Begegnungsreise nach Rom

Frauen bewegen

Eine Synodale Kirche ist eine hörende Kirche

Am Mittwoch trafen sich die Frauen mit Mitgliedern der Kommission für Kinder- und Jugendschutz. Bischof Luis Manuel Alí Herrera und seine Mitarbeitenden Claudia Giampietro, Patricia Espinoza und Pater Jordi Puyol tauschten sich mit ihren Gästen aus Deutschland über das Thema Prävention und Schutz von Kindern und Jugendlichen innerhalb der kirchlichen Strukturen aus. Die Kommissionsmitglieder schilderten, dass Papst Franziskus sich dafür einsetze, dass gute Voraussetzungen geschaffen werden, Missbrauch aufzuarbeiten und den Kinder- und Jugendschutz zu stärken.

Die Arbeit der Kommission besteht darin, die Informationen zu Vorkommnissen, deren Aufarbeitung und Prävention aus allen Diözesen der Welt zu bündeln und diese jährlich dem Papst zu übergeben. Sie sind ansprechbar für Überlebende sexualisierter Gewalt und deren Angehörige. Hierzu wurden die Räumlichkeiten bewusst außerhalb des Vatikans gewählt, damit Betroffene sich beim Zugang nicht erklären müssen. Die Kommission sieht sich als Fürsprecher für Überlebende und versteht sich als Ort, wo Betroffene gehört werden, was im kanonischen Verfahren nicht vorgesehen ist. Ebenso ist die Kommission mit Vertretern der Bischofskonferenzen weltweit im Austausch. Aus den Ergebnissen entwickeln sie Vorschläge für Präventionsmaßnahmen auch in Bezug auf die strukturellen und systemischen Ursachen sexualisierter Gewalt in der katholischen Kirche.

Die Frauen aus Rottenburg-Stuttgart berichteten über die Präventionsarbeit ihrer Diözese sowie die unabhängige Kommission sexueller Missbrauch (KsM). Bischof Alí und seine Mitarbeitenden zeigten sich sehr interessiert an den Erzählungen und Erfahrungen der Frauen und luden Expert:innen der Diözese zum geplanten Austauschtreffen im November 2024 nach Rom ein.

Zum Abschluss ihrer Gespräche in Rom tauschten sich die Frauen mit Schwester Nathalie Becquard aus. Sie ist Untersekretärin der Weltsynode und zählt zu den einflussreichsten Frauen im Vatikan.

Mit Blick auf die im Oktober stattfindende Weltsynode war eines der zentralen Themen die Rolle der Frau in der Weltkirche. Unter dem Motto „eine Synodale Kirche ist eine hörende Kirche“ interessierte sich Becquart sehr für die Erfahrungen und Kompetenzen der Frauen aus Rottenburg-Stuttgart. Dabei zeigte sich im Gespräch auch, wie komplex, herausfordernd, vielfältig und bunt die Weltkirche und ihre Kulturen ist. Ebenso wurde nochmals deutlich, wie wichtig die Funktion Becquart bei der Weltsynode ist. Ihre leitende Position gibt ihr die Möglichkeit der aktiven Mitgestaltung und das aus weiblicher Perspektive.

Besuch der Basilika Santa Maria sopra Minerva

Weltsynode - Vatikan News - Diakonat der Frau

Am Dienstag besuchten die Frauen aus Rottenburg-Stuttgart die Internationale Union der Generaloberinnen (UISG). Dort trafen sie die Schwestern Patricia Murray IBVM, Maria Cimperman RSCT, Roxanne Schares SSND und Shalini Mulackal PBVM. Ausgehend von den Fragen der Frauen aus Deutschland an die Schwestern, entwickelte sich eine rege Diskussion darüber, welche Rolle die Vereinigung in der Weltsynode spielt, wie ihre Beziehung zur Kurie ist und ob sie bei bestimmten Fragestellungen mit ihren Kompetenzen einbezogen werden. Fünf Schwestern sind als Vertreterin in der Weltsynode. Zudem versuchen sie, dass möglichst viele Schwestern in den Dikasterien eine Arbeitsstelle finden, um dort ihre Kompetenzen einbringen zu können. Die Schwestern sind dabei nicht auf sich allein gestellt, vielmehr hätten sie ihre Orden hinter sich, die sie bei ihrer Arbeit ihre Frauenperspektive in einem patriarchalen System einzubringen, bestärken. Wichtig war den Schwestern der Aufbau und die Pflege von Beziehungen und das damit verbundene Vertrauen. „Wir brauchen Möglichkeiten uns auszutauschen, um die unterschiedlichen Perspektiven wahrzunehmen. Und wir müssen voneinander wissen, um dann eine gemeinsame Vision entwickeln zu können“, erklärte Schwester Patricia, die Exekutivsekretärin der UISG ist. Die Schwestern bestärkten die Frauen darin, ihre Geschichten als Frauen in der Kirche zu erzählen und so weltweit in den Austausch mit Christinnen zu gehen. Und damit aufzuzeigen, was bereits möglich ist. Besonders beeindruckt zeigten sich die Frauen aus Deutschland von den Schilderungen der indischen Schwester Shalini, die als feministische Theologin in die Priesterausbildung in Indien eingebunden war. Sie wünscht sich, dass sich Dienste und Ämter innerhalb der Kirche aufgrund von Berufung und Charismen wahrgenommen werden können und nicht aufgrund des Geschlecht, dazu zählen auch die Weiheämter. Motiviert und gestärkt von der Gastfreundschaft der Schwestern machten sich die Frauen auf den Weg zum nächsten Gespräch mit Gudrun Sailer von Vatican News.

Beim Treffen mit Gudrun Sailer erfuhren die Frauen viel über die Arbeit bei Vatikan News und wie wichtig es ist, Nachrichten Zielgruppen gerecht aufzubereiten – gerade in Zeiten von Fakenews und Desinformationen.

Am Nachmittag stand eine Begegnung mit Kardinal Walter Kasper auf dem Programm. Er erzählte von seiner Zeit als Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart und von seinen Erfahrungen mit der Kurie. Seit seiner Emeritierung schätze er die Begegnungen mit Besuchern aus Deutschland sehr, dadurch bleibe er weiterhin gut informiert. Er ermutigte die Frauen auch weiterhin im Austausch mit Rom zu bleiben. Darin sieht er auch ein Versäumnis des Synodalen Weges, denn es brauche mehr direkte Kommunikation mit Rom, um dort die Anliegen der deutschen Kirche zu vertreten. Auf Rückfragen der Frauen zum Diakonat der Frau und seinen früheren Aussagen, stellte er klar, dass für ihn das Diakonat der Frau theologisch möglich sei. In der Vergangenheit hatte er noch eine besondere Form des Diakonats gefordert, dass sich von dem der Männer unterscheidet. Zwischenzeitlich sehe er das anders.

Theologisch ist das Diakonat der Frau möglich. (Kardinal Walter Kasper)

Abschließend ermutigte er die Frauen: „Ich möchte euch Hoffnung machen. Es wächst mehr als man denkt, auch wenn man es nicht gleich sieht. Papst Franziskus hat Prozesse angestoßen, die vor 30 Jahren noch gar nicht denkbar gewesen wären. Deshalb machen Sie weiter. Auch in der Frauenfrage. Es gilt die Kunst des Möglichen.“ Es müsse heute schon umgesetzt werden, was möglich sei und da sei noch viel mehr möglich, so Kasper.

Gespräche im Dikasterium für Glaubenslehre und bei Caritas Internationalis

Austausch mit Monsignore John Josef Kennedy und Stephanie Mac Gillivray

Am Montagmorgen trafen sich die Frauen mit dem kürzlich zum Erzbischof ernannten irischen Geistlichen Monsignore John Josef Kennedy, der zweite Mann im Dikasterium für Glaubenslehre. Begleitet wurde Kennedy von seinem Mitarbeiter Dr. Manfred Bauer, der zunächst die Arbeit des Dikasteriums vorstellte.

Professorin Dr. Johanna Rahner fasste stellvertretend für die Frauengruppe deren Anliegen und Fragen zusammen. „Wir sind einerseits hier, um zuzuhören, was die einzelnen Dikasterien bewegt, andererseits möchten wir auch zeigen, welche Kompetenzen und Erfahrungen wir mitbringen“, erklärte Rahner. Wohlwissend, welche Privilegien Frauen in Deutschland gemessen an der Weltkirche haben, stelle sich die Frage, welche Vision der Zukunft es für Frauen in der katholischen Kirche geben kann. Und was die Kurie bereits für die Gleichberechtigung der Frauen in der Kirche tut. Eine weitere zentrale Frage war auch, wie die Kirche mit der Spannung zwischen Einheit und Vielfalt innerhalb der Weltkirche umgeht. 

Kennedy zeigte sich sehr offen und interessiert an den Anliegen der Frauen. Für ihn war es eine ganz neue Erfahrung in den Räumlichkeiten des Dikasteriums mit Frauen in Austausch zu gehen. An dem Konferenztisch spricht er üblicherweise nur mit Bischöfen. „Ich sehe hier 12 Frauen, die sich auf die Reise begeben haben, um sich in Rom mit verschiedenen Vertreter:innen auszutauschen. Frauen sind sensibler und haben wohl mehr Mut“, sagte Kennedy. Täglich hören er und seine Mitarbeitenden die unterschiedlichsten Probleme und Themen aus der Weltkirche. Und auch, wenn ihm bewusst sei, dass er keine Lösungen für Anliegen der 12 Frauen habe, so sei ihm wichtig miteinander zu sprechen, im Austausch zu sein, zuzuhören und zu verstehen. Er betonte, dass bei dem Gespräch mit den Frauen nicht die Probleme im Vordergrund standen, sondern sehr deutlich wurde, wie wichtig den Frauen ihr Glaube und die Zukunft ihrer Kirche sei. Dabei war Kennedy wichtig, dass jede Einzelne zu Wort kommen und ihre Erfahrungen und Kompetenzen ins Gespräch einbringen konnte – genau das war die Stärke des Gesprächs. Abschließend sprachen die Frauen Monsignore Kennedy eine Einladung nach Deutschland aus, was diesen sehr freute. „Es war ein offener und ehrlicher Austausch auf Augenhöhe, ohne Versprechungen und deshalb sehr bereichernd – offensichtlich für beide Seiten. Monsignore Kennedy schien betroffen von dem, was wir ihm erzählt haben“, resümierten Andrea Tanneberger und Claudia Friedrich im Anschluss an das Gespräch. Er schien verstanden zu haben, was wir ihm vermitteln wollten", ergänzte Gabriele Denner.

„Er schien verstanden zu haben, was wir ihm vermitteln wollten.“  (Gabriele Denner) 


Am Nachmittag tauschten sich die Frauen mit Stephanie MacGillivray aus. Sie ist leitende Mitarbeiterin bei Caritas Internationalis in Rom und dort verantwortlich für die Entwicklung weiblicher Führungskräfte. Das Gespräch war ein „Realitätscheck“, denn Caritas Internationalis ist weltweit vernetzt und hat die Möglichkeit Daten zur Situation von Frauen auf der ganzen Welt  zu erheben. Diese Daten stellt sie der Weltsynode zur Verfügung, ohne selbst daran teilnehmen zu können. MacGillivray sieht die Aufgabe von Caritas Internationalis darin, Frauen für Führungspositionen zu qualifizieren, sie zu bestärken und dort einzusetzen, wo es möglich sei, auch innerhalb der kirchliche Strukturen. 
Dabei betonte sie, sie arbeite nicht gegen die Kirche sondern in ihr und obwohl Teil des Systems sei sie unabhängig. Was sie macht, sei eine Botschaft für alle, speziell für die Kirche. 

Ein kurzer Besuch des Petersdoms durfte auch nicht fehlen

„Ad limina mal anders – Starke Frauen im Gespräch mit Rom“

12 starke Frauen der Diözese Rottenburg-Stuttgart begeben sich vom 15. bis 19. September auf eine Reise nach Rom.

Das Datum ist bewusst gewählt und liegt vor der 2. Runde der Weltsynode, die vom 2. bis 27. Oktober in Rom stattfindet. Die Frauen - in der Diözese Rottenburg-Stuttgart in unterschiedlichen Funktionen aktiv – möchten in dieser wichtigen Zeit mit verschiedenen Vertreter:innen der katholischen Weltkirche ins Gespräch kommen. Im Austausch mit Verantwortungsträger:innen vor Ort in Rom sollen Vorurteile abgebaut werden und Reformanliegen zur Sprache kommen. Im Gepäck haben die engagierten und begeisterten Frauen viele Fragen. Gleichzeitig ist es ihnen ein großes Anliegen, aufzuzeigen, was in der Diözese Rottenburg-Stuttgart bereits erreicht und konkret umgesetzt wurde.

Was den Frauen dabei wichtig ist? „Die Themen, die wir ansprechen werden, sind nicht neu, doch erhoffen wir uns, dass unsere Gesprächspartner offen für unsere Sichtweisen und Anliegen sind. Und den ein oder anderen interessanten Impuls mitnehmen, auch hinsichtlich der Weltsynode“, so der allgemeine Tenor.

Erste Station der Reise – ein Gespräch mit Monsignore John Joseph Kennedy, Sekretär der Disziplinarabteilung im Dikasterium für Glaubenslehre.