Weiter Blick, offenes Herz

Die Ottilienkapelle in Horb am Neckar

Der Weg ist steil, aber er lohnt sich: Auf der Schütte, dem Hausberg von Horb am Neckar, liegt die Ottilienkapelle. Ein kleines Kirchle mit großer Geschichte an einem Platz, der Ruhe schenken und den Blick weiten kann.

Marike Schneck

Der steile Weg auf den Horber Hausberg

Nicht umsonst rühmt sich Horb, die Stadt mit der schönsten Stadtsilhouette Deutschlands zu sein. Hinter der mittelalterlichen Stadtmauer, den steilen Hanggärten in der Sommerhalde und der über alles thronenden Stiftskirche liegt groß und grün die Schütte. Oben stehen, wie zwei Wächter, das Schüttetürmle und die Ottilienkapelle.

Natürlich führt auch eine Straße auf die Schütte, sogar bis rauf zur Kolping-Hütte, an der alljährlich der große Sankt-Leonhards-Ritt endet und hernach ausgiebig gefeiert wird. Aber der steile Weg ist eindeutig der schönere. Auch, weil man sich den Aufstieg (selbst bei ordentlicher Kondition) ein wenig erkämpfen muss. Stufe um Stufe. Schritt um Schritt. Aber keine Angst: Es gibt ausreichend Möglichkeit zu verschnaufen. Der Weg ist nämlich ein Kreuzweg.

Ehrenamtliche haben den alten Kreuzweg wieder aufgebaut

15 aus Buntsandstein gehauene Stationen (neugotischer Stil) stehen hier und zeichnen den Leidensweg Jesu nach. Im Krieg war der Kreuzweg zerstört und Ende der 1980er-, Anfang der 1990er-Jahre mit Unterstützung der Kolpingfamilie und vieler Ehrenamtlicher wiederaufgebaut worden. Traditionell wird er in der Fastenzeit begangen und alljährlich gehen ihn Christen aus ganz Horb am Morgen des Karfreitags miteinander.

Kleine Glocke aus dem 16. Jahrhundert

Hat man es bis rauf auf die Schütte geschafft, darf man in der Ottilienkapelle die Glocke läuten. Wenn man mit Kindern unterwegs ist, kann das auf den letzten Metern nochmal ungeahnte Kräfte mobilisieren.

Ist der letzte Ton der kleinen Sydler-Sohn-Glocke (um 1530) verstummt, ist es Zeit innezuhalten.

Gemälde aus der berühmten Horber Bildhauerschule

Der barocke Altar mit dem Bild der „Dreimal wunderbaren Mutter“ stand einst in der Stiftskirche. Der Horber Kunstmaler und Bildhauer Wilhelm Klink hat das Bildnis 1935 gemalt. „Naturgetreu stellte Klink im unteren Teil des Altarbilds einen Bezug von Schönstatt und der Stadt Horb her“, erzählt Joachim Milles. Er ist gewählter Vorsitzender des Kirchengemeinderats Heilig Kreuz und im Vorstand der Horber Kolpingfamilie, deren Mitglieder sich seit vielen Jahren mit viel Herzblut um die Betreuung und Pflege der Ottilienkapelle kümmern.

Das Deckengemälde aus dem Jahr 1853 stellt die Dreifaltigkeit dar. Der Kunstmaler und Bildhauer Johann Nepomuk Meintel, Gründer der berühmten Horber Bildhauerschule, malte es in neoromanischem Stil in frischen Farben. „So wie sie heute noch zu sehen sind“, sagt Milles. Meintel war es übrigens auch, der den ausrangierten Altar damals für die Kapelle zurechtschreinerte. Aus seiner Bildhauerschule stammt auch das Hauptkreuz im neugotischen Stil.

Kleine Kapelle mit wechselvoller Geschichte

Die Geschichte der Ottilienkapelle reicht derweil bis ins Jahr 1431 zurück, wie sich über der Eingangstür lesen lässt. Das Gegenstück dieser Inschrift findet sich außen im Ostgiebel über einem großen, zugemauerten Fenster mit der Jahreszahl 1586. „Dies“, so Milles, „lässt darauf schließen, dass die Kapelle vergrößert wurde.“ Tatsächlich entwickelte sich die Ottilienkapelle zu einem vielbesuchten Wallfahrtsort. Auf älteren Stadtansichten ist zu sehen, dass einst sogar extra ein Langhaus angebaut worden war.

Mit der Aufklärung ging die österreichische Regierung (wie die Bischofsstadt Rottenburg gehörte Horb einst zu Vorderösterreich) unter Kaiser Josef II. energisch gegen das Wallfahrtswesen vor. Milles: „Am 30. Dezember 1789 wurde das Schüttekirchle für entbehrlich erklärt und geschlossen.“ Das Langhaus wurde abgebrochen. Der Glockenturm wurde entfernt. Der ausgeräumte Altarraum wurde sich selbst überlassen.

Erst im September 1851 wurde der Chorraum als Kapelle mit kleinem Glockenturm wiederaufgebaut und das Kirchlein am 1. September 1853 rekonziliert. „Dekan Holl“, erzählt Milles, „las damals die erste Heilige Messe.“ Nach einer umfassenden Renovierung in den Jahren 1989/1990 hängt in der Ottilienkapelle auch wieder eine Ottilie: Die Künstlerin Regina Baumhauer hat die Legende der Heiligen in Form eines Kreuzes gemalt und dargestellt. Wer mehr über die Heilige Ottilie, Schutzpatronin der Augenleidenden, erfahren will: Die Legende ist in der Horber Kapelle nachzulesen.

Ruhe, Demut und ein grandioser Blick über die Schwäbische Alb

Ist es die bezaubernde Schlichtheit der kleinen Kapelle? Die grandiose Rundumsicht über die Stadt hinweg zur Schwäbischen Alb? Die Ruhe? Die Demut, die man angesichts all dessen hier empfindet? Warum dieser Ort so ein besonderer ist, lässt sich schwer in Worte fassen. Vielleicht muss man das, vielleicht darf man das einfach als gegeben nehmen und sich daran erfreuen.

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Öffnungszeiten

Die Kapelle wird im Laufe des Morgens von Ehrenamtlichen der Horber Kolpingfamilie auf- und abends wieder abgeschlossen. Genaue Öffnungszeiten gibt es daher nicht. Aber wer morgens schon in der Stadt unterwegs ist, sollte die Ohren offenhalten: Wenn der Schließdienst da war, wird kräftig gebimmelt.

Weitere Informationen gibt es bei der Kolpingfamilie in Horb.

Anfahrt

Anreisen kann man problemlos mit dem Zug aus allen Richtungen: Rottweil, Stuttgart, Pforzheim und Tübingen. Vom Bahnhof erklimmt man den Berg am besten mitten durch die Stadt, die Stäpfele rauf durch die steilen Gärten der Sommerhalde bis hoch zum Marktplatz. Dort sollte man sich unbedingt ein paar Minuten Zeit nehmen, um die geschichtsträchtige Rathausfassade zu bewundern, die eben jener berühmte Kunstmaler Wilhelm Klink gestaltet hat. An der Stiftskirche geht es dann entlang des Burggartens vorbei am alten Bußturm und dem Schüttetörle, das mit seiner Malerei bereits auf die Heilige Ottilie hinweist.

Wer mit dem Auto kommt: Es gibt in Horb mehrere Möglichkeiten zu parken, die meisten in der Unterstadt. Die Parkplätze und Parkhäuser sind ausgeschildert.

Einkehr & Übernachtung

Wer's gern historisch mag und geschichtlich interessiert ist, sollte eine Nacht im Traditionsgasthof „Zum Schiff“ auf dem Horber Marktplatz verbringen. Es wird seit 300 Jahren und mittlerweile in der 18. Generation von der Familie Gessler betrieben. Hausherr Franz Gessler kann die Historie der alten Kapellen und Klöster, Kirchen und Burgen Horbs wunderbar erzählen. Aus seiner Feder stammen auch zahlreiche Gemälde auf den Stationen des Schütte-Kreuzwegs.

Wer passend dazu noch nach einer Einkehrmöglichkeit sucht, ist zum Beispiel in der Kulturgaststätte Kloster richtig. Das ehemalige Franziskanerinnenkloster (gegründet wohl um 1262) stand kurz vor dem Zerfall, als es das "Projekt Zukunft" vor dem Abriss rettete und ein Kulturzentrum daraus machte. In den oberen Räumen residiert der Kunstverein Oberer Neckar, im Untergeschoss finden kulturelle Veranstaltungen statt. Dort ist, in schönem Ambiente, auch die Gaststätte untergebracht.

Weitere Möglichkeiten zu Übernachtung und Einkehr gibt es auf der Internetseite der Stadt Horb.

Weitere Informationen über die Kirchen in Horb finden Sie in unserer Kirchen-App eKKLESIA und auf der Internetseite www.katholisch-in-wuerttemberg.de. Die App gibt es im App-Store für Apple-Geräte mit iOS und im Play-Store für Android-Geräte kostenlos zum Download.

 

Presse

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