Seelsorge

Wir sind Gottes Bodenpersonal

Mechthild Foldenauer von der Flughafenseelsorge im "Raum der Stille". Foto: DRS/ Nelly Swiebocki-Kisling

Im Raum der Stille sind Menschen aller Religionen und Nationalitäten willkommen. Foto: DRS/ Nelly Swiebocki-Kisling

Der "Raum der Stille" ist seit 25 Jahren ein zentraler Ort für die Dienste der Flughafen-Seelsorge. Die Kapelle steht Menschen aller Religionen offen.

Über den Köpfen der Reisenden am Flughafen Stuttgart startet gerade eine  Airbus A320. Ihr wuchtiger Körper verdrängt dabei so hohe Luftmassen, dass der entstandene Lärm auch vor der Drehtür in der Ankunftsebene von Terminal 3 ohrenbetäubend ist. Kaum wird das Gedröhn wieder erträglich, hält ein SUV mit quietschenden Reifen und lauter Radiomusik vor der Fassade des Flughafenterminals. Eine junge Familie läuft laut kreischend vor Glück dem abholenden Familienvater entgegen. Am Flughafen ist die Geräuschkulisse körperlich wahrnehmbar.

Im Terminal selbst geht der Lärm weiter. Reisende rufen nach ihren Verwandten, laute Durchsagen schallen durch die meterhohe Ankunftshalle, auf dem Indoor-Spielplatz übertönt der Krach von munteren Kleinkindern und tadelnden Eltern die gesamte Geräuschkulisse. Und aus der Spielhölle daneben ertönt ein ständiges Klimpern und Klingeln.

Beginnt hinter der Wand der Himmel?

Und plötzlich steht man vor der freistehenden Wolkenwand mit den drei großen gelben Worten „Beten, Stille, Andacht,“ die zur stillen Meditation und zum Gebet inmitten des Lärms einlädt. Beginnt dahinter der Himmel? Hinter der „Himmelspforte“ finden Menschen auf dem Flughafen Stuttgart auf der Suche nach Ruhe jedenfalls den „Raum der Stille“ – einem interreligiösen Gebetsraum für Reisende, Mitarbeiter und Menschen, die sich zum Gebet zurückziehen möchten. Kaum hat man die Tür geschlossen, scheint der Flughafen fern. Der „Raum der Stille“ macht seinem Namen alle Ehre.

Der Raum selbst ist wie eine kleine Kapelle eingerichtet, mit Altar, Tabernakel, Gebetsbücher für alle Religionen und in vielen Sprachen, sowie Gebetsteppiche und einer Linie auf dem Boden, die in Richtung Mekka weist. Die Kapelle wurde mit Inbetriebnahme des Terminal 3 auf Anregung der Flughafenverantwortlichen im Jahr 2004 eingerichtet. 8,4 Millionen Fluggäste gingen 2023 durch den Flughafen Stuttgart – für 2024 wird sogar mit 9,4 Millionen gerechnet.
 

Wir sind quasi die Bahnhofsmission vom Flughafen
Mechthild Foldenauer


Neben dem „Raum der Stille“ haben die zwei hauptamtlichen, ökumenischen Seelsorger Mechthild Foldenauer von der Diözese Rottenburg-Stuttgart und Matthias Hiller von der Evangelischen Landeskirche in Württemberg ihre Büros. Die beiden Kolleg:innen von der Flughafen-Seelsorge helfen den Menschen, wo immer sie gebraucht werden. Mechthild Foldenauer ist heute im Dienst.

Wer nimmt diesen Ort in Anspruch? Mit welchen Themen und Bedürfnissen kommen sie und was bietet der Raum?

Der Andachtsraum ist durchgehend geöffnet und unsere Angebote sind niederschwellig und werden rege genutzt. Muslime verrichten ihre Gebete, Reisegruppen und Einzelreisende nutzen den Raum. Wir bieten einmal wöchentlich mittwochs eine Mittagsandacht an – die „Unterbrechung im Alltag“, die unterschiedlich nachgefragt wird. Bibeln in allen Sprachen, Koran, Gebetsteppiche sind vor Ort. Alle Religionen und Nationen sind willkommen und schätzen das auch. Das können wir aus den Bemerkungen im Andachtsbuch ersehen. Und der „Raum der Stille“ wurde sowohl von den christlichen Kirchen als auch vom Imam und vom Rabbiner als Gebetsraum angenommen.

Kommen viele Menschen in den stillen Raum?

Mehr als man ahnt! Montags lege ich immer einen Stapel mit Reisesegen in den multireligiösen Raum aus. Bis Mitte der Woche sind die kleinen Kärtchen weg und ich lege neue aus. In der Adventszeit lege ich „Adventskalender to go“ aus. Auch diese werden in kürzester Zeit mitgenommen.
 


Es geht uns um einen menschenfreundlichen Flughafen!
Mechthild Foldenauer


Ihre Zielgruppe sind also Reisende?

Ja, aber auch Leute, die hier arbeiten, in den Check-ins, Taxis, in den Läden und  in der Security. Oft sind es Muslime, die sich an ihre Gebetszeiten halten müssen.  Das Personal am Flughafen nützt eher die Seelsorgegespräche. Sie sind im Arbeitsprozess und wollen kurz über ihre persönlichen Nöte und Sorgen sprechen, auch Themen aus dem Arbeitsplatz und Probleme mit Kolleg:innen. Ich mach hier meine Runden, frag die Mitarbeiter, wie es ihnen geht. Ich lasse mich regelmäßig blicken, ohne zu missionieren. Manchmal schickt uns auch der Betriebsrat des Flughafens Leute, denn ich habe hier auch den Auftrag der Betriebsseelsorge. Am Flughafen arbeiten ca. 10.000 Menschen, da sind wir auch als Betriebsseelsorger:innen gefragt.

Wer ist Ansprechpartner vor Ort?

Die Flughafenseelsorge verwaltet den Raum und koordiniert Anfragen. Zum Beispiel melden sich Pilgergruppen vorher bei uns und fragen an, ob sie zu einer bestimmten Uhrzeit einen Gottesdienst abhalten können. Reisegruppen fragen an und wollen (von uns) einen Reisesegen.

 

Unsere Maxime ist: Was willst Du, was ich Dir tue?
Mechthild Foldenauer


Gab es schon mal Grenzsituationen am Flughafen, bei denen die Seelsorge vor Ort wichtig war?

Wir hatten im vergangenen Jahr über 80 Einsätze bei denen wir als Notfallseelsorgerinnen gefragt waren. Evakuierungsflüge aus Rhodos und Israel, medizinische Notfälle im Terminal, medizinische Notlandungen, obdachlose Menschen, Todesfälle bei der Belegschaft. Gestern Abend erst ist eine afghanische Familie angereist und musste weiter nach Karlsruhe. Ein Ehrenamtlicher hat sich um sie gekümmert, damit sie eine Bahnfahrt bekommen. Seit der Busbahnhof an den Flughafen verlegt wurde, brauchen auch immer mehr Menschen, die von dort kommen oder mit dem Bus weiterreisen unsere Hilfe. Wir arbeiten auch sehr eng mit den anderen Stellen am Flughafen zusammen – mit den Terminal Operators und der Bundespolizei. Es gibt nichts, was es nicht gibt! Unterstützt werden wir in unserer Arbeit von derzeit 35 Ehrenamtlichen. Die Ehrenamtliche haben über 10.0000 Mal Hilfe geleistet.

Welche Voraussetzungen bringen die Ehrenamtlichen in der Flughafenseelsorge mit? Wie werden sie qualifiziert und was sind ihre Aufgaben?

Die Interessenten sollten mitten im Leben stehen und körperlich und geistig belastbar sein. Englischkenntnisse sind von Vorteil. Die Freiwilligen dürfen zuerst hospitieren, dann werden sie qualifiziert und am Anfang auch von uns Hauptamtlichen begleitet. Wenn sie eingearbeitet sind, sind sie – gekleidet in blauen Westen - Ansprechpartner für Passagiere und Besucher mitten im Geschehen des Flughafens und werden mit praktischen Fragen, wie nach dem Weg zu den Airlines, Toiletten oder Parkmöglichkeiten konfrontiert – bis hin zu existentiellen Fragen in Lebens- und Notsituationen. Oft müssen sie Passagiere über mehrere Stunden betreuen.

Sie sind auch Seelsorgerin in der Messe Stuttgart?

Genau! Auf der Messe bieten wir einen ruhigen Rückzugsort mitten im Trubel der Messen, direkt neben der Hauptbühne, als Kontrastprogramm zum Geschehen drumherum. Im „Forum der Kirchen“ können die Menschen Kaffee trinken, Gespräche führen oder einfach in Ruhe gelassen werden. Im „Raum der Stille“ bieten wir an Messetagen jeweils von 12:45 bis 13 Uhr eine „Atempause“. Unsere Messeseelsorge ist aber natürlich nur an den Messetagen da. Wir einen offenen Terminkalender, wo sich unsere Ehrenamtlichen für Flughafen oder Messe eintragen lassen können.

Wer ist Träger der Flughafen – und Messe-Seelsorge?

Die Personalkosten sowie die Reisekosten tragen die beiden Kirchen zu je einem Drittel. Das letzte Drittel trägt der Flughafen, bzw. die Messe.

Die Kapelle am Flughafen ist seit 25 Jahren ein zentraler Ort fü die Dienste der Flughafen-Seelsorge. Weitere Einblicke in die Flughafenseelsorge und die Messeseelsorge zeigt bald der Podcast „Kapellengespräche“. Alle veröffentlichten Folgen der 2. Staffel über die Kategorialseelsorge auf Soundcloud, Spotify, in der Audiothek und als Video auf Youtube.

 

 

 

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