Bischof

Wo wir füreinander eintreten, da ist Gott mit uns

Die Predigt von Bischof Dr. Gebhard Fürst zum Weihnachtsfest am 25. Dezember 2020 im Dom St. Martin zu Rottenburg.

Liebe Schwestern und Brüder,

SO ein Weihnachtsfest haben wir noch nie erlebt. Wir werden es nicht vergessen: hoffentlich nicht. Denn das Erleben von Weihnachten im Jahr der Coronapandemie erschließt uns die heilsame Wahrheit über unser menschliches Leben und Zusammenleben.

Wir müssen zur Zeit nicht nur Abstand halten und Masken tragen. Es heißt sogar: vermeidet Kontakte! Das trifft uns ins Mark. Wir sind ja alle auf Beziehungen angewiesen. Dies spüren wir ganz besonders an Weihnachten in Coronazeiten, wo der Kreis von Familienangehörigen und von Freunden, mit denen wir feiern können, eng wird und viele ausgeschlossen sind. Alleinsein und einsam bleiben, das schmerzt besonders in diesen Tagen.

Eines haben wir in diesen Zeiten schon heftiger als sonst erfahren: Menschen, die mit uns auf dem Weg sind, die mit uns gehen, die mit uns und für uns da sind, - sie sind unentbehrlich. Beziehungslosigkeit, Kontaktsperre, Einsamkeit machen krank. Wir vermissen andere, andere vermissen uns schmerzlich.

So erfahren wir, wovon wir eigentlich leben: nicht zuerst vom Wohlstand, nicht zuerst von Geld und Besitz. Nein, wir leben von zwischenmenschlichen Beziehung. Diese zutiefst menschliche Wahrheit spüren wir heute. Sie macht das Leben lebenswert wie sonst nichts. Wo Menschen uns fehlen, fehlt alles und ist alles verloren.

In diese Verlorenheiten hinein spricht die Weihnachtsbotschaft. Sie verkündet uns: Gott kommt herein in meine Menschenwelt, wo ich einsam bin und mich wie verloren fühle. Gott ist da, wenn alle uns verlassen haben. Da lebt und wirkt einer, der unsere Einsamkeit erlöst. Denn er bleibt bei uns.

Liebe Schwestern und Brüder!

Einer, der gar nicht an Gott glaubt, spricht doch die menschliche Sehnsucht aus, die er mit sich lebenslang herum trägt.

Er bekennt: Wenn Gott ein Mensch würde, dann würde ich ihn lieben. Wenn er von sich aus Beziehung zu mir aufnähme. Wenn Gott unser Fleisch und Blut annähme und das Leid auf sich nähme, das ich heute leide – wenn Gott für mich ein Mensch würde, dann würde ich ihn lieben.   - Was sich hier als große Sehnsucht ausdrückt, erfüllt sich im Weihnachtsereignis. Gott wird ein Mensch. Gott kümmert sich um mich … Er nimmt von sich aus eine Beziehung mit mir auf und teilt meine Not.

Weil Gott zu uns gekommen ist und bei uns bleibt und unsere Verlorenheiten teilt, können wir zu den Menschen gehen, bei ihnen sein und ihre Einsamkeit und Not teilen. Das ist die beste Medizin für uns alle. Zeigen wir durch unsere gelebte Mitmenschlichkeit, dass wir an diesen menschgewordenen, uns hautnah gegenwärtigen, mit uns leidenden Gott glauben. Wo wir das tun, da leben wir miteinander und füreinander erlöster und heiler.

Wo wir füreinander da sind und eintreten, da ist Gott mit uns und das Weihnachtsgeheimnis wirksam.  

Amen.

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