Synodaler Weg

Wie kann Synodalität gelingen?

Als Experten für kirchliche Reformprozesse konnte Pfarrer Prof. Sven van Meegen den Kirchenrechtler Prälat Prof. Markus Graulich zu einem Vortrag über Synodalität in Ellwangen begrüßen. Foto: drs/Jerabek

Um den (Lern-)Prozess echter Synodalität, um rechtliche Grundlagen und Perspektiven ging es in einem Vortrag des Kirchenrechtlers Markus Graulich.

Eine Kirche zu werden, die in Bewegung ist und sich auch strukturell auf den Weg macht; eine Kirche, die hörend ist in der Anbetung und die eine Kirche der Nähe ist – diese drei Chancen verbindet Papst Franziskus mit dem Prozess der Synodalität, der so etwas wie ein Markenkern seines Pontifikats geworden ist. Weil es aber keine allgemein akzeptierte Definition von Synodalität gibt – weder das Gesetzbuch des Kirchenrechts noch das Zweite Vatikanische Konzil verwenden diesen Begriff – werde Synodalität bisweilen missverstanden und ihr Potenzial nicht ausgeschöpft, so lautet eine Schlussfolgerung des Vortrags von Prälat Prof. Markus Graulich. Nicht erst vor dem Hintergrund der jüngsten Mahnung aus dem Vatikan an die deutschen Bischöfe, sich bei ihren Reformbestrebungen an das Kirchenrecht zu halten, stieß deshalb die Frage, was Synodalität eigentlich bedeutet und wie sie anderswo funktioniert, auf großes Interesse: Aus einem weiten Umkreis kamen Interessierte zu dem Vortrag, so dass im (synodal aufgestuhlten) Jeningenheim fast der Platz nicht reichte.

Perspektivenwechsel nötig

Gerade weil das Thema Reformen so viele Menschen nicht nur in Deutschland, sondern weltweit bewege, gelte es den Horizont zu weiten und einen Perspektivenwechsel zu ermöglichen, „den wir alle nötig haben“, sagte Stadtpfarrer Prof. Sven van Meegen einleitend. Denn „Lösungen“ von Problemen, die nur auf einer Perspektive beruhen, hätten eher das Potenzial zu polarisieren und zu spalten, als möglichst viele Menschen mitzunehmen. Als ausgewiesener Fachmann auf dem Gebiet der Kirchenrechtsgeschichte, der schon mehrere synodale Prozesse in verschiedenen Regionen der Welt begleitet hat, lud Prof. Markus Graulich zu einem solchen Perspektivenwechsel und Blick über den deutschen Tellerrand hinaus ein. Graulich ist Mitglied im Päpstlichen Rat für die Gesetzestexte und derzeit höchster deutscher Kurienmitarbeiter im Vatikan.

Immer ein Prozess

In Anlehnung an Papst Franziskus, für den der Kairos der Synodalität nicht Parlament und nicht Meinungsumfrage, sondern gegenseitiges Zuhörens und Hören auf den Heiligen Geist ist, sieht auch Graulich einen Zusammenhang „mit verschiedenen anderen Grundkategorien des kirchlichen Lebens […], ohne aber mit ihnen identisch zu sein“: dazu zähle Communio, die Gemeinschaft des Volkes Gottes, der Glaubenssinn der Gläubigen, die Mitverantwortung aller Gläubigen an der Sendung der Kirche mit ihrer gestuften Teilhabe an dieser Sendung sowie die Kollegialität der Bischöfe – aber „keiner dieser Begriffe schöpft aus, was Synodalität meint“.

Synodalität beinhalte die Beteiligung aller Glieder des Volkes Gottes auf der Grundlage der Taufe, aber auf verschiedenen Ebenen, und könne nicht abseits der hierarchischen Struktur der Kirche verstanden werden. Synodalität sei auch kein punktuelles Ereignis, „sondern immer ein Prozess: ein Prozess des Zuhörens, des Unterscheidens und des Entscheidens“.

Ekklesiologische Schieflage

Wie die Internationale Theologische Kommission in ihrem 2018 erschienenen Dokument zur Synodalität herausgestellt hat, drücke „die synodale Dimension der Kirche […] die Rolle aller Getauften als aktiv Tätige aus und gleichzeitig die besondere Rolle des Bischofsamtes in der hierarchischen Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom“. Einfach ausgedrückt: „Alle werden gefragt, einige machen tiefere Überlegungen, einer entscheidet.“ Diese Form kirchlicher Konsultationen in synodalen Strukturen mit den Maßstäben des weltlichen Rechts messen zu wollen, hieße sie misszuverstehen, sagte Graulich.

Hier sieht der Kirchenrechtsexperte einen Knackpunkt des deutschen „Synodalen Weges“: Dass die Deutsche Bischofskonferenz und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken als politische Vertretung auf die gleiche Stufe gestellt würden, führe ekklesiologisch zu einer Schieflage. Auch sei in der Satzung, Geschäftsordnung und in der Praxis des Synodalen Wegs in Deutschland von dem in der Kirche geltenden synodalen Prinzip wenig übrig geblieben. Durch den Verzicht auf eine Approbation (Zulassung) der Satzung des Synodalen Wegs durch den Heiligen Stuhl – wie es etwa bei der Würzburger Synode (1971 bis 1975) der Fall war – seien Satzung und Geschäftsordnung des Synodalen Weges ohne wirkliche Rechtswirkung geblieben.

Im Vergleich mit Australien

Um diese deutschen Erfahrungen besser einordnen zu können, lenkte Graulich den Blick nach Australien, wo erst im Juli 2022 ein Plenarkonzil abgeschlossen wurde. Eine Gegenüberstellung sei auch deshalb erhellend, weil der Anstoß sehr ähnlich gewesen sei: die Aufdeckung von Missbrauch Minderjähriger durch Mitglieder der Kirche und die Frage nach den Schlussfolgerungen, wobei der zugrundeliegende Missbrauchsbericht in Australien umfassender und objektiver ausgefallen sei, so Graulich.

Anders als in Deutschland, das mit dem Synodalen Weg eine ganz eigene Form gewählt hat, habe sich die Kirche in Australien für ein Plenarkonzil entschieden, wie es im Kirchenrecht vorgesehen ist - mit weitreichenden Vollmachten. Während die Verantwortlichen in Australien in einen Dialog mit dem Heiligen Stuhl eingetreten seien, „um die Institution des Plenarkonzils den besonderen Erfordernissen der Zeit anzupassen und damit vor allen Dingen eine stärkere Einbindung der Laien zu ermöglichen“, hätten die deutschen Bischöfe das Angebot des Heiligen Stuhls nicht angenommen, eine mit dem Kirchenrecht kompatible Lösung zu finden. „Funfact am Rande“: Die Australier hätten sich bei der Erarbeitung ihrer Statuten ganz bewusst am Beispiel der Würzburger Synode orientiert, erklärte Graulich.

Kein Konsultationprozess

Noch auffälliger sei der Unterschied in der Beteiligung: „In Australien gab es einen weitreichenden Konsultationsprozess, der drei Jahre gedauert hat“ und in den sich ein Drittel der regelmäßigen Kirchgänger eingebracht habe – „ein relativ hoher Prozentsatz“. Erst nach diesem Prozess wurden die Themen der Versammlung festgelegt. In Deutschland habe es hingegen keinen Konsultationprozess gegeben, sondern die zu behandelnden Themen seien von der Deutschen Bischofskonferenz und dem Zentralkomitee festgelegt worden. Einige Vorschläge zur Ausweitung der Themen, die vor Beginn der Vollversammlungen gemacht wurden, etwa was die Herausforderungen durch Klimawandel und Ökologie für die Sendung der Kirche bedeuten, wurden nicht angenommen. Angesichts der großen Bedeutung, die dem Hören auf das Volk Gottes im synodalen Prozess beigemessen wird, „kann dieser Mangel nicht unbemerkt bleiben“, sagte der Referent.

Auch mit Blick auf den geplanten Synodalen Ausschuss und später Synodalen Rat äußerte sich Graulich zurückhaltend. Das Projekt sei mit der Lehre von der Kirche und der Rolle des Bischofsamtes des Zweiten Vatikanischen Konzils nicht vereinbar und bleibe auf lange Sicht „ein Wagnis mit offenem Ausgang“. Die unsichere Rechtslage, die schwierige Debattenkultur der Synodalversammlungen „und viele andere Faktoren lassen aber befürchten, dass der Synodale Weg nicht zu einer Erneuerung des Glaubenslebens führen wird, sondern in die Enttäuschung und dass das Bischofsamt daraus beschädigt hervorgeht“.

Große Meinungsvielfalt

Eine kurze Fragerunde zeugte von großem Interesse an dem Thema – und von großer Meinungsvielfalt im Volk Gottes: Geäußert wurde Enttäuschung, „aber nicht wegen der rechtlichen Strukturen, sondern weil die Bischöfe einen Maulkorb bekommen haben“, und dass Frauen nach dem Kirchenrecht von einer synodalen Entscheidungsebene ausgeschlossen sind; es gab den Hinweis, dass die Vereinigung der Räte auf Pfarrei- und Diözesanebene, die der Synodale Weg beschlossen und der Referent kritisch kommentiert hatte, doch schon seit 50 Jahren in der Diözese Rottenburg-Stuttgart gelebt werde.

Heilung für „diesen Scherbenhaufen“?

Andere Wortmeldungen wiesen auf demokratische Elemente in Ordensgemeinschaften hin, von denen man lernen könne, oder kritisierten, dass das ZdK eine politische Vertretung sei und das breite Kirchenvolk am Synodalen Weg gar nicht beteiligt habe. Ein Interessent wollte wissen, wie man „diesen Scherbenhaufen“ heilen kann. Es ging um vertane Chancen, weil man nicht miteinander geredet und viele Menschen nicht mit ins Boot genommen habe, und um das Versäumnis, Missbrauch gesamtgesellschaftlich zu betrachten. Es gab aber auch die Hoffnung, dass Impulse von der Weltsynode zur Synodalität auch in Deutschland fruchtbar werden, und dass eine Glaubenserneuerung gelingt, auch wenn in den Texten des Synodalen Wegs dazu wenig zu finden sei. Und last but not least könne es trotz allem zuversichtlich stimmen, wenn sich viele Menschen wie in Ellwangen auf den Weg machen, um über Synodalität zu lernen, und wenn sie damit gewissermaßen auch eine Antwort geben auf die Frage: Wie gelingt Synodalität.

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