Geschichte
Typisch katholisch, typisch schwäbisch?!
Die Diözese Rottenburg-Stuttgart. Katholisch? Schwäbisch? Oder beides? Der Erklärfilm bringt die Entstehungsgeschichte der Diözese anschaulich, leicht verständlich und unterhaltsam näher. Die Diözese Rottenburg-Stuttgart ist eine relativ junge Diözese und ihre Entstehung ungewöhnlich. Gegründet 1828, weil der erste König Friedrich I. keinen "Nicht-Schwaben" als Bischof in seinem Herrschafstgebiet wollte. Wichtige Persönlichkeiten mit Unabhängigkeits- und Gerechtigkeitssinn folgen. Während der NS-Zeit haben Bischof Sproll und Staatspräsident Eugen Bolz Widerstand gegen die Staatsgewalt geleistet. Auch die Verwaltungsstruktur in der Diözese unterscheidet sich von anderen Diözesen. Sowohl auf Bistumsebene als auch in den Kirchengemeinden haben nicht nur Priester etwas zu sagen.
Eine Produktion der Fachstelle Medien anlässlich des Katholikentags in Stuttgart 2022.
Junge Diözese mit alter Tradition
Rottenburg-Stuttgart gehört mit dem Gründungsjahr 1828 eher zu den jüngeren Diözesen im deutschen Sprachraum. Doch Christen soll es schon im 6. Jahrhundert etwa in den römischen Vorläufersiedlungen von Rottweil und Rottenburg gegeben haben. Alemannische Goldblattkreuze, die den Toten beigelegt wurden, belegen dies. Bischof em. Dr. Gebhard Fürst trägt die Nachbildung einer solchen Grabbeigabe in seinem Brustkreuz.
Katholiken werden Württemberger
Vor Gründung der Diözese Rottenburg gehörten die Katholiken auf ihrem Gebiet zu den fünf Bistümern Konstanz, Speyer, Augsburg, Worms und Würzburg. In den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts erfolgte nach der Säkularisation und den napoleonischen Kriegen die Neuordnung der Katholischen Kirche im deutschen Südwesten und die Angleichung der Bistumsgrenzen an die der Länder. Mit der Erhebung vom Herzogtum zum Königreich hatte das evangelische Württemberg große traditionell katholische Landstriche hinzu erhalten. König Friedrich I. wünschte, dass kein auswärtiger Bischof auf seine nun knapp halbe Million katholischen Untertanen Zugriff habe.
Umzug von der Jagst an den Neckar
1812 errichtete er eigenmächtig in Ellwangen an der Jagst ein Generalvikariat mit der "Katholischen Landesuniversität". Die Stadt sollte Zentrum des katholischen "Neuwürttemberg" werden. Sein Sohn Wilhelm I. verwarf die konfessionelle Teilung des Landes. Er verlegte die Ellwanger Hochschule nach Tübingen und gliederte sie als Katholisch-Theologische Fakultät der Universität an. Das Generalvikariat zog ins nahe Rottenburg, um die Aufsicht über die Priesterausbildung zu gewährleisten. Das protestantische Stuttgart kam als Bischofssitz damals nicht in Betracht. Mit der Martinskirche und den ehemaligen Ordenshäusern nebenan bot das einst vorderösterreichische Rottenburg gute Voraussetzungen für die kirchliche Behörde. Viele haderten jedoch mit der Entscheidung, gerade angesichts repräsentativerer Gotteshäuser in Weingarten, Zwiefalten oder Neresheim.
Rottenburg wird Bischofssitz
Am 16. August 1821 wird die Diözese Rottenburg von Papst Pius VII. mit der Bulle „Provida Solersque“ förmlich errichtet. Als Gründungsdatum gilt jedoch die Inthronisation des ersten Bischofs am 20. Mai 1828. Nach einem anfänglich spannungsvollem Verhältnis zur württembergischen Regierung gewann die Diözese rasch Selbstbewusstsein und Profil. Neben den Bischöfen und den großen Glaubenszeugen prägten auch namhafte Theologen der Tübinger Schule wie Johann Sebastian Drey, Johann Adam Möhler und Johann Baptist Hirscher das Gesicht der Katholischen Kirche in Württemberg. Das gute Zusammenwirken von Priestern, Ordensleuten und „Laien“ gehört bis heute zu den charakteristischen Merkmalen der Diözese. Sie tragen in den Räten und Gremien verbindlich geregelt gemeinsame Verantwortung für die Pastoral, finanzielle und strukturelle Angelegenheiten.
Bekennerbischof Joannes Baptista Sproll
Am 3. Oktober 1943 weihte Joannes Baptista Sproll die Diözese Rottenburg der Muttergottes. Daran erinnert eine Pietá, die Darstellung der trauernden Maria um ihrem toten vom Kreuz abgenommenen Sohn, die am Bischöflichen Palais aufgestellt wurde und heute vor dem Bischofshaus steht.
Der Rottenburger Dom St. Martin erhielt 2008, 70 Jahre nach der Vertreibung Bischof Sprolls durch die Nationalsozialisten, eine Glocke, die dem Heiligen Martin geweiht und Bischof Sproll gewidmet ist. Name und Porträt des Bekennerbischofs sind in die Glocke eingraviert. Bischof Gebhard Fürst ist es ein großes Anliegen, das Andenken seines mutigen Vorgängers in der Diözese Rottenburg-Stuttgart stärker zu würdigen. Seiner Initiative ist es zu verdanken, dass 2011 das Seligsprechungsverfahren für den Glaubenszeugen Joannes Baptista Sproll eröffnet wurde.
Mit der Sanierung des Bischöflichen Ordinariats 2013 erhielt der siebte Bischof der Diözese eine Gedenkstätte hinter der Tür am Palais – damals auch Wohnsitz des Bischofs, durch die 1938 die Nationalsozialisten das Gebäude gestürmt hatten. Sie löst die Gedenktafel von 1983 an dieser Stelle ab.
Die Rottenburger Bischöfe von 1828 bis heute
Weihbischöfe - Generalvikare - Domdekane
Weihbischöfe1816-1828 Dr. Johann Baptist von Keller (1774-1845) | Generalvikare1852-1879 Dr. Anton von Oehler (1810-1879) | Domdekane1828-1862 Dr. Ignaz von Jaumann (1778-1862) |
Nach dem Vorbild des Heiligen Martin
Martin von Tours, dem die Kirche am Rottenburger Marktplatz geweiht ist, wurde mit deren Erhebung zum Dom Patron der Diözese. Über achtzig Kirchen in Württemberg tragen den Namen des beliebten Heiligen. Dazu zählte auch die Sülchenkirche vor den Toren Rottenburgs, deren Ursprünge ins sechste Jahrhundert reichen und die heute als Grablege der Bischöfe dient. Mit der Verlegung des Stadtzentrums von dort Richtung Neckar ging auch das Patrozinium auf den jetzigen Dom über. Der Heilige Martin, an den am 11. November Spielszenen und Laternenumzüge erinnern, verkörpert in seiner Lebensgeschichte Nächstenliebe und überzeugende Glaubensverkündigung und ist damit ein großes Vorbild für die Katholiken in Württemberg.
Katholiken gewinnen in Stuttgart an Bedeutung
Zuwanderer im Zuge der Industrialisierung Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts, vor allem aber Heimatvertriebene nach dem Zweiten Weltkrieg ließen die Zahl der Katholiken in der Diözese sprunghaft ansteigen. Sie fanden besonders in protestantisch geprägten Gegenden ein neues Zuhause und veranlassten den Bau zahlreicher Kirchen. So gewann auch die Kirche im Ballungsraum Stuttgart größeres Gewicht. Um dieser Entwicklung gerecht zu werden und in der baden-württembergischen Landeshauptstadt präsent zu sein, erweiterte die Diözese 1978 im 150. Jahr ihres Bestehens den Namen in Rottenburg-Stuttgart und erhob die Eberhardskirche in der Stuttgarter Königstraße zur Konkathedrale. Seit 2001 nutzt der Bischof der Diözese das Haus der ehemaligen Jesuitenniederlassung Stella Maris als Stuttgarter Dienstsitz.
Heilige - Selige - Glaubenszeugen
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Geschichte der Diözese Rottenburg-Stuttgart
Nach rund zehnjähriger Arbeit liegt die rund 1.500 Seiten starke „Geschichte der Diözese Rottenburg-Stuttgart“ vor. "Renommierte Historiker beleuchten die Diözesangeschichte im Kontext der Geschichte des Südwestdeutschen Raums vom Anfang der Christianisierung bis in die Gegenwart", sagt Bischof Dr. Gebhard Fürst, Mitherausgeber Andreas Holzem verweist darauf, dass das Werk voller neuer Erkenntnisse ist.
Die wichtigste sei, dass die Geschichte der Diözese nicht erst mit ihrer Gründung beginnt. In den Büchern seien die neusten Forschungen über Mittelalter, Reformation und Frühe Neuzeit im deutschen Südwesten integriert. “Weite Phasen der Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts sind so auf Grundlage von bislang unpubliziertem Archivmaterial neu geschrieben worden.“ In den Fragestellungen des Autorenteams sei es beispielsweise darum gegangen, wie viel Raum und Bildung Mädchen und Frauen während der Weimarer Republik, in einer Zeit „überdehnter Männlichkeit“, zugestanden wurde oder darum, welche Versuche Bischof Sproll unternahm, mit den extrem antikatholischen Nationalsozialisten in Württemberg zurechtzukommen und woran er scheiterte. Mit Blick auf das Zweite Vatikanum werde die Frage aufgeworfen, wie eine schwäbische Provinzdiözese zu einem Teil der Weltkirche mit internationalen Projekten wurde.
Der erste Band beschreibt die Entstehung und Entwicklung des religiösen Raums im Südwesten und schlägt, ausgehend von der Christianisierung durch irische Mönche am Bodensee, den Bogen bis in die Kaiserzeit. Dabei verweist die Neuerscheinung auf Grabfunde bei der Rottenburger Sülchenkirche, die belegen, dass der Ort seit dem 6. Jahrhundert als christlicher Friedhof dient. Laut Bischof Fürst weisen diese Funde darauf hin, dass es dort in der Vorgeschichte Rottenburgs ein Missionszentrum und ein politischen Zentrum eines großen alemannischen und karolingischen Herrschaftsgebiets gab. Bedeutende Persönlichkeiten wie Abt Hatto von der Reichenau und der heilige Meinrad, der Gründer des Klosters Einsiedeln, seien dem dortigen Adelsgeschlecht entsprungen. Der zweite Band behandelt die Geschichte der Diözese inmitten der Katastrophen des 20. Jahrhunderts und endet mit einem Kapitel, in dem Bischof Fürst auf die Entwicklung der Ortskirche im 21. Jahrhundert blickt.
Andreas Holzem (Hg.) / Wolfgang Zimmermann (Hg.)
Geschichte der Diözese Rottenburg-Stuttgart
Band 1: Christentum im Südwesten bis 1800. Das 19. Jahrhundert
Band 2: Das 20. Jahrhundert
Im Auftrag des Geschichtsvereins der Diözese Rottenburg-Stuttgart
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1524 Seiten in zwei Bänden mit sehr zahlreichen, überwiegend farbigen Abbildungen, Plänen und Karten
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Glauben leben, Leben teilen - Katholisch in Württemberg
Der Blutritt von Weingarten, die Eine-Welt-Arbeit, Zentren der Begegnung, barocke Kirchen und zeitgenössisches Kunstschaffen: Schon diese wenigen Stichworte zeigen die Vielfalt der katholischen Kirche in Württemberg. Der reich illustrierte Band „Glauben leben, Leben teilen. Katholisch in Württemberg“ wirft den Blick auf Geschichte und Kultur der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Ihre regionalen Besonderheiten und die verschiedenen kirchlichen Bereiche werden abwechslungssreich und unterhaltsam dargestellt.
Den Auftakt des Buches bildet „Ein Tag in der Diözese Rottenburg-Stuttgart“. Er beginnt um Mitternacht mit der Geburt eines Kindes in der Bad Cannstatter Anna-Klinik und endet 23 Uhr damit, dass im Katholischen Hospiz St. Martin in Stuttgart eine Kerze für eine Verstorbene entzündet wird. Dazwischen entfalten sich reiches, buntes Leben und vielfältig sich artikulierender Glaube.
Der Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf zeichnet in seinem Beitrag die Geschichte des katholischen Bistums nach: Wie es nach der napoleonischen Neuordnung des deutschen Südwestens aus Teilen der Diözesen Konstanz, Augsburg, Würzburg, Worms und Speyer im Jahr 1828 auf dem Staatsgebiet des einstigen Königreichs Württemberg entstand und welche markanten Persönlichkeiten es prägten, etwa Carl Joseph von Hefele, Teilnehmer am Ersten Vatikanischen Konzil, oder Joannes Baptista Sproll, Bekennerbischof während des Dritten Reiches.
Der Journalist und ausgewiesene Württemberg-Kenner Helmut Engisch beschreibt eindrucksvoll, dass die südwestdeutsche Diözese mit ihren knapp zwei Millionen Katholiken kein monolithisches Gebilde ist. Hier leben Menschen unterschiedlicher Herkunft ihren Glauben. Dieser drückt sich in Stuttgart und im industriell geprägten Mittleren Neckarraum anders aus als auf der Schwäbischen Alb, im Nordschwarzwald oder am Oberen Neckar, in den teilweise noch traditionell gefärbten Gebieten von Oberschwaben und im württembergischen Allgäu, auf der Ostalb oder im Frankenland.
Der größte Abschnitt des Buches zeigt „Kirchliches Leben in der Diözese heute“: Seelsorge, Bildung und caritatives Handeln veranschaulichen, wie die katholischen Christen hier Antworten auf die Fragen ihrer Zeit suchen, um, wie es im Portrait des heutigen Bischofs Gebhard Fürst heißt, den Weg „von der Volkskirche zur missionarischen Kirche im Volk zu gestalten“.
Bischöfliches Ordinariat (Hg.)
Glauben leben, Leben teilen. Katholisch in Württemberg
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