„In einer solchen Krise steht die Kirche in der Bewährung. Es ist wichtig, dass unsere Kirche in den Gemeinden, in den Kitas, bei der Sozialstation, im Hospiz, beim Caritasverband und in der Seelsorge nah bei den Menschen ist. Wir reduzieren physische Kontakte, nicht aber die soziale Achtsamkeit füreinander“, sagte Stadtdekan Christian Hermes in seiner Haushaltsrede. Zur Sprache kamen auch die finanziellen Auswirkungen: „Die Corona-Pandemie hat selbstverständlich auch massive Auswirkungen auf unsere ökonomische Situation und unsere Handlungsmöglichkeiten“, so Hermes. Die Tatsache, dass der Haushalt für 2021 etwa in derselben Größenordnung liege wie 2019, dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, dass es so nicht weitergehen werde.
Es ist der vorsichtigen Haushaltspolitik, intensiven Konsolidierungsbemühungen der vergangenen Jahre und der hohen Steuerkraft zu verdanken, dass das Stadtdekanat Stuttgart mit zunächst verkraftbaren finanziellen Blessuren durch das Jahr 2020 komme. Dennoch müsse man sich klarmachen, dass Einschnitte unvermeidbar seien. „Wir kennen die seit Jahren hohen Austrittszahlen und können annehmen, dass sie durch die Corona-Krise wie auch die jüngsten Skandale von dubiosen vatikanischen Vorgängen bis hin zu Skandalen in der deutschen Kirche, nicht sinken, sondern zunehmen werden“, sagte Stadtdekan Christian Hermes. Umso wichtiger sei es, vor Ort in Stuttgart, für die Menschen da zu sein und eine gute Arbeit zu machen. „Wir müssen alles tun, was uns möglich ist: pastoral und inhaltlich, indem wir zeitgemäße und den Bedürfnissen der Menschen entsprechende Angebote machen; strukturell, indem wir Standards von Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit einhalten und wirtschaftlich, indem wir mit den Beiträgen unserer Mitglieder und den Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, sinnvoll umgehen.“
Zu der Bewährungsprobe durch Corona gehöre es, dass sich unzählige Gruppen und Initiativen in den Gemeinden seit Monaten nicht mehr treffen können, dass die Kirchengemeinderatswahl nur als Briefwahl stattfinden konnte und sich die Gremien nur mit Mühe zusammenfinden können. Dennoch: „Wir haben im karitativen Bereich, in der Seelsorge, im Gottesdienst, in der geistlichen Begleitung ganz neue Wege gesucht und gefunden, um für die Menschen da zu sein. Und wir feiern Gottesdienste: verantwortlich und unter Beachtung aller Regeln des Infektionsschutzes, aber trotzdem so schön wie möglich.“, so der Stadtdekan.
Mit kreativen Angeboten auf die jungen Erwachsenen zugehen
Mit dieser Kreativität gelte es, als katholische Kirche in Stuttgart verstärkt auf die Gruppe der jungen Erwachsenen zuzugehen, da gerade diese es sind, die die Kirche verlassen. Das zeigen allein schon die Zahlen aus dem vergangenen Jahr. Von den 2700 Menschen, die aus der katholischen Kirche in Stuttgart ausgetreten sind, sind mehr als zwei Drittel zwischen 22 und 37 Jahre alt. Mit dem Einstieg in den Beruf und die Kirchensteuer kommt der Bruch mit der Kirche. Eine neue Profilstelle soll dazu beitragen, entsprechende Angebote zu entwickeln. „Auch die jungen Frauen und Männer am Beginn des Berufslebens müssen spüren, dass Kirche eine Relevanz für ihr Leben haben kann. Das tun sie aber nur, wenn wir entsprechende Angebote machen“, sagte Hermes.
Kriterien entwickeln, um die Wirksamkeit von pastoralen Angeboten zu messen
Zu der Bewährungsprobe gehöre es auch, sich auf finanzielle Einschnitte vorzubereiten. „Unsere investiven Spielräume gehen zurück, deshalb werden wir in den kommenden Jahren schwierige Diskussionen zu führen haben“, machte Stadtdekan Hermes deutlich. Aus dem auf lange Sicht schrumpfenden Haushalt müssen weiterhin die Gemeinden, ihre Aufgaben und ihr Gemeindeleben finanziert werden, zugleich aber auch die pastoralen Schwerpunktorte und Leuchttürme, die entstanden sind und noch entstehen und zu denen das Spirituelle Zentrum genauso gehört wie das Jugendpastorale Zentrum und die Jugendkirche, das geplante Zentrum für Trauerpastoral in Degerloch, aber auch die katholischen Waldheime und das Haus der Katholischen Kirche. Deshalb hält es der katholische Stadtdekan für wichtig, Kriterien zu entwickeln, mit denen die Wirkung und die Wirksamkeit pastoraler Angebote gemessen werden können. „Wir müssen uns zum Beispiel fragen: Was leisten wir mit den eingesetzten Mitteln? Welche Handlungsfelder tragen im Sinn des Evangeliums zum Heil von Menschen und zum Gemeinwohl der Gesellschaft wirklich bei? Wir müssen diese Diskussionen führen, so lange wir noch Spielräume haben.“
Die Eckdaten des kirchlichen Haushalts 2021
Der kirchliche Verwaltungshaushalt 2021 hat ein Volumen von 61 Millionen Euro (im Vergleich zu 62,7 Millionen Euro 2020), der Vermögenshaushalt liegt 2021 bei 9,7 Millionen Euro (im Vergleich zu 9,2 Millionen im Jahr 2020). Das Minus von 1,7 Millionen Euro im Volumen des Verwaltungshaushalts ist unter anderem auf eine Reduzierung der Kirchensteuerzuweisungen durch die Diözese zurückzuführen. Die Personalkosten für die 1500 bei der katholischen Kirche in Stuttgart Beschäftigten sowie die 250 Honorarkräfte machen mit etwa 57 Prozent den größten Anteil bei den Ausgaben im Verwaltungshaushalt des Stadtdekanats aus.
Höhere städtische Zuschüsse im Kita-Bereich für das nächste Jahr
Die Einnahmen im Verwaltungshaushalt speisen sich vor allem aus den Zuschüssen von Stadt, Land und Bund in Höhe von 29,8 Millionen Euro (im Vorjahr 23,1 Millionen) für die 65 katholischen Kindertagesstätten in Stuttgart mit insgesamt 185 Gruppen. Regina Neuhöfer, die Leiterin des katholischen Verwaltungszentrums, dankte der Stadt Stuttgart ausdrücklich für die Erhöhung der Betriebskostenförderung für die Kitas von 92,5 auf 95 Prozent. „Diese Beschlüsse tragen ohne Frage dazu bei, dass in Stuttgart eine Trägervielfalt existiert und Elternbeiträge vertretbar bleiben.“ Zusätzlich werden 2021 aus der Kirchensteuer 1,5 Millionen in den Betrieb der Kitas fließen und weitere 0,9 Millionen an Investitionen.
„Wir müssen unserer Liegenschaften hinterfragen“
Der Vermögenshaushalt umfasst im nächsten Jahr rund 9,7 Millionen Euro, aus denen Finanzierungsanteile des Stadtdekanats für größere Baumaßnahmen, wie der Neubau der Kirche St. Johannes Vianney in Mönchfeld, der Umbau der Nikolauskirche zur Jugend- und Gemeindekirche und die Baumaßnahmen für das Zentrum für Trauerpastoral in Degerloch geleistet werden. Zudem werden über den Vermögenshaushalt des Stadtdekanats Umbauten und Renovierungen etwa von Kirchen, Gemeindehäusern und Pfarrbüros in den Gemeinden mitfinanziert. Verwaltungschefin Regina Neuhöfer machte deutlich, dass viele Gebäude in den Gesamtkirchengemeinden sanierungsbedürftig sind, dass allerdings eine Vielzahl dieser Baumaßnahmen derzeit vom Stadtdekanat nicht finanziert werden können. „Wir müssen uns bewusstmachen, dass die kommenden Haushalte unter einem zunehmenden Finanzierungsdruck stehen werden.“ Die positive Entwicklung der Kirchensteuerzuweisungen der vergangenen Jahre werde sich nicht fortsetzen. Ihr Fazit daraus lautet: „Wir müssen unseren Bestand an Liegenschaften kritisch hinterfragen und wo es möglich ist, auch reduzieren, um unsere Bedarfe mit den finanziellen Möglichkeiten in Einklang zu bringen.“