Das vertriebene Dorf

Weitreichende Geschichte

Das Zusammenleben von Christen und Juden wäre in Rexingen „relativ harmonisch gewesen“,  sagt Heinz Högerle vom Verein "Ehemalige Synagoge Rexingen". Man lebte über viele Generationen zusammen. Die ersten Hinweise auf jüdisches Leben im Dorf reichen bis in das Jahr 1516 zurück.

Redakteur Frank Rebmann, der selbst aus Rexingen stammt, hat sich mit Heinz Högerle, Barbara Staudacher und Benedict von Bremen vom Verein "Ehemalige Synagoge Rexingen" auf Spurensuche begeben.

Die ehemalige Synagoge heute

Die Reichspogromnacht im Jahr 1938 war der Anfang vom Ende des jüdischen Lebens im Dorf Rexingen bei Horb am Neckar. Die Synagoge wurde zwar nie als Turn- oder Festhalle umfunktioniert, aber spätestens seit den Pogromen wurden die jüdischen Einwohner im gesamten Dritten Reich von den Nazis verfolgt.

Die ehemalige Synagoge wurde 1950 umgebaut. Seit 1952 ist sie eine evangelische Kirche. Mehr dazu erfahren Sie in der Bildergalerie.

Jüdisches Dorfleben in Rexingen

Nach der Reichstagswahl am 5. März 1933 kam die NSDAP an die Macht. Sie ließ direkt nach Ihrer Wahl eine Zählung der Jüdinnen und Juden durchführen. 1933 lebten in Rexingen 262 Menschen jüdischer Abstammung. Insgesamt bestand das Dorf aus ungefähr 1000 Einwohnerinnen und Einwohner. Der Anteil der jüdischen Gemeinde machte zu diesem Zeitpunkt also circa ein Viertel des Dorfes aus. Die Juden hatten sich vor allem im Unterdorf angesiedelt, rund um die Synagoge.

Die (scheinbar) uneinnehmbare Festung

Die bereits erwähnte letzte freie Reichstagswahl im März 1933, war die letzte Wahl, die die tatsächliche politische Stimmung in den einzelnen Orten abbildete. In Rexingen erhielt die NSDAP nur 16 Prozent der Stimmen. Rexingen war also keine Nazihochburg. Sie galt für die Nazis sogar vor `33 als „uneinnehmbare Festung“. Das Dorf hatte bis dahin einen gemeinsamen Gemeinderat und einen gemeinsamen Gesangsverein. Jüdische Männer waren auch in der Feuerwehr aktiv. Die jüdische Gemeinde war also gut integriert.

Die auseinandergerissene Familie

Das Hakenkreuz wurde 1945 abgeschlagen, bevor die Alliierten ins Dorf kamen. Es wurde, wie man im Video sehen konnte, durch ein Kreuz ersetzt.

Während einem Teil der jüdischen Gemeinde die Flucht gelang, wurden ungefähr 120 Rexinger Jüdinnen und Juden von den Nazis deportiert. Sie kamen in die Lager von Riga, Izbica und von Theresienstadt. Wie viele andere jüdische Familien, wurden auch die Fröhlichs regelrecht auseinandergerissen. Heute erinnern drei sogenannte Stolpersteine an das Schicksal der Familie. Stolpersteine sind ein Erinnerungsprojekt des Kölner Künstlers Gunter Demnig, das 1992 ins Leben gerufen wurde. Die Idee: dort, wo die deportierten Menschen ihren letzten selbst gewählten Wohnort hatten werden Steine aus Messing verlegt, die zeigen, wann sie von den Nazis ermordet wurden. Als Erinnerung, als Mahnmal und als Ersatz für den nirgends existierenden Grabstein. Die drei Stolpersteine für die Fröhlichs befinden sich in unmittelbarer Nähe zum Rexinger Schulhaus.

Der jüdische Friedhof

Es mag paradox klingen, aber die wohl größte Spur jüdischen Lebens in Rexingen ist der jüdische Friedhof, der 1760 angelegt wurde. Er liegt an einem Nordhang oberhalb des Dorfes.Die ersten Gräber stammen aus dem Jahr 1765, das letzte Grab ist von 1962. Das vorletzte Grab ist das von Hermann Lemberger. Lemberger flüchtete in die USA, aber da er kein Englisch konnte, ist er nach dem Tod seiner Frau nach Deutschland zurückgekehrt – nicht nach Rexingen, aber in die Nähe, nach Rottweil. Beerdigt wurde Lemberger 1961 wiederum in Rexingen.

Die gerettete Thorarolle

Zum Abschluss geht es noch einmal an den Ausgangspunkt zurück: Zur Reichspogromnacht von 1938, als auch die Rexinger Synagoge brannte. Während in dieser Nacht zahllose unmenschlichen Taten begangen wurden, ereignete sich in Rexingen zumindest eine kleine Geschichte, die etwas Hoffnung macht.

Der Verein „Ehemalige Synagoge Rexingen“

Seit der Gründung 1997 kümmert sich der Verein „Ehemalige Synagoge Rexingen“ um die Erinnerung und Dokumentation der jüdischen Geschichte Rexingens. Des Weiteren erstreckt sich die Arbeit auch auf die der sechs weiteren Horber Teilorte, die zum ehemaligen Rabbinat Mühringen/Horb gehörten. In den letzten Jahren konnte der Verein laut Heinz Högerle und Barbara Staudacher enge Beziehungen zu den Familien von Shavei Zion, zu Juden in Israel und in aller Welt aufbauen. Er kümmert sich außerdem um den Erhalt der ehemaligen Synagoge und des Judenfriedhofs in Rexingen, und um das Museum „Jüdischer Betsaal“ in Horb.

In genau diesem Museum läuft bis 11. Oktober eine Ausstellung. Das Thema: „Ausgrenzung, Raub, Vernichtung. NS-Akteure und Volksgemeinschaft gegen die Juden in Württemberg und Hohenzollern. 1933 bis 1945.“ Die erzwungene Aufgabe der jüdischen Verleger der Schwarzwälder Bürger-Zeitung in Rottweil wird ebenso wie die Schicksale jüdischer Viehhändler, Metzger, Ärzte, Rechtsanwälte und Textilhändler beschrieben.

Das Museum in der Fürstabt-Gerbert-Straße 2 in Horb ist jeweils samstags und sonntags von 14.00 bis 17.00 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei. Eine Mund-Nasen-Schutzmaske ist bei Besuch verpflichtend. Es gelten die Abstands- und Hygieneregeln.

Weitere Informationen und Hintergründe erhalten Sie auf der Website des Vereins.

Hier kommen Sie zum Onlineauftritt des Rexinger Themenwegs „Jüdische Geschichte“.