„Mit gefällt das ganz arg, das Miteinander, das Schwätzen“, sagt Gertrud Thalhofer. Soeben hat die rüstige Seniorin auf einer Bank Platz genommen, die hier eigentlich nicht hingehört und doch bestens hinpasst: das „Verschnaufbänkle“. Die Kirchenbank, die auf einem Grünstreifen am Wachtelweg im Ehinger Wohngebiet Wenzelstein steht, gehörte einst zu St. Martinus im Stadtteil Kirchen und macht seit ihrer Ausmusterung nun nochmals richtig „Karriere“: Auf dieser Bank soll Zeit sein zum Reden, Zuhören und „Über-Gott-und-die-Welt-sprechen“. Immer dienstags zwischen zehn und zwölf Uhr sind Gesprächspartner der Seelsorgeeinheit wie Diakon Roland Gaschler oder der Caritas vor Ort – und haben Zeit.
„Wie kommen wir zu den Menschen, wenn die Menschen nicht zur Kirche kommen? Darüber müssen wir uns Gedanken machen“, sagt Lucia Zimprich, Ehrenamtskoordinatorin in der Seelsorgeeinheit Ehingen-Stadt und Initiatorin des Projekts. Das „Verschnaufbänkle“ ist ein solcher Gedanke. „Es geht darum, den Menschen nahe zu sein und ihnen einen ‚Ort des Zuhörens‘ zu geben“, erklärt Zimprich. „Mit der mobilen Kirchenbank will sich Kirche an einem neuen Ort mitten in der Welt zu zeigen.“
Einfach mal gucken
An diesem Dienstag hat sich ein halbes Dutzend Frauen an der mobilen Kirchenbank eingefunden. Sie sitzen auf Klappstühlen, die die Mitarbeiter der Kirche im Halbkreis aufgestellt haben, und sprechen über Alltägliches, „was einem halt grad einfällt“, wie eine Besucherin sagt. Manche kennen sich aus der Kirchengemeinde oder aus dem Wohnviertel, andere haben in der Zeitung gelesen, dass hier die Bank steht – und wollen „einfach mal gucken“. Die meisten sind schon in der Woche zuvor hier gewesen, haben „g’schwätzt oder sind bloß g’hocket“, berichtet Gertrud Thalhofer.
Aus der „Bänkleszeit“ am Wachtelweg „ist ein toller Treffpunkt geworden“, freut sich Ehrenamtskoordinatorin Lucia Zimprich. Ob sich das Anliegen des Projekts, dass die Bänkleszeiten künftig von Ehrenamtlichen betreut werden, erreichen lässt, ist noch offen. „Wenn es einen Zeitpunkt gibt und einen Ort, an dem man sich trifft, braucht es nicht unbedingt eine Begleitung“, findet Benjamin Henn von der Caritas Ulm-Alb-Donau, einer der Organisatoren des „Verschnaufbänkles“. Henn ist Leiter des „QuartiersProjekts am Wenzelstein“. Mit ihrer Quartiersarbeit will die Caritas den über 5000 Menschen im Stadtteil ein offenes Ohr für Anliegen bieten und Netzwerke mit Nachbarn, Ehrenamtlichen und lokalen Einrichtungen pflegen. Zu den Angeboten zählt zum Beispiel ein Jugendtreff und das „Café Mama“.
An verschiedenen Orten
„Wir haben schon überlegt, wie wir die unkomplizierte Gesprächsmöglichkeit erhalten können“, sagt Henn. Denn eigentlich ist geplant, dass das „Verschnaufbänkle“ Anfang Oktober weiterzieht; es soll an verschiedenen Orten zum Einsatz kommen.
Im Juli stand es auf dem Friedhof. „Ich finde es spannend, was der Ort mit dem Bänkle macht“, erinnert sich Benjamin Henn. „Der Friedhof ist ein Ort, an dem man auch Bilanz zieht. Oft war in den Gesprächen viel Lebensgeschichte dabei.“ Es brauche natürlich Vertrauen, damit Menschen auch tiefergehende Fragen zur Sprache bringen, ergänzt Lucia Zimprich. „Die Fragen werden schon noch kommen, wenn wir länger zusammen sind“, meint eine Bänkle-Besucherin. Auf jeden Fall ist das Ehinger „Verschnaufbänkle“ eine Chance, nicht nur Menschen zusammenzubringen und verschnaufen zu lassen, sondern als Kirche mit einem hörenden Herzen auch das Antlitz Christi in der Welt zu zeigen.