Solidarität

Wer uns angreift, greift uns alle an

Menschen singen die Israelische Nationalhymne bei der Kundgebung zum ersten Jahrestag des Terroranschlags auf Israel auf dem Stuttgarter Marktplatz.Bild: DRS/ Nelly Swiebocki-Kisling

Am Gedenktag zum ersten Jahrestag des Terroranschlags auf Israel zeigen über 1000 Menschen in Stuttgart Solidarität.

Die Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG) Region Stuttgart e.V. veranstaltete am 7. Oktober, dem Abend des ersten Jahrestags des Terroranschlags auf Israel, eine Kundgebung auf dem Stuttgarter Marktplatz. Etwa 1000 Menschen nahmen an der friedlichen Veranstaltung teil und zeigten ihr Mitgefühl und ihre Solidarität mit Israel und den Opfern des Massakers. Die Moderation übernahm Mirjam Fischer von der DIG Stuttgart.

Es gibt überhaupt keinen legitimen Grund für Antisemitismus

Die Menschen auf dem Stuttgarter Marktplatz stehen schweigend im strömenden Regen. Sie zeigen ihre Betroffenheit, schwenken Israelfahnen und beten gemeinsam für die Opfer des Terroranschlags und für Frieden im Nahen Osten. Das Gefühl von ehrlicher Solidarität ist spürbar. Domkapitular Monsignore Dr. Heinz Detlef Stäps spricht für die Diözese Rottenburg-Stuttgart. „Kritik am militärischen Vorgehen Israels kann niemals ein legitimer Grund für Antisemitismus hier bei uns sein. Es gibt überhaupt keinen legitimen Grund für Antisemitismus! Wir sind als katholische Kirche im Glauben fest verbunden mit unseren jüdischen Schwestern und Brüdern und nichts kann diese geschwisterliche Beziehung zerstören.“

Erinnerung an das Massaker vor einem Jahr

Vor genau einem Jahr, am 7. Oktober 2023, überfiel die palästinensische radikal-islamistische Terrororganisation Hamas vom Gazastreifen aus Israel und verübte ein Massaker, bei dem über 1.200 Menschen starben. 251 Israelis wurden entführt, von denen noch immer 101 Menschen in der Gewalt der Terroristen sind.

„Bring them home, now!“

„Das Leid der Geiseln, vieler weiterer Opfer und ihrer Angehörigen macht mich tief betroffen", sagt Bürgermeisterin Isabel Fezer, die auch Vorsitzende der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Stuttgart ist. Sie wird deutlich: „Israel hat ein Recht auf Selbstverteidigung, denn wenn es nach seinen Feinden geht, soll Israel von der Landkarte verschwinden, samt der Menschen, die dort leben.“ Die Bürgermeisterin erinnert daran, dass es Antisemitismus auch in Stuttgart gibt. Sie betont, dass es beim Kampf gegen jegliche Art von Antisemitismus und Rassismus um die Bewahrung unserer Werte und Menschenrechte geht. Alon Bindes von der Jüdischen Studierendenunion Württemberg klagt, allzu oft werde aus der Geschichte zitiert, jedoch nicht aus ihr gelernt: „Wer Antisemitismus verteidigt, greift die demokratischen Werte aller Demokraten in Deutschland an!“ Für die Verschleppten in Israel fordert er: „Bring them home, now!“

Wer uns angreift, greift uns alle an!

Susanne Wetterich, stellvertretende Vorsitzende DIG Stuttgart bittet die Menschen auf dem Marktplatz, auch im Alltag Solidarität und Zivilcourage zu zeigen: „Der Antisemitismus auch im eigenen Land ist unerträglich, sodass sich die jüdischen Menschen in Deutschland nicht mehr sorglos auf die Straßen trauen. Das nehmen wir nicht hin. Wer uns angreift, greift uns alle an!“ Allein 2023 wurden von der Meldestelle RIAS (Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus) 4782 Fälle registriert.

Israels Gegner wollen Israel auslöschen

Michael Kashi von der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs in Stuttgart (IRGW) erinnert an den Anschlag vor einem Jahr und beschreibt seine persönliche Trauer: „Vor einem Jahr standen wir kurz nach dem Massaker auch hier. Wir waren von Schmerz gezeichnet. Mein Herz hat mir wehgetan.“ Er betont, dass Israel keine Soldaten von außen brauche, jedoch die moralische Unterstützung und den Zusammenhalt in der Welt, denn, so Kashi: „Wenn die Nachbarländer Israels ihre Waffen niederlegen, dann ist der Krieg zu Ende. Wenn Israel die Waffen niederlegt, dann wird es kein Land Israel mehr geben.“ Dr. Michael Blume, Beauftragter der Landesregierung gegen Antisemitismus und für jüdisches Leben, fordert auch ein Ende der Gas- und Ölimporte aus Ländern, die Israel-feindliche Regimes unterstützen sowie ein generelles Ende von Öl und Gas. Albrecht Lohrbächer vom Freundeskreis Ramat Gan Weinheim und Ehrenbürger der Stadt Ramat Gan mahnt, Israel sei der einzige Zufluchtsort für Jüd:innen in der Welt und führe aktuell einen Existenzkampf: „Israels Gegner wollen Israel auslöschen. Nicht nur besiegen, sondern auslöschen. Israel verteidigt seine Existenz und braucht unsere Unterstützung. Israel will nie wieder Opfer sein!“

Beten für die Stimme des Dialogs der Worte

Trotz der vielen sehr deutlichen, kämpferischen und appellativen Worte ist die Veranstaltung in Stuttgart auch vom gemeinsamen Gebet und von den vielen Zeichen der Verbundenheit geprägt. Als Johannes Merker vom Denkendorfer Kreis für christlich-jüdische Begegnung die Menschenmenge bittet, zwei Minuten inne zu halten, wird es auf dem Marktplatz ganz still. Der Rabbiner Jehuda Puschkin betet mit den anwesenden Menschen für die Menschen in Israel und die Jüd:innen weltweit. Der evangelische Stadtdekan Søren Schwesig spricht über seine Hoffnung, das neue jüdische Jahr 5785 möge die grundlegende Wende sowie Frieden für Israel bringen: „Was mir Hoffnung macht ist, dass Israel existiert.“

Auch Domkapitular Stäps betet mit den vielen Menschen auf dem Platz: „Wir beten für den Frieden. Im Nahen Osten und auf der ganzen Welt. Mit der Botschaft Jesu im Herzen können wir uns nicht vorstellen, dass der Frieden jemals durch Waffen hergestellt werden kann. So beten wir für das baldige Schweigen der Waffen und für die Stimme des Dialogs der Worte, damit die Geiseln zu ihren Familien zurückkehren können.“

Tausend Lichter als Zeichen der Hoffnung

Die Veranstaltung endet mit einer Tanzeinlage der Tanzgruppe Avi Palvari.

Es ist dunkel geworden auf Stuttgarter Marktplatz, wo die Menschen, trotz des Regens, bis zum Ende der Veranstaltung zusammenbleiben. Tausend Lichter gehen an, als zum Abschied und zum Zeichen der Hoffnung alle zusammen die Nationalhymne Israels singen.

Weitere Nachrichten

Bischof
Bischof Dr. Klaus Krämer besucht die Israelitische Religionsgemeinschaft Württemberg (IRGW) und feiert mit Rabbiner Yehuda Puschkin Schabbat.
Weiterlesen
Tod und Trauer
Porträtfoto
Die Spiritualität hat inzwischen einen festen Platz in der hospizlichen Begleitung Sterbender - Interview mit Dr. Margit Gratz.
Weiterlesen