347 Delegierte aus Kirchengemeinden, Verbänden, Gruppen und Orden waren auf Einladung der Reforminitiative pro concilio e. V. und der Aktionsgemeinschaft Rottenburg, einer Solidaritätsgruppe von Priestern und Diakonen, zum "Konzil von unten" in die Rottenburger Stadthalle gekommen. Das "Konzil von unten" hat zwar symbolischen Charakter und soll laut Initiatoren vor allem "ein Weckruf" sein. Die Forderungen, die in den vergangenen Jahren gemeinsam erarbeitet und am Samstag nun als "Rottenburger Manifest" verabschiedet wurden, sind derweil sehr konkret.
Die Delegierten fordern an erster Stelle ein neues Konzil der katholischen Weltkirche, das strukturelle wie inhaltliche Reformthemen aufgreift. Eine Forderung, die auch Bischof Dr. Gebhard Fürst unterstützt, der zur Verabschiedung des Manifests am Nachmittag in die Stadthalle gekommen war. "Wir sollten ein Konzil im Blick haben." Die heutige Situation erinnere ihn an die Zeit vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil, erzählte er. "Wochenlang sind wir damals vor dem Radio gesessen und haben den Kritikern zugehört und die Reformforderungen verfolgt."
Verständlichere Verkündigung, mehr Synodalität und der Zugang zu Weiheämtern
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der Diözese Rottenburg-Stuttgart fordern zudem, neue Wege und eine neue Vielfalt verständlicher und ansprechender Verkündigung sowie Freiheit für die theologische Wissenschaft. Sie wünschen sich mehr Synodalität und Basisbezug bei Entscheidungsprozessen, mehr Pluralismus innerhalb der Weltkirche, die Stärkung der Ortskirchen und eine Beteiligung bei der Besetzung von Bischofsämtern.
Zentrales Thema ist auch der Zugang zu Weiheämtern für alle Geschlechter. Diese sollen nicht auf zölibatäre Lebensformen beschränkt sein, heißt es in den Forderungen. Die kirchliche Sexualmoral solle sich in einem zeitgemäßen wissenschaftlichen Kontext an der Botschaft Jesu orientieren und Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung nicht diskriminieren. Auch wiederverheiratete Geschiedene sollen in voller Gemeinschaft mit der Kirche verbleiben. Nicht zuletzt gehe es auch darum, die Trennung zwischen den Kirchen zu überwinden und eine eucharistische Gastfreundschaft zuzulassen.
Bischof Fürst verwies unter anderem auf die bei der Vierten Synodalversammlung vor zwei Wochen beschlossenen Grundsatztexte, in denen viele der genannten Forderungen bereits bundesweit eingebracht worden seien. Zudem bat er die Delegierten, über all den großen Themen eines nicht aus dem Blick zu verlieren: die Generationengerechtigkeit. "Die Bewahrung der Schöpfung ist die größte Herausforderung, die die Welt uns gestellt hat." Wolfgang Kramer von der Initiative pro concilio dankte dem Bischof und versicherte, man werde das gerne aufnehmen.
Die Bedeutung der Glaubenskommunikation
Diözesanratssprecher Dr. Johannes Warmbrunn dankte den Initiatoren und Delegierten. "Ich nehme viel mit von heute und werde es in unsere Arbeit im Diözesanrat einbringen." Er dankte darüber hinaus Bischof Dr. Fürst für das gute Miteinander im Diözesanrat mit ihm und seinen Vorgängern seit über 50 Jahren. "Vielen ist nicht bewusst, dass die Diözesanräte in anderen Diözesen ausschließlich Katholikenräte sind, die überwiegend unter sich bleiben. In den Sitzungen unseres Diözesanrats Rottenburg-Stuttgart stellt sich der Bischof von der ersten bis zur letzten Minute der Diskussion und hört sich an, was gut und auch weniger gut läuft.“
Dies sei das bei uns seit Jahrzehnten bewährte Modell des synodalen Rats, das in Zukunft ausgebaut werden müsse. Mit Blick auf den ersten pastoralen Schwerpunkt betonte Warmbrunn auch die Bedeutung der Glaubenskommunikation. "Das ist für mich das Schwerpunktthema, mit dem wir uns beschäftigen müssen." Bei aller Wertschätzung der Reformthemen sei er sich sicher, dass die Abwendung von Glauben und Kirche sehr viel mit der unzureichenden Kommunikation über Gott und Glauben zu tun habe, so der Diözesanratssprecher.
Demonstrationszug zum Dom St. Martin
Birgit Kälberer von der Initiative pro concilio und Klaus Kempter von der Aktionsgemeinschaft Rottenburg überreichten Fürst und Warmbrunn das beschlossene und unterschriebene "Rottenburger Manifest". Das "Konzil von unten" endete hernach mit einem Demonstrationszug von der Stadthalle zum Dom St. Martin, einer großen Dom-Umarmung zum Zeichen "Wir sind in der Mitte der Kirche" und einem gemeinsamen Abschlussgottesdienst.