Am 9. Juli wird Ivan Totić mit drei weiteren Diakonen durch Bischof Gebhard Fürst zum Priester geweiht. Einen Tag später feiert er Primizgottesdienst in St. Hedwig (Stuttgart-Möhringen). Sein Primizspruch „zur Freiheit berufen“ ist dem Galaterbrief entnommen. „Ich habe das Christentum als etwas Befreiendes erfahren. Zur Freiheit berufen heißt nicht, dass ich tun und lassen kann, was ich will. Die Berufung zur Freiheit ist unauflöslich gebunden an die Liebe zu Gott und den Menschen. Dort wo diese Liebe aufhört, hört auch Freiheit auf“, so der 28-Jährige.
In seiner Kindheit bekam Ivan Totić immer wieder zu hören, dass Religion etwas Einengendes, Schweres und Bedrückendes sei. „Mit den Jahren habe ich die Erfahrung gemacht, dass Glaube alles andere als einengt, sondern dass Glaube freimachen kann. Gott will uns in die Freiheit führen, nicht in die Knechtschaft“, ist sich der junge Mann sicher. „Für mich persönlich ist es etwas Befreiendes, dass ich nicht auf mich alleine angewiesen bin, sondern dass Gott mit uns ist und uns durch seinen Sohn erlöst hat.“ Ivan Totić entwickelte in seiner Jugend eine immer größere Freude für seinen Glauben. „Mir wurde klar, dass ich zur Freiheit berufen bin. Christsein heißt, ich gehöre aus Liebe und zur Liebe dazu.“ Auch im Zölibat sehe er keine Einschränkungen seiner Freiheit. „Dadurch werde ich frei für Gott und die Menschen, um dienen zu können.“
Aufgewachsen in der kroatischen Gemeinde von Stuttgart-Mitte
Ivan Totić wurde als ältestes von vier Kindern in Stuttgart geboren. Mit seinen drei Schwestern wuchs er in der Landeshauptstadt auf. Die kroatischsprachige katholische Gemeinde „Bl. Alojzije Stepinac“ (Stuttgart-Mitte) ist seine Heimatgemeinde. Während seiner Schulzeit war er dort in vielfältiger Weise engagiert, zum Beispiel als Ministrant und in der Folkloregruppe. Gottesdienste gehörten für ihn selbstverständlich zum Sonntag dazu: „Ich fand den Halt in der Gemeinschaft gut. Und ich fand es wichtig, in jedem Gottesdienst auch der Verstorbenen zu gedenken.“
Vom losen Gedanken zum starken Wunsch
Priester zu werden war für Ivan Totić zunächst ein loser Gedanke. An unterschiedlichen Orten hatte er Kontakt mit Priestern, die ihn begeisterten. Kurz vor dem Abitur wurde der Wunsch, sich in den Dienst der Kirche zu stellen, immer größer. Noch war es jedoch kein fester Entschluss. Er studierte Mathematik und Theologie und fuhr so zunächst zweigleisig. Später widmete er sich ganz der Theologie. „In dieser Zeit waren für mich mein Auslandsstudienjahr in der kroatischen Hafenstadt Split sowie meine Familie und Freunde, mit denen ich stets über alles reden konnte, wichtig“, erzählt Ivan Totić.
Diakonweihe am 27. Februar 2021 in St. Eberhard
Zusammen mit Nico Schmid wurde er am 27. Februar 2021 in seiner Heimatkirche St. Eberhard zum Diakon geweiht. Diesen Gottesdienst feierte auch Stadtdekan Christian Hermes mit. „Ivan habe ich schon vor Jahren über die Kroatische Gemeinde Stuttgart-Mitte und im Kontext von Nightfever als hochengagierten und schwungvollen jungen Katholiken kennengelernt. Als er mir erzählt hat, dass er Priester werden möchte, habe ich mich für ihn und für uns gefreut. Die kroatischen Gemeinden sind groß und lebendig. Viele sind dritte oder vierte Einwanderergeneration. Umso wichtiger ist es für sie und die vielen anderen muttersprachlichen Gemeinden, dass aus ihnen Berufungen zu geistlichen und pastoralen Berufen hervorgehen“, so der Stadtdekan. Nach der Weihe wirkte Ivan Totić als Diakon in der Seelsorgeeinheit Allmendingen im Dekanat Ehingen-Ulm: „Diese Zeit hat mich sehr geprägt, ich bin den Gemeinden für die Erfahrungen und dem Pastoralteam für das gute kollegiale Miteinander sehr dankbar.“
„Heimatprimiz“ in St. Hedwig
Das Wort „Heimatprimiz“ setzt Ivan Totić bewusst in Anführungszeichen. Seine Heimatkirche St. Eberhard wird derzeit renoviert. So hat er sich für die Kirche St. Hedwig entschieden, wo die kroatischsprachige Gemeinde ebenfalls regelmäßig Gottesdienst feiert. „Die Gemeinde ist Heimat, aber nicht der Kirchenraum.“ Es hat noch einen zweiten Grund, warum er die Anführungszeichen gewählt hat: „Ich hatte nie das Gefühl, dass das ‚unsere‘ Kirchen sind. Als muttersprachliche Gemeinde haben wir immer einen gewissen Gaststatus und deshalb muss für mich ‚Heimatprimiz‘ in Anführungszeichen bleiben.“
Beim Primizgottesdienst am Sonntag, 10. Juli um 15 Uhr, ist auch der kroatische Pfarrer Ivica Erceg dabei: „Ich möchte Ivan Totić auf den Weg geben, das Wort Gottes, das Evangelium, in seinem Herzen zu tragen, offene Augen und Ohren für die Menschen und Ereignisse um ihn herum zu haben und Entscheidungen in Übereinstimmung mit Gottes Wort zu treffen.“ Die Primizpredigt hält Christian Hermes: „Ich wünsche Ivan Totić, dass die Begeisterung und der Segen des Anfangs ihm erhalten bleiben, auch angesichts der schwierigen Situation unserer Kirche und unserer Welt.“ Im Evangelium geht es am Sonntag um das Gleichnis vom barmherzigen Samariter. „Es könnte ihm kein besseres Wort mit auf seinen Weg gegeben werden. Die Liebe zu Gott und zum Nächsten wie zu sich selbst – das ist für Jesus der Kern des Glaubens“, so der Stadtdekan.
Familie und Freunde fiebern und feiern mit
Priester zu werden und sein Leben in den Dienst der Kirche zu stellen, ist auch für Familie und Freunde keine alltägliche Situation. „Ich habe in der Familie und im Freundeskreis alle Reaktionen querbeet mitbekommen“, erinnert sich Ivan Totić. „Mein Vater war sehr gelassen und hatte immer die Einstellung: Mach, solange es nicht die schiefe Bahn ist. Meine Mutter war am Anfang skeptisch und hat dann aber alles ziemlich schnell mitgetragen.“ Seine älteste Schwester, mit der er in der kroatischen Volkstanzgruppe aktiv war, hingegen hatte die Entscheidung erahnt. Auch seine Freunde begleiten ihn auf seinem Weg. Sie wünschen sich bereits jetzt, dass er sie später einmal trauen wird oder ihre Kinder taufen wird.
Sprache, Glaube, Heimat
Bei Ivan Totić ist sein Glaube stark mit der kroatischen Sprache verbunden. „Ich erinnere mich nicht – außerhalb von Schulgottesdiensten – vor der 10. Klasse einen Gottesdienst in deutscher Sprache besucht zu haben. Die Leute, die mich im Glauben geprägt haben, haben kroatisch gesprochen“, so der angehende Priester, der sich im Studium viel mit Liturgiewissenschaft und Liturgiesprache beschäftigt hat. „Es war für mich völlig selbstverständlich, in der kroatischen Gemeinde die Erstkommunion und die Firmung zu empfangen.“ Für die Ausbildung zum Priester hat er sich jedoch für die Diözese Rottenburg-Stuttgart entschieden: „Auch ich bin ein Beziehungsmensch, ich brauche Familie und Freunde, mit denen ich den Weg gehe.“ Den Primizgottesdienst feiert er zum Großteil auf Kroatisch.
Primizen sind eine Seltenheit
Für die Kroatische Katholische Gemeinde in Stuttgart-Mitte ist es die zweite Primiz. Im Juni 2011 wurde Ivan Ante Rozić zum Priester geweiht. Dass nun ein weiteres Gemeindemitglied Priester wird, erfüllt die Gemeinde „Bl. Alojzije Stepinac“ mit Stolz. „Seit mehr als 60 Jahren wird die Seelsorge für kroatische Gläubige in Stuttgart von aus Kroatien stammenden Priestern geleistet. Deshalb sind wir besonders stolz, wenn wir sagen können: Unsere Gemeinde hat auch einen Priester geschenkt. Die Primiz ist immer ein besonderes und freudiges Ereignis für die ganze Gemeinde“, so Ivica Erceg.
Leben als Priester: So geht es für Ivan Totić weiter
Nach der Priesterweihe und der Primiz erhält Ivan Totić von Bischof Gebhard Fürst seine Weiheurkunde und erfährt, wo er nach den Sommerferien als Priester eingesetzt wird. Zunächst wird er als Sommervertretung in der Seelsorgeeinheit tätig sein, wo er bereits als Diakon gearbeitet hat. „In der Seelsorgeeinheit Allmendingen, in meinem gewohnten Umfeld, werde ich nun auch Eucharistie feiern, Beichte hören und die Krankensalbung spenden.“ Diese drei Sakramente sind dem Priester vorbehalten. Seine Vorstellung von sich als Priester: „Ich will versuchen, authentisch zu leben. Ich bin fest davon überzeugt, dass man das Christentum nicht nur mit Worten verkündet, sondern mit seinem ganzen Leben, seinem Tun.“ Die Priesterweihe und die Primiz sind für ihn der Beginn von ganz vielem Neuen und auch darin sieht Ivan Totić, dass er zur Freiheit berufen ist.