Wallfahrtskapelle Neusaß

Eigentümliches Ensemble

Eine Linde, ein Forsthaus und eine Kapelle bilden Neusaß oberhalb vom Kloster Schöntal. Historische Mutmaßungen, Geschichten und Erzählungen geben dem Ort seine ganz eigene Bedeutung.

Arkadius Guzy

Ziel vieler Wanderer

Sie mache einen Tagesausflug, sagt eine Wanderin. Auf einer Bank an der Kapelle legt sie eine kurze Rast ein, während ihre Begleitung noch einige Meter weiter zur Brunnengrotte gelaufen ist. Es sind nicht die einzigen Wanderer, die an diesem Sommertag an der Wallfahrtskirche Neusaß vorbeikommen. Denn nicht nur die beschauliche Lage macht sie zu einem sehenswerten Ort.

Legende über die Klostergründung

Auf das Jahr 1157 geht die erste urkundliche Erwähnung von Neusaß zurück. Der Überlieferung nach soll dort ein Kloster gegründet worden sein. Bevor es mit dem Bau richtig losging, soll es dann allerdings ins Tal verlegt worden sein – so entstand das Kloster Schöntal. Ob das alles stimmt, ist nicht gesichert. Es finden sich keine eindeutigen Belege wie beispielsweise Fundamentreste. Den historischen Nebel versucht eine Legende auf ihre Weise zu lichten: Als sich drei Mönche mit dem Stifter des Klosters an der Stelle, die für den Bau vorgesehen war, besprachen, soll ein Unbekannter hinzugekommen sein. Er wies die Versammelten auf das schöne Tal weiter unten hin.

Lange Wallfahrtstradition

Seit wann es eine Kapelle in Neusaß gibt, lässt sich ebenfalls nicht genau feststellen. Wie es in einem Heftchen zur Geschichte des Ortes heißt, stammt der erste Hinweis auf eine Wallfahrt aus dem Jahr 1395. Die Kapelle selbst zeigt spätgotische Züge.

Die Wallfahrtstradition hat sich bis heute gehalten. Zu Mariä Himmelfahrt im August findet ein großer Wallfahrtsgottesdienst mit vielen Gläubigen statt. In diesem Jahr fiel er wegen Corona allerdings aus. Auch das übliche Programm mit Andachten und Wallfahrtsgottesdiensten von Mai bis Oktober ließ sich nicht umsetzen.

Wichtiger Marktplatz

Aus der Wallfahrt soll sich ein Markt entwickelt haben. Er spielte sich auf einer Platzfläche in der Nähe der Kapelle ab. Wann genau die Anfänge des Marktes lagen, lässt sich nicht mit letzter Bestimmtheit sagen. Die Ursprünge werden aber auf das Ende des 14. Jahrhunderts datiert. König Wenzel soll mit seiner Erlaubnis die Märkte begründet haben. Dokumentationen gibt es erst in späteren Jahrhunderten. Ende des 19. Jahrhunderts fand dann der letzte Markt statt. „Zu den Märkten muss unheimlich viel los gewesen sein“, sagt Georg Scheuerlein.

Als ehemaliger Lehrer kennt Scheuerlein die Geschichte des Klosters Schöntal und von Neusaß gut. Etliche Führungen hat der 84-Jährige in den vergangenen Jahren insbesondere im Kloster abgehalten.

Unerschöpfliche Quelle

So weiß er, welche Besonderheiten es rund um die Wallfahrtskapelle Neusaß noch gibt: Ein paar Schritte nördlich der Kapelle findet sich am Rand eines Feldes das Heiligenbrünnle, ein als Grotte ausgestaltetes Brunnenhäuschen.

Die eigentliche Quellfassung liege einige Meter entfernt im Acker, erklärt Scheuerlein. Sie vereint mehrere Zuflüsse. „Selbst in trockenen Jahren ist die Quelle daher nie versiegt“, sagt Scheuerlein. So fließt das Wasser auch jetzt, an einem heißen Augusttag, in der Brunnengrotte im breiten Strahl aus dem Hahn in das Becken. 

Alte Fischweiher

In die Gewölbedecke ist ein Stein eingelassen, der durch seine Größe und sein Aussehen auffällt. Scheuerlein führt aus, was es der Erzählung nach damit auf sich hat: Wer seine Augen mit dem Wasser befeuchtet und zugleich den Stein berührt, dem soll es gegen Augenleiden helfen.

Es gibt aber nicht nur eine Quelle an der Kapelle, sondern auch einen Weiher – und weitere im Umfeld. Es ist einer der Fischteiche, die einst zum Kloster gehörten, wie Scheuerlein erklärt.

Mächtige Linde

Gegenüber der Kapelle steht ein früheres Forsthaus. Es stammt aus dem 18. Jahrhundert. Ein altes Wasch- und Backhaus mit einem Brunnentrog an der Seite ergänzt das Gebäudeensemble.

Südlich der Kapelle steht eine Linde. Ihr mittlerweile hohl gewordener Stamm misst mehr als acht Meter Umfang. Die Linde soll mehrere hundert Jahre alt sein. Es wird allgemein angenommen, dass ursprünglich drei Linden nahe beieinander gepflanzt worden waren – als Symbol für die Dreifaltigkeit. Die Stämme wuchsen dann im Laufe der Zeit zu einem zusammen.

Feste in der Baumkrone

In der Krone war in der Vergangenheit eine Plattform aufgebaut, berichtet Scheuerlein. Dort konnten die Menschen sich treffen und feiern. Große, alte Linden waren auf dem Lande dafür beliebt. In dem Heftchen zu Neusaß ist sogar ein Foto abgedruckt, auf dem die Konstruktion zu sehen ist, mit Menschen, die wie auf einer Aussichtsplattform darauf stehen. Ende der 1970er Jahre wurde das Bauwerk aus der Krone entfernt. Die Naturschutzbehörde versuchte damals mit verschiedenen Eingriffen die Linde für die Zukunft zu sichern.

Unter dem Blätterdach

Wer Neusaß besucht, schaut nicht nur in die Kapelle und die Brunnengrotte, sondern tritt auch gern unter das dichte und ausladende Blätterdach des Baums. Im Schatten der Linde stehen einige Bänke. Auch auf ihnen lässt sich gut Rast machen.

Anfahrt

Wer Neusaß direkt mit dem Auto ansteuert, orientiert sich am besten Richtung Neuhof. Von dem Weiler, der zu Schöntal gehört, ist es nicht weit bis zur Wallfahrtskapelle. Die Beschilderung führt zum Wanderparkplatz, der eine kurze Fußstrecke von der Kapelle entfernt liegt. Das Kirchlein ist tagsüber geöffnet. Wer ein größeres Ausflugserlebnis sucht, hält in Kloster Schöntal, besichtigt die Anlage und wandert nach Neusaß. Vom Kloster Schöntal bis zur Wallfahrtskapelle sind es rund zwei Kilometer, die je nach Kondition und Tempo in etwa 20 bis 30 Gehminuten zu schaffen sind. Auf dem Wanderpfad ist auch ein Abstecher zum Kreuzberg mit seiner Heiliggrabkapelle, einem barocken Bauwerk, möglich.

Einkehr und Übernachtung

Wer einen mehrtägigen Ausflug in die Region plant, dem bietet sich das Kloster Schöntal als Übernachtungsmöglichkeit an. Das Kloster Schöntal ist eines der Tagungshäuser der Diözese Rottenburg-Stuttgart.

Presse

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