Corona

„Wir bleiben eine Dialogakademie“

Auf neue Formate setzt die Akademie unter der Leitung von Dr. Verena Wodtke-Werner während der Corona-Krise. Bild: Karin Ruider.

Direktorin Dr. Verena Wodtke-Werner spricht im Interview über die Corona-Pandemie und ihre Auswirkungen auf den Akademiebetrieb.

Seit mehr als zehn Jahren leitet Dr. Verena Wodtke-Werner als Direktorin die Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Die Theologin verantwortet damit neben dem inhaltlichen Profil und dem Veranstaltungsprogramm der Akademie auch die beiden Tagungshäusern in Weingarten und Stuttgart-Hohenheim. Auch die Akademiedirektorin muss sich durch die Corona-Pandemie ganz neuen Herausforderungen stellen. Im Interview spricht sie über ihre Zuversicht und die Chancen, die die neue Situation in sich birgt, aber auch über die Konsequenzen für die Tagungshäuser.

Frau Dr. Wodtke-Werner, wie Schulen, Museen und viele weitere Einrichtungen so musste auch die Akademie mit ihren beiden Tagungshäusern Mitte März innerhalb kürzester Zeit ihr Programm einstellen und die Türen schließen. Wie gehen Sie mit dieser Situation um?

Wodtke-Werner: Im meinem ersten Podcast mit Pater Klaus Mertes erwähnt er ganz am Rande ein Zitat des islamischen Mystikers Dschalal ad-Din Rumi: ‚Es gibt einen Ort jenseits von richtig und falsch. Dort treffen wir uns.‘ Dieses Zitat ist anregend und steht für mich sinnbildlich für die aktuelle Situation: Wir wissen derzeit nur bedingt, was richtig und was falsch ist. Wir probieren einiges aus und verlassen uns auf die Einschätzung von Experten.  Als Christinnen und Christen gehören wir aber einer Religion der Hoffnung an und das ist der Ort, aus dem wir leben und an dem wir uns treffen, auch wenn er noch in den Konturen unscharf ist. Das ist eine hoffnungsvolle Botschaft, die ein Kennzeichen des Christentums ist. Es ist vereinfacht gesagt die Einstellung, das Glas halbvoll zu sehen. Auch wenn wir alle sagen dürfen, dass wir momentan eine starke Verunsicherung verspüren. Wir versuchen, am Herkömmlichen festzuhalten, trauen uns noch nicht so ganz, Altbewährtes los zu lassen, und gleichzeitig stehen wir vor der riesigen Chance, neue Türen aufzumachen. Der Podcast, in dem dieses Zitat fällt, ist ein sehr gutes Beispiel dafür. Eigentlich gehen Pater Klaus Mertes und ich gelegentlich wandern und führen dabei Gespräche. Wegen der Pandemie ging das nur virtuell – und daraus entstanden ist unser Podcast. Zu Pfingsten werden wir eine weitere Folge dieses neuen Formats veröffentlichen.

Was hat sich konkret für den Betrieb und bei den internen Abläufen der Akademie verändert?

Wodtke-Werner: Die Akademie ist eine dialogische Einrichtung – das sieht man schon an ihrem Motto: Dialog und Gastfreundschaft. Wir können auf eine analoge Kommunikation nicht verzichten. Das merke ich bereits in der Abstimmung mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Wir benötigen dafür in Telefonkonferenzen sicherlich länger, als wenn wir uns einfach kurz zusammensetzen könnten.

Wir dürfen derzeit keine Veranstaltungen durchführen und wissen auch nicht, wann sich daran etwas ändert. Daher prüfen wir, welche Angebote wir aufs kommende Jahr verschieben und wo wir mit Referenten Audio- oder Videopodcasts zumindest als kleinen Ersatz anbieten können. Leider müssen wir aber auch mehrere Veranstaltungen absagen. Zudem planen wir im Hintergrund, wie wir Veranstaltungen in den kommenden Monaten unter Beachtung der Hygienevorschriften in kleinem Kreis anbieten können. Vielleicht sind Kombilösungen möglich: Einige Teilnehmende sind im Seminar vor Ort, die anderen nehmen an der gleichen Veranstaltung in Form eines Webinars teil. Ich vermute, dass diese Krisensituation eine grundsätzliche Veränderung mit sich bringen wird. Gleichwohl werden wir wieder eine Dialogakademie sein. Denn alle neuen Formate lassen nur begrenzt eine ganzheitliche Kommunikation zu. Das gilt insbesondere für Angebote, bei denen es auch darum geht, haptisch etwas zu vermitteln.

Die Akademie führt über ihre unterschiedlichen Fachbereiche die verschiedensten Wissenschaften zusammen. Sie steht ebenso für ethisch-gesellschaftliche und religiöse Themen wie für Naturwissenschaften und die Kunst. Wie positionieren Sie sich in all der Vielfalt der Akademie in der aktuellen Viruskrise?

Wodtke-Werner: Wir betrachten in der Akademie alle Themen immer sehr differenziert und haben daher keine einheitliche Message, die wir im Moment verbreiten. Man hört in den Medien aktuell wie Verschwörungstheorien rund um die Corona-Pandemie Blüten treiben. Vor allem im evangelikalen Raum in den USA wird das Virus als Folge eines strafenden Gottes dargestellt. Das ist absurd. Wir befassen uns in der Akademie mit allen Themen aus einem christlichen Bewusstsein heraus, sind dabei aber immer faktenbasiert. Unsere Inhalte müssen immer der Vernunft standhalten.

Was beschäftigt Sie in Bezug auf die Akademie aktuell am meisten?

Wodkte-Werner: Wenn ich an unsere Tagungshäuser und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort denke, die schon seit Wochen keine Beschäftigung haben, dann bedrückt mich das sehr. Die Tagungshäuser erwirtschaften die Personalkosten normalerweise ja komplett selbst und auch wenn die Mitarbeitenden keine Angst um ihre Arbeitsplätze haben müssen, so ist es doch schwierig, wenn man sich gerade jetzt weder sehen noch miteinander direkt sprechen kann. Unsere Mitarbeitervertretung macht dabei aber einen sehr guten Job. Die Kolleginnen haben eine Telefonhotline und eine spezielle Mailadresse eingerichtet. Gemeinsam möchten wir so zeigen, dass wir immer Ansprechpartner sind – auch unter den veränderten Umständen.

Online-Veranstaltung am 28. April

Risikoforscher spricht über die Viruskrise

Unter dem Motto „Von der Coronakrise zur mündigen Risikoeinschätzung“ analysiert der Risikoforscher Professor Ortwin Renn bei einer Online-Veranstaltung am 28. April die Welt-Krise. Start ist um 18 Uhr. Interessierte haben dabei auch die Möglichkeit zur Diskussion.   

Anmeldungen nimmt die Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart per E-Mail an wondratschek@akademie-rs.de entgegen. Mit der Anmeldebestätigung werden die Zugangsdaten zur Online-Veranstaltung zugesandt. Die Teilnahme ist kostenfrei.

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