Jubiläum

Zunächst Übernachtung für Frauen und Kinder

Ein frierender Mensch hält eine weiße Tasse mit dem Logo der Bahnhofsmission in seinen Händen.

Die Bahnhofsmission in Aulendorf ist seit 75 Jahren Körper- und Seelenwärmer - Foto: Bahnhofsmission/Werner Krüper

Vor 75 Jahren startete die Bahnhofsmission in Aulendorf in notvoller Zeit. Die Jubiläumsfeier wird in fünf Jahren nachgeholt.

Flüchtlinge und Ausgebombte, bisherige Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene kamen 1945 am Bahnknotenpunkt Aulendorf an. Kirche und Kommune gründeten in dieser Notzeit ein Übernachtungsheim für Frauen und Kinder, das am 2. Januar 1946 in Betrieb ging. Auch wenn die Jubiläumsfeierlichkeiten 2020 und 2021 coronabedingt ausfielen und beim 80-Jährigen nachgeholt werden sollen, gibt die Pressemitteilung der Bahnhofsmission Aulendorf spannende Einblicke in ihre Geschichte.

Europaweit litten die Menschen schon während des Krieges und der deutschen Besatzung größte Not. In der schwäbischen Provinz wurde das ganze Ausmaß des Elends erst mit dem Kriegsende und dem Zusammenbruch der Kriegswirtschaft offenbar. Nicht nur der materielle Verlust, auch die Angst vor den Besatzungsmächten, die Unsicherheit über die Zukunft und Sorge um die Angehörigen, die vermisst wurden oder krank waren, zehrten an Menschen.

Übernachtung auf der Straße

Am 24. April 1945 nahmen französische und marokkanische Soldaten Aulendorf ein. Am Bahnknoten kamen täglich Soldaten, Flüchtlinge und Ausgebombte an, ebenso bisherige Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter, Kriegsgefangene und Lagerinsassen. Wegen der kriegsbedingt zerstörten Infrastruktur und mangelnder Versorgung mit Kohlen, mussten massenhaft Durchreisende in Aulendorf übernachten. Gaststätten, Pensionen und Notquartiere waren in den ersten Monaten und Jahren immer voll. Manche Menschen schliefen anfangs sogar auf den Gehsteigen. Für Frauen und Kinder war die Situation besonders prekär.

Wohl auf Initiative des Aulendorfer Stadtpfarrers Hetzler trafen sich Verantwortliche von Kirche und Kommune am 1. September 1945 mit Margarete Mayer vom Katholischen Mädchenschutzverein, heute IN VIA mit Sitz in Stuttgart, um über die Gründung eines Übernachtungsheims für Frauen und Kinder zu sprechen. Schließlich wurde die gelernte Kinderkrankenschwester Adelheid Kellermann dazu eingestellt, um sich um den Aufbau und die Leitung des Heimes zu kümmern. Sie war somit auch die erste und langjährige Leiterin der Bahnhofsmission Aulendorf.

 

Start musste verschoben werden

Zwei Tage vor der geplanten Eröffnung am 2. November 1945 beschlagnahmte die französische Militärregierung die bereits eingerichteten Räume im Wirtschaftssaal des Brauhauses. Auf Intervention des Landrats konnten daraufhin im Post- und Telegraphenamt, dem ehemaligen NSDAP-Parteigebäude, ein kleiner Schlafsaal mit Stock- und Kinderbetten sowie ein Zimmer für Leitung und Küche eingerichtet werden.

Am 2. Januar 1946 wurde der Betrieb des Übernachtungsheimes aufgenommen, nachdem im Dezember die Räume renoviert und bereits zuvor Teppiche, Kochgeschirr, Möbel, Lebensmittel und Heizmaterial gespendet worden waren. In den ersten Monaten war der Schlafsaal ständig überfüllt. Teilweise schliefen die Untergebrachten im Sitzen. Eine kleine Holzbaracke am Bahnhof diente als Anlaufstelle für Neuankömmlinge. Vier katholische und drei evangelische Helferinnen waren dort im Einsatz. Bald musste eine zweite hauptamtliche Kraft eingestellt werden.

In Nöten ansprechbar bis heute

Neben der Versorgung kümmerten sich die Helferinnen um das gesundheitliche Befinden der Frauen und Kinder, die durch Mangelernährung und Krankheiten geschwächt waren, und vor allem auch um deren seelisches Wohlergehen nach sehr belastenden Erlebnissen. Im Laufe des Jahres 1946 etablierte sich auch die "klassische" Hilfe der Bahnhofsmission für Reisende am Gleis. Erst nach der Währungsreform 1948, als die Übernachtungszahlen deutlich zurückgingen, wurde das auch ihre vorrangige Aufgabe.

Im Laufe der Zeit rückten immer wieder neue Personengruppen in den Fokus: Schülerinnen und Schüler, sogenannte Gastarbeiter, Kurgäste, sozial Bedürftige, Spätaussiedelnde, DDR-Bürgerinnen und Bürger, Geflüchtete. Die Sorge um die materielle Not und das seelische Wohlbefinden der Menschen prägt bis heute die Arbeit der Bahnhofsmission, die im August 1956 einen neuen Raum am Bahnhof bezog - ihr Quartier bis heute.

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