"Ich bin tief betroffen über den Tod von Kardinal Karl-Josef Rauber", sagt Bischof Dr. Gebhard Fürst. "Er hat in den Jahren, die er in seinem Ruhestand in unserer Diözese lebte, vielfältig und auf beeindruckende Weise gewirkt. Er spendete das Sakrament der Firmung in unserer Diözese und war vor allem im Schönstattzentrum auf der Liebfrauenhöhe bei Rottenburg ein sehr geschätzter Seelsorger, auch bei vielen Pilgerinnen und Pilgern, die ihm dort begegneten."
Er habe ihn als theologisch umfassend gebildet, bescheiden und klug erlebt, so Fürst. "Sein tiefer Glaube verlieh ihm eine beeindruckende innere Ruhe und Gelassenheit. Besonders in Erinnerung bleiben wird uns sein feinsinniger Humor, der ihn bis in seine letzten Lebenstage prägte." Noch am Morgen seines Todestags, dem Fünften Fastensonntag, konnte er die Heilige Messe mitfeiern. "Dort hörte er im Evangelium die Worte Jesu: 'Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt.' Dieses Evangelium ist für Kardinal Rauber nun zum Geleitwort des Übergangs in das österliche Leben geworden."
Seinen Vorsätzen blieb Kardinal Rauber treu
Als Karl-Josef Rauber im hohen Alter unerwartet von Papst Franziskus mit dem Kardinalstitel geehrt wurde, änderte das im Leben des früheren Vatikan-Botschafters nichts. Der jahrzehntelang im diplomatischen Dienst stehende Priester blieb der überaus freundliche, zurückhaltende, humorvolle und bescheidene Mann, der er auch vorher war.
"Alles soll bleiben, wie es ist", sagte Rauber, als ihn Franziskus 2015 überraschend zum Kardinal erhoben hatte. Und keinesfalls wollte er sich regelmäßig zu politischen oder kirchenpolitischen Fragen zu Wort melden. Er fühlte sich "zu alt, um die Kirche mitzuregieren". Und er sah sich "weder als Wegweiser noch als drohenden Zeigefinger der Gesellschaft". Seinen Vorsätzen blieb Rauber konsequent treu.
Sie passten zu einem Mann, der sich und anderen riet, "die Dinge mit Humor und Gelassenheit" zu nehmen. Er wohnte öffentlich fast unbeachtet auf der Liebfrauenhöhe in Ergenzingen, einem Teilort der württembergischen Bischofsstadt Rottenburg in einem Haus mit rund 100 Schönstattschwestern. Mit ihnen feierte er Gottesdienst und hörte Beichte. Rauber lebte bescheiden in zwei Räumen, eine 5-Zimmer-Wohnung hatte er abgelehnt.
Abschiednehmen in Ergenzingen, Beerdigung in Rom
In den ersten Jahren nach der Kardinalsernennung half er in Württemberg noch in der Seelsorge aus und spendete jungen Menschen das Sakrament der Firmung. Doch in den vergangenen Jahren ließen seine Kräfte stark nach; eine Corona-Infektion im Vorjahr verschlechterte seinen Gesamtzustand weiter.
In der Kirche der Schönstattschwestern soll Rauber nun zunächst aufgebahrt werden, damit die Ordensfrauen von ihm Abschied nehmen können. Der Leichnam soll dann nach Rom überführt werden, damit der verstorbene Kardinal auf dem dortigen Friedhof Campo Santo bestattet werden kann. Dort ist auch das Grab seiner Eltern.
Ein Mann, der es mit dem römischen System nicht immer leicht hatte
Sollte Rauber die späte Kardinalserhebung als Wiedergutmachung verstanden haben - öffentlich anmerken ließ er sich das nie. Nicht immer hatte Rauber alles so erledigt, wie es sich Vorgesetzte wünschten. Daraus machte Rom wenig Hehl, und der Diplomat machte aus seinem Herzen auch keine Mördergrube, als er öffentlich erklärte, wer
ihn wo anschwärzte. So wurde viel darüber spekuliert, ob Franziskus bewusst einen Mann ehren wollte, der es mit dem römischen System nicht immer leicht hatte.
Pikant war vor allem Raubers erste Stelle als Botschafter in der Schweiz, wo es wegen des damaligen Churer Bischofs Wolfgang Haas regelrecht zu Verwerfungen zwischen Staat und Kirche kam. Die katholische Kirche in den Kantonen drehten Haas den Geldhahn zu und sabotierten seine Personalentscheidungen. Das Außenministerium in Bern schaltete sich wiederholt beim Vatikan ein und sah eine Störung des Religionsfriedens.
Auch die Schweizer Bischöfe sahen eine "beinahe ausweglose" Situation. Rauber sollte vermitteln, und er tat es. Der Vatikan aber versetzte ihn anschließend nach Ungarn, weil er wohl zu viel Verständnis für die rebellischen Schweizer aufgebracht hatte. Trotzdem wird Rauber der Plan für die heute noch geltende Lösung zugeschrieben, Haas zum Erzbischof von Liechtenstein hoch zu loben und ihn so aus der Schweizer Schusslinie zu bringen.
In Nürnberg geboren, in Mainz zum Priester geweiht
Rauber stammte aus Nürnberg, hatte in Mainz Theologie studiert und wurde dort 1959 zum Priester geweiht - weshalb er Mainz stets als seine geistige Heimat sah. Nach einer ersten Seelsorgetätigkeit in Nidda ging es für Rauber zum Studium nach Rom, wo er zeitgleich eine Diplomatenausbildung begann und im Staatssekretariat arbeitete. 1983 ernannte ihn Johannes Paul II. zum Bischof, er kam nach Uganda. Drei Jahre leitete Rauber die Päpstliche Diplomaten-Akademie, bevor es dann in die Schweiz ging.
Sehr erfreut zeigte sich Rauber über "die Öffnung der Kirche zu den Menschen" unter Franziskus. Auch dessen Leitungsstil sagte ihm zu. Früher seien Briefe aus Rom an den "hoch würdigsten Herrn Erzbischof" geschrieben worden, das Schreiben des Papstes zur Kardinalsernennung habe dem "lieben Mitbruder" gegolten. Eine Zugewandtheit, die Rauber schätzte - und die er selbst praktizierte.