Dekanatstag

Wo Solidarität gefragt ist

Die SPD-Politikerin Leni Breymaier sprach beim Dekanatstag in Pfahlheim über "Solidarität 2.0". Foto: DRS/Jerabek

Die SPD-Politikerin Leni Breymaier sprach beim Dekanatstag in Pfahlheim über "Solidarität 2.0". Foto: DRS/Jerabek

Solidarität und wo sie sich in der Jetztzeit bewähren muss, stand im Mittelpunkt des Dekanatstags Ostalb. Es sprach Leni Breymaier.

Als „erschte Frau, die hier schwätza darf“, referierte die SPD-Bundestagsabgeordnete Leni Breymaier bei der traditionsreichen Veranstaltung, die früher Dekanatsmännertag hieß und heuer am Weltfrauentag stattfand, über „Solidarität 2.0“. Angesichts eines neuliberalen Klimas von Vereinzelung, das in den vergangenen drei Jahrzehnten propagiert worden sei und auch verfangen habe, gelte es, sich die Bedeutung von Solidarität für heute neu bewusst zu machen: „Solidarität und Geschwisterlichkeit ist der Kitt in dieser Gesellschaft“, betonte die Abgeordnete für den Wahlkreis Aalen-Heidenheim. Überall, wo sich einzelne für alle einsetzen, etwa bei Feuerwehr oder THW, werde praktische Solidarität sichtbar. Als allererstes seien jedoch die sozialen Sicherungssysteme zu nennen, die oft unter Beschuss stünden.

Rentensystem selbstbewusst verteidigen

So gelte es, das umlagefinanzierte Rentensystem selbstbewusst zu verteidigen: „Saget mir irgendwo ein besseres System wie dieses“, sagte Breymaier mit Blick auf Länder, die zu einem hohen Anteil oder gar ausschließlich auf private Vorsorge setzten und eine höhere Altersarmut hätten als Deutschland. Auch private Vorsorge sei letztlich nicht „demografiefester“ als die gesetzliche, denn jegliche Ansprüche, die man erwerbe und im Alter geltend mache – egal, ob gesetzlich, betrieblich oder privat, müsste die dann aktive Generation erarbeiten. „Lassen Sie uns die gesetzliche Vorsorge miteinander verteidigen und besser machen“, forderte die langjährige Gewerkschafterin und sprach sich für eine „Erwerbstätigenversicherung“ aus, in die alle einzahlen.

Ähnliches gelte für das Gesundheitssystem, das Breymaier als „das solidarische System schlechthin“ bezeichnete. „Die Jungen stehen für die Alten, die Gesunden für die Kranken und die Reichen für die Armen ein.“ Auch dieses „gute Prinzip“ gelte es zu verteidigen und weiterzuentwickeln, hin zu einer Bürgerversicherung für alle.

Soziales Versprechen hinzufügen

Als weiteren Bereich praktischer Solidarität nannte Breymaier die Flüchtlingshilfe, wo sowohl kurzfristige Lösungen nötig seien für das, „was grad los ist an der türkisch-griechischen Grenze,“ als auch langfristige Lösungen, „wie wir die Dinge in Europa gerechter verteilen“. Die Abgeordnete beklagte, es gehe gerade etwas kaputt in vielen Ländern Europas: Das Friedensversprechen Europas, mit dem ihre eigene Generation groß geworden ist, sei heute nicht mehr so präsent und reiche nicht mehr aus für den Zusammenhalt.

Einer Generation von 25-Jährigen in manchen südeuropäischen Ländern, von der die Hälfte arbeitslos ist, brauche man nichts vom Friedensversprechen Europas zu erzählen. Deshalb müsse man dem Friedensversprechen ein soziales Versprechen hinzufügen und zum Beispiel für Rahmenbedingungen sorgen, dass es überall in Europa eine Arbeitslosenversicherung und einen europäischen Mindestlohn gebe. Wenn es gelinge, Europa etwas solidarischer zu gestalten und mehr auf die Menschen zu schauen, könne es auch „gelingen, den Laden zusammenzuhalten“. „Nationalismus hat uns noch nie weitergebracht“, betonte Breymaier.

Mit Blick auf den Weltfrauentag forderte die SPD-Politikerin auch Solidarität mit Hunderttausenden Frauen, die im Zuge der „Liberalisierung“ der Prostitution durch die Schröder-Regierung und nach der EU-Osterweiterung Anfang des Jahrtausends ganz überwiegend gegen ihren Willen in Bordellen landeten. Deutschland sei das Zielland des europäischen Menschenhandels geworden, kritisierte sie. Breymaier würdigte die Arbeit der Menschenrechtsorganisation Solwodi für Frauen in Not und das „Ostalb-Bündnis gegen Menschenhandel und Zwangs-Prostitution“, zu dessen Unterstützern auch der Dekanatsrat des Dekanats Ostalb gehört.

Gelassenheit als Devise

Dem Vortrag und Gespräch mit Leni Breymaier im Gasthaus „Zum Grünen Baum“ in Pfahlheim ging eine Eucharistiefeier in St. Nikolaus voraus. Ausgehend von den Schrifttexten des Sonntags erinnerte der stellvertretende Dekan P. Jens Bartsch in seiner Predigt an den sehr menschlichen Wunsch und zugleich die Schwierigkeit, besondere Momente im Leben festzuhalten, sich gar erst bewusst zu machen. Zu oft sei man „gar nicht im Moment, im Jetzt, im Heute“, sondern „im Nachher, im Morgen, im Übermorgen“.

Um das Heute (wieder) in den Fokus zu nehmen, empfahl P. Bartsch die berühmten „Gebote der Gelassenheit“ von Papst Johannes XXIII. Diese beginnen mit den Worten „Nur für heute“ und nehmen jeweils ein besonderes Thema – etwa Vertrauen, Mut oder Überwinden – in den Blick. Gelassen, aber ernst die Dinge zu betrachten, sei nicht nur angesichts der „Corona-Hysterie“ angesagt, sondern vor allem im Alltag eine gute Devise. Mit der Anregung, in dieser Weise der österlichen Bußzeit einen besonderen Akzent zu geben, der nicht Verzicht, sondern ein Mehr bedeute, gab der Redemptoristenpater dem Dekanatstag einen geistlichen Rahmen und ein Fundament für weiteres Nachdenken und Handeln.

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