Tagung

Weshalb der Staat die Kirchen mitfinanziert

Die Kirche und das Geld - Symbolbild: Pixabay/moerschy - Kollage: DRS/Waggershauser

Geschichtsverein und Akademie der Diözese haben Generalvikar Clemens Stroppel zu ihrer Tagung „Ohne Moos nix los...“ eingeladen.

Die Kirchen und das liebe Geld, das ist ein heikles Thema. Zumal in Deutschland, wo der Staat im Auftrag der Religionsgemeinschaften Steuern eintreibt und den Kirchen zusätzlich Staatsleistungen zahlt. Laut einer Umfrage des INSA-Consulere-Instituts in Erfurt lehnten sogar 71 Prozent der Kirchenmitglieder die Kirchensteuer ab, berichtete Johannes Kuber von der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Und die Ampel-Koalition hat sich zum Ziel gesetzt, die Staatsleistungen abzulösen.

Bei der Tagung „Ohne Moos nix los...“ in Kooperation von Akademie und Geschichtsverein der Diözese erläuterten Expert:innen in Weingarten, wie dieses Finanzierungssystem überhaupt zustandekam und wer davon profitiert. Generalvikar Clemens Stroppel stellte sich im Rahmen eines Podiumsgesprächs Fragen zum Ablöseprozess. Er hatte als Vertreter des Verbands der Diözesen Deutschlands (VDD) an den Gesprächen mit Bund und Ländern teilgenommen. Der Auftrag zur Ablösung der Staatsleistungen stand schon in der Weimarer Verfassung von 1919 und wurde ins Grundgesetz übernommen.

Kirchen bei Staatsleistungen verhandlungsbereit

„Ein Verfassungsauftrag ist zu erfüllen“, begründete Stroppel die kirchliche Verhandlungsbereitschaft. Die Kirchensteuer mache nach Abzug der Verwaltungsgebühr an den Staat, diversen Ausgleichszahlungen und des hälftigen Anteils für die Kirchengemeinden mit etwa 263 Millionen Euro knapp zwei Drittel der Einnahmen im Diözesanhaushalt aus, berichtete der Generalvikar. Die Staatsleistungen ohne Ersätze für Leistungen der Kirche, etwa im sozialen Bereich, schlagen mit ungefähr 34 Millionen Euro zu Buche, also nur etwa 7,5 Prozent des diözesanen Haushalts.

Ende des 18. Jahrhunderts sei das Kirchenvermögen eine „tote Hand“ gewesen, sagte Professor Dominik Burkard zum Auftakt des Podiumsgesprächs. Der aus Rottweil stammende Würzburger Kirchenhistoriker und Vorsitzende des Geschichtsvereins verwies auf den ansonsten ungenutzen kirchlichen Grundbesitz, dessen Erträge die Gehälter der Kleriker und deren Arbeit sicherten. Der Reichsdeputationshauptschluss von 1803 brachte eine einschneidende Veränderung. „Etwa 90 Prozent des kirchlichen Vermögens ging in staatlichen Besitz über“, betonte Burkard bereits bei einem Vortrag im Rahmen der Tagung.

Der Staat hat sich selbst zu Zahlungen verpflichtet

Auch der zum Kurfürsten beförderte evangelische Herzog und spätere König Friedrich I. von Württemberg erhielt ehemaligen Kirchenbesitz als Entschädigung für seine linksrheinischen Ländereien, die an Napoleon fielen. In den Folgejahren kamen weitere katholische Gebiete dazu. Der Staat habe sich daher selbst in der Pflicht gesehen, für die Ausstattung der katholischen Kirche zu sorgen, bemerkte Burkard. Zumal Friedrich die Gründung einer eigenen Diözese in den Grenzen seines Reiches vorantrieb. Diese wieder mit Grundbesitz anstelle von regelmäßigen Zahlungen auszustatten, sei jedoch politisch nicht durchsetzbar gewesen.

Ob die damaligen Enteignungen mit den Zahlungen heute nicht längst zurückerstattet seien, fragte Moderator Paul Kreiner von der Akademie den Generalvikar. Stroppel antwortete mit der Verpachtung eines Grundstücks im Wert von 30.000 Euro als Beispiel. „Wenn der Pächter 100 Jahre lang 300 Euro bezahlt, gehört das Grundstück dann ihm?“, fragte der Leiter der Rottenburger Diözesanverwaltung rhetorisch. Und er verwies auf die konstruktiven Gespräche auf Einladung des Bundesinnenministeriums (BMI) - zunächst auch mit den Bundesländern.

Faire Ablösung bedeutet Gleichwertigkeit

Im Ampel-Koalitionsvertrag ist von einem „fairen Rahmen für die Ablösung der Staatsleistungen“ die Rede. Für Stroppel bedeutet das zu garantieren, dass die Kirchen in Zukunft von den Erträgen aus der Ablösesumme das leisten können, was sie heute mit den staatlichen Zahlungen tun. Die Enteignungen von 1803 als Berechnungsgrundlage heranzuziehen, halten sowohl die staatliche als auch die kirchliche Seite für zu zeitaufwändig und utopisch. Im Raum stand als Ablösesumme nun ein Faktor von 18,6 der derzeitigen Leistungen, der laut Stroppel mit Berücksichtigung einer durchschnittlichen Inflation von zwei Prozent noch höher ausfallen müsste.

Als die Länder als Rechtsnachfolger der damaligen Staaten das hochgerechnet hätten, hätten sie die Verhandlungen gestoppt - zumindest bis nach den Landtagswahlen im Herbst. Der Generalvikar, der auf eine streitfreie Lösung der Partner vertraut, rechnet damit, dass der Bund auf eine Fortsetzung der Gespräche drängt. Als Lösung könnte sich Stroppel auch Ratenzahlungen, doppelte Zahlungen auf mehrere Jahre oder eine Ablösung mit Staatsanleihen vorstellen. Und er verweist darauf, dass bei der Diözese jährlich 200 Millionen Euro in Gehälter fließen. „Da kommt an Steuern mehr zurück, als der Staat derzeit zahlt.“

Bei Kirchensteuer profitieren Staat und Religionsgemeinschaften

Die Kirchensteuer hat übrigens auch der Staat eingeführt. Im Jahr 1887 habe Württemberg dafür die Stolgebühren für Einzelleistungen der Pfarrer abgeschafft, erklärte Kirchenrechtlerin Anna Ott. Dabei habe der Staat jedoch einen Teil seiner Verpflichtungen gegenüber den Kirchen auf deren Mitglieder abgewälzt, gab Professor Burkard zu bedenken. Nach anfänglicher Ablehung hätten die Religionsgemeinschaften die Chancen einer verlässlichen Planung erkannt, berichtete Ott. Die Weimarer Verfassung und die Staatskirchenverträge hätten das Recht auf Kirchensteuer dann festgeschrieben.

Dieses Recht stehe nach dem Gleicheitsgrundsatz allen weltanschaulichen Gemeinschaften offen, betonte die Kirchenrechtlerin beim Bistum Mainz. Und der Staat musste im Sinne der Religionsfreiheit auch das Recht zum Austritt einräumen, der bis heute beim Standesamt zu vollziehen ist. Obwohl in der Gesellschaft der Ruf nach Abschaffung der Kirchensteuer lauter wird, profitierten Staat und Kirche vom System. Für die Kirche sei der Einzug über den Staat günstiger und der Staat lasse sich diesen gut bezahlen. Die Kirche müsse der Öffentlichkeit jedoch besser erklären, für was sie die Steuer verwende, kam mehrfach die Forderung aus dem Publikum.

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