Aktion Hoffnung

Wertschätzen statt wegwerfen

Marita Redlich, die Shop-Leiterin der Ulmer „Secontique“, arbeitet dafür, „die Wertschätzung für gute Kleidung wieder mehr in den Vordergrund zu rücken“. Foto: drs/Jerabek

„Mode spendet Hoffnung“: Gebraucht, aber schick und wie neu ist die Kleidung, die in der Ulmer „Secontique“ und vier weiteren Shops angeboten wird.

„Das ist secondhand, echt?“ – Manche Kunden könnten es kaum glauben, dass das Kleidungsstück, das sie gerade für kleines Geld erworben haben, schon jemand anderem Freude gemacht hat, sagt Marita Redlich. Die Shop-Leiterin der Ulmer „Secontique“ staunt manchmal selbst, „was hier für Sachen hängen“ – eine breite Palette an hochwertigen gebrauchten Produkten: Kleidung, Schuhe, Accessoires und vieles mehr. „Wir haben auch Marken, die würden sich viele sonst gar nicht kaufen“, sagt Redlich und zupft einer blassen Schaufensterpuppe liebevoll den pistaziengrünen Blazer zurecht. Klar, alles sind Einzelstücke – „das gleiche Kleid eine Nummer größer“ gibt’s in der Regel nicht. Aber gleich nebenan hängt dann vielleicht was anderes mit „Wow-Effekt“.

Überhaupt, wer secondhand irgendwie mit Flohmarkt, Wühltisch und „bissle muffig“ verbindet, muss beim Betreten der „Secontique“ in der malerischen Ulmer Dreikönigsgasse gründlich umdenken. Gepflegt, geräumig, geschmackvoll präsentieren Marita Rausch und ihre haupt- und ehrenamtlichen Kolleginnen die Mode – jedes Stück ist sorgfältig geprüft. „Die Kleidungsstücke werden aufgearbeitet – gebügelt, mal ein Knopf angenäht“. Von zeitlosen Klassikern bis zu trendigen Must-Haves – „wir haben für jeden Geschmack und jede Gelegenheit das passende Stück“, so lautet der Anspruch der „Secontique“. Und doch ist manches anders.

„Jetzt möchte ich etwas zurückgeben"

„Mode spendet Hoffnung“ ist das Motto der „Secontique“-Shops, die es außer in Ulm auch in Aalen, Albstadt, Nürtingen und Stuttgart gibt. Der Shop in Albstadt wird mittlerweile von der Caritas Schwarzwald-Alb-Donau betrieben, alle anderen Shops betreibt die „Aktion Hoffnung Rottenburg-Stuttgart“. Der Verein wird gebildet von zehn katholischen Mitgliedsorganisationen, in deren Auftrag im Jahr über 5000 Tonnen gebrauchte Kleidung gesammelt und einer weiteren Nutzung zugeführt werden. Mit den Erlösen ihrer Arbeit finanziert die Aktion Hoffnung nachhaltige Sozialprojekte ihrer Mitgliedsorganisationen sowie von Kirchengemeinden und anderen Partnern. In Ulm unterstützt die kirchliche Hilfsorganisation zum Beispiel die Nähstube der Caritas. Dort erlernen oder verbessern geflüchtete Frauen den Umgang mit der Nähmaschine und bekommen so eine Chance, eine eigene Existenz zu gründen.

„Wir haben viele Stammkunden und auch viele Kunden, die gerne unsere Sonderangebote nutzen, weil sie nur einen kleineren Geldbeutel haben“, sagt Jutta Rausch. Die Ruheständlerin gehört seit vier Jahren zum Team der ehrenamtlichen Verkäuferinnen. „Bei uns ist alles gut gelaufen, familiär und auch sonst, jetzt möchte ich etwas zurückgeben und auch dafür arbeiten, dass andere Menschen bessere Chancen haben“, sagt sie zu ihrer Motivation. An zwei Nachmittagen ist sie jede Woche im Einsatz und schätzt „die Kontakte, das Team und die Verantwortung, die ich hier auch übernehmen darf“.

Hinter jedem Kleidungsstück steckt ein Mensch

Wertschätzung – das ist vielleicht das wichtigste Stichwort, wenn man das Prinzip der „Secontique“ beschreiben will. „Wir müssen die Wertschätzung für gute Kleidung wieder mehr in den Vordergrund rücken“, ist Marita Redlich überzeugt. „An einem wertigen Kleidungsstück aus zweiter Hand kann man bei guter Pflege viel länger Freude haben, als wenn ich mir etwas Billiges kaufe, das dann ganz schnell wieder in den Sack kommt.“ Wertschätzung ist Nachhaltigkeit. Für Marita Redlich gehört dazu auch, „dass man darüber nachdenkt, dass hinter jedem Kleidungsstück ein Mensch steckt, der es genäht hat – vielleicht unter unwürdigen Bedingungen“.

Weil Fasten mehr als Abnehmen ist

Vor der Ulmer „Secontique“ zeigt ein Plakataufsteller ein Impuls-Plakat, das die Fachstelle Medien der Diözese für die Fastenzeit herausgegeben hat: für jede Woche zwischen Aschermittwoch und Ostern gibt ein kurzer prägnanter Text Impulse zum Nachdenken und Reflektieren. „Wir möchten, dass auch unser kirchlicher Hintergrund bewusster wird“, erklärt Marita Redlich und findet, dass die Aktion gut zur „Secontique“ passt. „Fasten hat ja nicht nur damit zu tun, dass man weniger isst oder weniger Kalorien zu sich nimmt, sondern dass man auch bewusster wird, wie man mit seinen Ressourcen umgeht.“ Da gebe es viele Dinge im Alltag, wo jeder ansetzen kann: „Ich finde das schlimm, dass man vieles konsumiert, weil es billig ist, dann aber nicht mehr überlegt, was hinterher damit passiert, oder, weil es billig war, einfach wegwirft.“ Das betreffe nicht nur, aber eben auch die Kleidung.

Kleidung „mit Geschichte"

Zwischen zehn und 15 Kleiderspenden – wobei jede Spende eine große Tüte oder einen Karton bedeutet – bekommt die Ulmer „Secontique“ pro Tag. „Wir leben davon, dass Menschen, die sich bewusst gute Kleidung kaufen, uns diese dann spenden“, sagt die Shop-Leiterin. „Und manchmal bringen die Spenderinnen und Spender auch eine persönliche Geschichte mit: ‚Wissen Sie, das habe ich mir zu diesem oder jenem Anlass gekauft, die Tochter hat geheiratet und ich hab das Kleid nur einmal angehabt‘, oder so ähnlich.“ Weil viele Kleidungsstücke mit besonderen Emotionen verbunden seien, freuen sich die Spender, „dass es bei uns so schön ist und dass das oft wertvolle Kleidungsstück bei uns und der nächsten Käuferin in guten Händen ist und nicht verramscht wird“. Auch das ist ein Stück Wertschätzung.

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