bereich vor dem Stand der ukrainisch griechisch-katholischen Gemeinde wird von Helfenden des Katholikentags mit blauen Seilen abgesperrt. Personenschützer in dunklen Anzügen und mit Knöpfen im Ohr beziehen Stellung. Dann betreten Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der Stuttgarter Oberbürgermeister Frank Nopper, Bischof Gebhard Fürst und ZDK-Präsidentin Irme Stetter-Karp den Platz.
Das deutsche Staatsoberhaupt erweist der ukrainischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern seine Reverenz und setzt damit ein deutliches Zeichen gegen den russischen Angriffskrieg auf das osteuropäische Land. Darin sind sich alle Besucherinnen und Besucher im Zentrum Weltkirche einig und applaudieren dem Staatsoberhaupt. Schon kurz zuvor hatte der Bundespräsident in seiner Rede zur Eröffnung des Katholikentags klar Stellung zum Ukrainekrieg bezogen und sich direkt an den russischen Präsidenten Wladimir Putin gewandt: "Beenden Sie Leid und Zerstörung, ziehen Sie Ihre Truppen zurück und verweigern Sie keine ernsthaften Gespräche mit Selenskyj."
Eine Oase im Stuttgarter Großstadtdschungel
Am nächsten Tag ist wieder „Ruhe“ eingekehrt auf dem Karlsplatz. Der kleine Platz in der Innenstadt ist wie eine Oase im Stuttgarter Großstadtdschungel. Mächtige Bäume umschließen den Platz und dämpfen den Verkehrslärm angenehm. Dominiert wird der Karlsplatz von einem mächtigen Reiterstandbild Kaiser Wilhelm I. in seiner Mitte. Doch das Bildnis des ersten deutschen Kaisers ist mit einem roten Tuch verhüllt. Die nicht unumstrittene Aktion soll ein Zeichen setzen gegen Imperialismus, Kolonialismus und Ausbeutung.
Auf den Stufen vor dem Denkmal entspannen Katholikentagsbesucher in der Sonne und genießen die Livemusik auf der „Eine-Welt-Bühne“. Dort sitzen sechs Männer und spielen auf ihren Ouds persische Weisen aus ihrer Heimat. Eine Frau genießt mit geschlossenen Augen die besondere Atmosphäre auf dem Karlsplatz. Ihre Füße wippem im Takt der Musik.
Ich mag diese gelöste, sympathische Stimmung hier“, sagt Pfarrer Wolfgang Herrmann, Leiter der Betriebsseelsorge in der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Das Zentrum Weltkirche ist ein Novum auf dem 102. Deutschen Katholikentag und soll auch das große weltkirchliche Engagement der Diözese unterstreichen. „Hier trifft sich die Eine Welt und die weltkirchliche Szene“, sagt Wolf-Gero Reichert von der Hauptabteilung Weltkirche der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Das Zentrum biete dabei einen guten Mix aus Ständen der großen Hilfswerke wie Missio, Adveniat oder Renovabis und Präsentationen von lokalen Gemeindepartnerschaften. „Ich freue mich auch, dass dank des Reisekostenzuschusses unserer Diözese auch viele Gäste aus dem Globalen Süden kommen konnten“, sagt Reichert.