Umwelt

„Wir sind nur Treuhänder der Schöpfung“

Landwirt und Bischof gehen mit dem Blick zur Seite auf die Kühe durch den Futtergang des Bauernhofes.

Landwirtwirtschaftsmeister Gerold Mohr zeigt Bischof Dr. Gebhard Fürst (r.) seinen Milchviehbetrieb - Foto: DRS/Waggershauser

Bischof Gebhard Fürst besuchte einen Bauernhof im Allgäu und diskutierte über Welternährung und Biodiversität.

Darf man angesichts der Dürrekatastrophen und der wegen des Ukrainekriegs eingeschränkten Lieferungen noch Getreide zur Fleischproduktion an Tiere verfüttern oder gar Energie daraus gewinnen? Die Themen, die Bischof Gebhard Fürst am Mittwoch (5. Oktober) mit Vertreterinnen und Vertretern kirchlicher und weltlicher Organisationen und Verbände auf dem Land erörterte, waren komplex und herausfordernd. Anlass war ein von der „AG Land“ in der Diözese Rottenburg-Stuttgart vorbereitetes Treffen auf der Hofstelle der Familie Mohr in Gutermann bei Wangen-Leupolz.

Für Johannes Sauter, Biolandwirt aus Epfendorf bei Rottweil, kommt zuerst der Mensch, dann das Tier und erst danach die sonstige Nutzung.

„Wir haben jedoch kein Produktionsproblem, sondern ein Geldproblem.“

Das stellte der Vorsitzende des diözesanen Verbandes Katholisches Landvolk (VKL) fest. Es sei eigentlich genug Getreide für alle da. Doch auch wenn es mit der Verteilung klappen würde, könnten sich viele Menschen in Afrika die Nahrungsmittel bei den gestiegenen Preisen einfach nicht mehr leisten.

Zusammenhänge erkennen

Bischof Fürst erklärte am Beispiel von Kleinbauern in Tansania, die er vor einigen Jahren besucht hatte, die Hintergründe der Notlage in vielen Ländern des globalen Südens. Ursprünglich hätten die Menschen dort für alles, was sie zum Leben brauchen, Tiere gehalten und Pflanzen angebaut. Internationale Konzerne versprachen ihnen dann viele Arbeitsplätze, wenn sie ihre Ländereien für Sisal-Monokulturen verkaufen. Am Ende übernahmen große Maschinen die Ernte und die Weiterverarbeitung wurde ins billigere Asien ausgelagert. Die Gewinne schöpfe nun die westliche Welt ab und die Leute in Tansania gingen leer aus, erläuterte der Bischof.

Dazu komme die Klimakatastrophe. „Wir produzieren riesige CO2-Mengen, wodurch es woanders trocken wird“, bemerkte der Bischof und verwies auf die dadurch ausgelöste Flüchtlingswelle.  Mit Blick auf die zunehmende Weltbevölkerung ergänzte er: „Es geht uns selber an die Wolle, da dürfen wir uns nichts vormachen.“ Monica Settele vom K-Punkt Ländliche Entwicklung in Heiligkreuztal, die den Vormittag moderierte, sieht die Aufgabe der Kirche darin, auf diese Zusammenhänge aufmerksam zu machen. Im Gespräch mit Bischof Fürst schilderten die Gruppierungen und Verbände, was sie im Bereich Nachhaltigkeit bereits auf den Weg gebracht haben und wo sie Potenzial für die Zukunft sehen.

Verantwortlich handeln

Die Landfrauenvereinigung des Katholischen Deutschen Frauenbundes (KDFB) setzt auf Bildungsangebote, die zu bewusster Ernährung anregen. Ziel ist, die verbliebene kleinbäuerliche Landwirtschaft vor Ort und weltweit zu erhalten und zu stärken. Über Informationen hinaus will der K-Punkt die Leute zum Mitmachen motivieren, wobei auch der Spaßfaktor zu berücksichtigen sei. Nicht nur bei Nahrungsmitteln, sondern auch bei Kleidung und anderen Produkten fair und regional einzukaufen und zu konsumieren, schreibt sich die Katholische Landjugendbewegung (KLJB) auf die Fahnen und nimmt ihre Mitglieder in die Pflicht. Auch die diözesane Verwaltung und die Tagungshäuser haben seit Jahren die Nachhaltigkeit im Blick.

Ihren Bischof forderten die Verbände auf, für diese Themen und Zusammenhänge auch weiterhin in der Öffentlichkeit einzutreten und Position zu beziehen. Dass das Wort der Kirchen trotz des Eindrucks der zunehmenden Bedeutungslosigkeit in der Politik Gehör finde, schilderte Bischof Fürst am Beispiel von Papst Franziskus' Umwelt-Enzyklika „Laudato Si“. Er hatte sie in einem Ausschuss der Landesregierung zur Nachhaltigkeit vorgestellt und große Betroffenheit ausgelöst. „Unser Glaube hat viel mit der Schöpfung zu tun“, betonte Fürst.

Landwirtschaft nachhaltig betreiben

Vertreter der Politik, des Landwirtschaftsamtes und des Bauernverbandes im Kreis Ravensburg stießen am Nachmittag dazu und beteiligten sich an den Diskussionen. Bei einem Rundgang durch den Heumilch-Bauernhof, den seine Familie unter Mithilfe der Eltern betreibt, zeigte Gerold Mohr, wie er durch die Neuerungen der letzten Jahre zunehmend Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit verbindet. Das Melken und die Kraftfutterzuteilung übernimmt ein Roboter. Zu fressen bekommen die 80 Kühe keine Silage, sondern nur Gras im Sommer sowie Graspellets und Heu im Winter. Nach zwei Photovoltaik-Anlagen zur Stromgewinnung sorgt seit letztem Jahr eine Hackschnitzelheizung für die Trocknung des Heus und für Wärme im Wohnhaus.

Das Katholische Landvolk (VKL) schnitt auch das Thema Biodiversität an. Das entsprechende Gesetz der baden-württembergischen Landesregierung sorgte bereits im Vorfeld für Auseinandersetzungen zwischen Naturschützern und Landwirtschaft. Mit dem, was schließlich dabei herausgekommen ist, könnten die Verbände leben, wenn es in einem zweiten Schritt über die Landwirtschaft hinaus auch auf andere Bereiche ausgeweitet würde. Der Rückgang der Biomasse an Insekten ist für Bischof Fürst „nicht nur ein Verlust an Schnaken“. Neben der Bestäubung im Obstanbau hätten Insekten auch als Nahrung für Vögel und andere Tiere eine wichtige Funktion. Mit seiner Wiese der Nachhaltigkeit auf dem Dach seines Dienstsitzes in Rottenburg ging der Bischof bereits mit gutem Beispiel voran.

Schöpfung bewahren

Die katholische Landvolkshochschule Wernau-Leutkirch brachte einen Vorschlag ein, der für Deutschland im Moment nur eine Idee sei. Aber in anderen Ländern gebe es bereits Tagespflegeeinrichtungen auf Bauernhöfen. Das Platzangebot und die Tiere, die beispielsweise Demenzkranke stabilisieren können, bieten das Potenzial für eine Zusammenarbeit mit Pflegeeinrichtungen. Die Gespräche des Tages mündeten in einen Erntedankgottesdienst in der Heutrocknungshalle, den der Bischof mit Ortspfarrer Claus Blessing und zahlreichen Gläubigen aus der Region feierte. In seiner Predigt erinnerte Bischof Fürst:

„Wir sind nicht Herren der Schöpfung, sondern Treuhänder.“

Er warb darum, selbst verantwortlich zu handeln und die nachhaltige Landwirtschaft wertzuschätzen.

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