Glauben

Wider die Einsamkeit

Vortrag zur "Missa solemnis"

Die letzte Veranstaltung des Dekanats Ehingen-Ulm vor dem „Corona-Shutdown“ widmete sich der Musik als Zugang zum österlichen Geschehen. Foto: drs.de/Jerabek

Wie nah, wie fern ist Gott? Ist Glaube einsamer Kampf oder Geschenk und Gemeinschaft? An einem Osterfest, das ganz anders wird als sonst, bietet die Musik spannende Zugänge in diesen Fragen.

Vom „Kampf des einsamen Gläubigen“ handelte die letzte Veranstaltung des Dekanats Ehingen-Ulm vor dem „Corona-Shutdown“, dem vorübergehenden Verbot öffentlicher Veranstaltungen. Es ging dabei um die Deutung des Glaubensbekenntnisses in der „Missa Solemnis“ Ludwig van Beethovens. Es ging um einen Höreindruck, eine Anmutung, eine Disposition, die diesem ebenso großartigen wie spannungsreichen Meisterwerk zugrunde liegt: Hier scheint Glaube nicht Geschenk von außen zu sein, sondern muss gleichsam in sich selbst erschaffen und erkämpft werden.

Ein anderes Ostern

Ohne Absicht und ungeahnt aktuell ging es an dem lange vor dem Virus geplanten Spätnachmittag Anfang März aber auch um das Gefühl der Einsamkeit, das immer mehr Menschen beschleicht, und um einen schmerzlichen Ausblick auf die kommenden Feiertage. Denn jetzt ist es gewiss: Es wird ein anderes, ein einsam(er)es Ostern in diesem Jahr – ohne die gemeinschaftliche Feier des Leidens und der Auferstehung Jesu Christi, ohne die leibhaftige Begegnung mit dem Herrn in der Eucharistie, ohne die erhebenden Klänge in einer der großartigen Messen von Mozart, Bach oder Beethoven.

„Gerade diese Messen sind die musikalische Umsetzung von Ostern und jedes kleinen Osterfestes, das wir ja in der Heiligen Messe feiern“, sagt Dekanatsreferent Dr. Wolfgang Steffel. „Es ist spannend zu sehen, wie unterschiedlich sich große Komponisten diesem zentralen Geschehen unseres Glaubens nähern.“ In einer groß angelegten Veranstaltungsreihe, dem Credo-Musik-Projekt, widmet er sich der Deutung des Glaubensbekenntnisses, jenem Gebet, das den christlichen Glauben zusammenfasst. Und Steffel ist überzeugt, dass diese Musik auch „an diesem besonderen Ostern zuhause Räume öffnet und tiefere Zugänge ermöglicht, die echten Halt geben“.

Unterschiedliche Perspektiven

Bei einem Vergleich von zwei der Größten in der geistlichen Musik, der „Hohen Messe“ von Johann Sebastian Bach und der „Missa Solemnis“ Beethovens, zeigen sich diese unterschiedlichen Perspektiven, „insofern Bach aus einer Geborgenheit in Gott auf den Menschen und Beethoven im weltlichen Kampfgefilde verwickelt nach dem Gott in der Ferne blickt“, erklärt Steffel. „Doch beide erreichen je auf ihre Weise und verbunden im Grad der Vollendung eine Absolutheit.“

Glaube ist nie definitiv

Gerade Beethovens Ansatz spreche in der aktuellen Lage vielen Menschen aus der Seele, ist Steffel überzeugt. Dramatischer, unruhiger, eindringlicher als andere Stücke zeuge Beethovens Credo von der Gefahr des Scheiterns, die der Einsamkeit innewohnt, „denn ich kann nicht allein glauben“. Eine Musik, die irgendwie nicht recht zum Text passen mag und deren harmonisches Ziel ungewiss erscheint, zeuge von dem Hadern des Menschen mit Gott und davon, dass Glaube niemals definitiv ist. „In dieser Spannung leben wir“, sagt Steffel. Und doch entfalte Beethoven „den österlichen Lebensraum ohne jeden Zweifel an das ewige Leben, unbeirrt und scheinbar unbegrenzt in einer gigantischen Fuge“.

Weil Beethoven nicht nur ein „objektives“ Bild von der Größe Gottes malen wolle, „sondern die Umstände des Menschen in seiner Beziehung zu Gott einzufangen“ versuche, wie die Wiener Musikwissenschaftlerin Prof. Birgit Lodes einmal formulierte, eigne sich die „Missa Solemnis“ auch vor dem heimischen CD-Spieler, um den eigenen Fragen und geistlichen Nöten nachzuspüren, aber auch, um die Sehnsucht nach Gott und der Gemeinschaft im Glauben in Schwingung zu bringen – und auf diese Weise auch Gemeinschaft zu erfahren, sagt Wolfgang Steffel.

INFO

Sobald es wieder möglich ist, wird das Credo-Musik-Projekt fortgesetzt. Die nächste Veranstaltung widmet sich Jan Zelenkas „Missa Die Patris“ und der „Missa Sanctissimae Trinitatis“ am 21. Juni in Ulm.

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