72-Stunden-Aktion

Wir alle können einen Beitrag leisten

Bei der 72-Stunden-Aktion 2019 haben die Jugendlichen Insektenhotels gebaut. Foto: BDKJ Rottenburg-Stuttgart

In 72 Stunden Gutes tun: Im Interview erklärt Nadine Maier vom BDKJ was sich die Jugendlichen vorgenommen haben.

Vom 18. bis 21. April 2024 findet die bundesweite 72-Stunden-Aktion des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) und seiner Jugendverbände statt. Voraussichtlich bis zu 160.000 Kinder und Jugendliche werden ein soziales, politisches, ökologisches oder interreligiöses Projekt verwirklichen und zeigen, dass soziales Engagement Spaß macht und ansteckend sein kann. Die gesamte Diözese ist eingeladen, die Aktion mitzuverfolgen und zu unterstützen. Welche Erwartungen Nadine Maier vom BDKJ hat und welche Themen in diesem Jahr bei der Sozialaktion eine Rolle spielen, erzählt sie im Interview.

Frau Maier, die Welt ein Stücken besser machen. Geht das in 72h?

Das ist das Beeindruckendste an dieser Aktion. Am Anfang denkt man immer, wie sollen wir das schaffen? Auch mit Blick auf die Welt, Kirche und die Gesellschaft, die ganzen Herausforderungen. Diese Erfahrung, dass wenn alle gemeinsam anpacken, so viel möglich ist und am Ende das Gefühl entsteht: Wow! Wir haben das geschafft. Das ist eine großartige Erfahrung für die Kinder Jugendlichen und ein Zeichen für die Gesellschaft.

Wann gab es die Aktion zum ersten Mal?

Bereits in den 90er Jahren haben sich Kinder und Jugendliche zusammengefunden. Sicher belegen lässt sich die Aktion des KJLB Landesverband Oldenburg vom 20.-23. Mai 1993. Im November 1996 führte dann der BDKJ Paderborn eine Sozialaktion unter dem Leitwort „50 Stunden ohne Kompromisse“ durch, die wenig später in 72 Stunden umgewandelt wurde. So entstand dann auch der Name 72-Stunden-Aktion.

Gibt es die Aktion nur in Deutschland? Was ist der Grundgedanke?

Wir haben Gruppen in der Schweiz und Österreich. 2019 waren auch Aktionsgruppen aus Südamerika mit dabei. Die Idee dahinter ist, in kurzer Zeit zu zeigen, wie sich junge Menschen engagieren und wie viel sie verändern können. Und die Welt ein bisschen besser zu machen, das erklärt sich von selbst.

Zur Person

Nadine Maier ist 1985 geboren, in Bad Walchsee aufgewachsen und hat in Tübingen und Rom Theologie studiert. Sie arbeitet seit 2013 als Pastoralreferentin. Seit 2019 ist sie als Diözesanjugendseelsorgerin beim Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) und beim Bischöflichen Jugendamt (BJA) für den Bereich der Kinder- und Jugendarbeit in der Diözese Rottenburg-Stuttgart verantwortlich. Dort versucht sie gemeinsam mit vielen ehrenamtlichen Engagierten in den Jugendverbänden und hauptberuflichen Kolleg:innen Räume für junge Menschen zu schaffen, in denen sie sich ausprobieren können und erfahren, dass sie einen Unterschied machen.

 

Wer kann alles mitmachen?

Mitmachen können grundsätzlich alle interessierten jungen Menschen. Der Großteil der teilnehmenden Gruppen ist aus dem Umfeld der katholischen Jugendarbeit. Aber wir haben auch zum Beispiel eine Jugendfeuerwehr oder ökumenische Gruppen oder evangelische Gruppen dabei. Jede und jeder kann mitmachen.

2019 war die letzte größere Aktion. Wie viele haben sich damals engagiert?

Bei uns in der Diözese haben an der letzten Aktion 2019 ca. 300 Gruppen und 8000 junge Menschen teilgenommen.  

Wie waren die Reaktionen?

Die Reaktionen waren durchweg positiv. Uns hat es sehr geholfen, dass die Aktion im Radio vom SWR begleitet wurde. Oft kommen Menschen einfach dazu. Viele Eltern helfen mit. Es gab auch schon den Fall, dass ein Bauunternehmer aus dem Dorf mit seinem Bagger vorbeikam und kurz geholfen hat.

Was ist von 2019 übriggeblieben?

Es ist für die Gruppen immer ein Motivationsschub, wenn sie merken, dass ihre Projekte nachhaltig sind und über die Aktion hinauswirken. Insektenhotels waren der Renner. Davon gibt es noch viele. Aber es gibt jedes Mal auch Projektgruppen, die sich um den Garten eines Kindergartens kümmern oder den Schulhof verschönern. Dann gibt es immer viele Begegnungsprojekte, durch die Kontakte entstehen. Sie sind zwar nicht so sichtbar wie ein renoviertes Haus aber genauso wertvoll.

Viele Gruppen haben sicherlich schon ihre Themen eingereicht. Zeigen sich jetzt schon Unterschiede zu 2019? Bewegt die Jugend etwas anderes?

Es gibt unterschiedliche Arten von Projekten. Entweder denkt man sich ein Projekt selbst aus oder bekommt eines spontan. Sprich, die Gruppen wissen nicht, was sie tun müssen. Bisher wurden viele Bauprojekte und Begegnungsthemen eingereicht. Ich denke, es wird auch einige Gruppen geben, die die aktuelle gesellschaftliche Situation in den Blick nehmen werden und sich damit beispielsweise gegen Rechtsextremismus positionieren.

„Solidarität im Einsatz für andere“ – Wie kann die 72-Stunden-Aktion ein Zeichen setzen?

Zum einem nehmen wir konkret soziale Projekte in Blick. Also Projekte, die oft benachteiligte Menschen oder Geflüchtete betreffen, dazu gehört auch das Thema Inklusion. Themen, die die rechten Strömungen benutzen, um zu polarisieren, um deutlich zu machen, die Menschen gehören nicht dazu. Und genau dagegen kann die 72-Stunden-Aktion ein Zeichen setzen. Ich finde die Aktion zeigt, dass wir zusammengehören und das wir gemeinsam schauen müssen, wie wir die Gesellschaft gestalten. Wir alle können dazu einen Beitrag leisten.

Warum lassen sich so viele Menschen von den rechten Parteien beeinflussen?

Ein wichtiger Faktor der Menschen, die rechts wählen, ist dieses Ohnmachtsgefühl. Dieses Gefühl, dass wir nichts dazu beitragen können und wir zwar jemanden wählen können, der uns etwas verspricht, aber es am Ende wahrscheinlich nicht eingelöst wird.

Und da setzt die Aktion an?

Die Erfahrung von Kindern und Jugendlichen, dass sie sich bei dieser Aktion konkret einbringen und etwas verändern können, ist extrem wichtig. Sie merken, dass sie Teil der Gesellschaft und Teil dieser Demokratie sind. Zudem ist es nach außen ein riesiges Hoffnungszeichen. Weil zu sehen ist, dass so viele Menschen sich gemeinsam für eine bessere Welt einsetzen.

Wie viele Gruppen haben sich bisher angemeldet?

Wir rechnen mit circa 250 Gruppen und bis zu 7000 Teilnehmenden für die Diözese und mit über 500 Gruppen in ganz Baden-Württemberg.

Wie können Interessierte mitmachen?

Auf unserer Homepage gibt es eine Karte. Dort kann jeder sehen, wo Aktionen geplant sind. Jede und jeder kann sich bei den Gruppen melden und fragen, ob Hilfe gebraucht wird oder man spontan noch mitmachen kann.  Über das Bischöfliche Jugendamt und die Jugendreferate kann man sich ebenfalls informieren.

Was wünschen Sie sich für die diesjährige 72-Stunden-Aktion?

Natürlich gutes Wetter und dass wir alle gesund durch die Aktion kommen. Im Idealfall sind alle glücklich und zufrieden mit ihrem Projekt. Aber ich glaube, das was zwischen den Jugendlichen und Kindern in den 72 Stunden wächst, an Zusammengehörigkeit, an Vertrauen zur Gruppe und zu sich selbst, wie viel man geschafft hat, das ist am Ende viel wichtiger und wertvoller als jedes Insektenhotel. Diese Erfahrung wünsche ich allen Teilnehmenden.

„72h - Euch schickt der Himmel!“

Bei der 72-Stunden-Aktion engagieren sich Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene unter dem Motto „Uns schickt der Himmel“ 72 Stunden lang eigenverantwortlich und selbstorganisiert in einem sozialen Projekt. Der Grundgedanke der Solidarität im Einsatz für Andere und mit Anderen steht in diesen drei Tagen im Fokus.

Organisiert wird die 72-Stunden-Aktion vom Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), dem Dachverband von 17 katholischen Jugendverbänden in Deutschland. Seine wichtigste Aufgabe besteht in der Interessenvertretung seiner Mitglieder in Politik, Kirche und Gesellschaft. Über die 17 Jugendverbände sind rund 660.000 Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 7 und 28 Jahren organisiert. Damit ist der BDKJ einer der größten Jugendverbände im Deutschen Bundesjugendring (DBJR). In der Diözese Rottenburg-Stuttgart sind dem Dachverband sieben Jugendverbände angeschlossen. Diese erreichen mit ihren festen Gruppenangeboten jährlich 72.000 Kinder und Jugendliche.

Hauptunterstützer der Aktion sind das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, die Deutsche Bischofskonferenz, das Bischöfliche Hilfswerk Misereor und das Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken.

2019 hat die 72-Stunden-Aktion sogar einen Bambi verliehen bekommen – für das vorbildliche Engagement der jungen Menschen.

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