Credo-Musik-Projekt / Claudio Monteverdi (1567-1643)
Der Mozart seiner Zeit mit gewagten Dissonanzen
Aus Messen und geistlichen Werken großer Komponisten: Ausgewählte Hörbeispiele werden theologisch und spirituell gedeutet, gewissermaßen eine musikalische Andacht mit sonntäglicher Christenlehre.
Monteverdi steht in der Wende von der Renaissance zum Barock und gilt als der Mozart seiner Zeit. Seine Musik reißt aus der Gewohnheit, weckt in ihrer Lebendigkeit stets neue Emotionen und ermöglicht neue Sichtweisen auf den Glauben. Seine sakralen Kompositionen sind ein Himmel und Erde verbindender gigantischer Resonanzraum. Claudio Monteverdi ist der erste große Architekt in der Musikgeschichte. Durch die Vereinheitlichung von Motiven in seinen großen Werken, etwa in der Marienvesper und darinnen im wiederum kunstvoll gebauten Magnifikat, stellt er uns aus der Renaissance kommend gewissermaßen einen schon barocken Prachtbau vor Augen. Das ist Auftrag für die Auswahl der eingespielten Hörbeispiele.
Die vorgerückten prächtigen Seitenflügel bilden fulminante Musik in vollem Instrumentarium mit Fanfaren und einer Wucht von Harmonien. Als feine Zwischenglieder zum zentralen Mittelbau erklingt das Terzett „Duo Serpahim“ – das womöglich geheimnisvollste Stück des Meisters, übernatürlich, innerlich, atemberaubend und eine zugleich einfühlsame wie majestätische Katechese zur Dreifaltigkeit und so ideal für ein Dekanat, das seit 2014 der Trinität als Wesenskern des christlichen Glaubens mehr und mehr nachspürt -, und es erklingt ein ergreifendes Klagelied der ob des Todes ihres Sohnes trauernden Gottesmutter.
Im alles überragenden Zentrum des Baus hören wir, was sich im Blick auf das riesige Kreuz in der Vierungskuppel der Wiblinger Basilika schon optisch aufdrängt: Vertonungen des Cruzifixus aus verschiedenen Messen Monteverdis. Die Vertonung der Worte „Er wurde für uns gekreuzigt unter Pontius Pilatus, litt und wurde begraben“ führen geradewegs in spätere Fassungen des Glaubensartikels etwa in der H-Moll-Messe von Johann Sebastian Bach. Das vielleicht erschütterndste Cruzifixus der Musikgeschichte in acht Stimmen von Antonio Lotti (1666-1740) darf nicht fehlen. Wem hier keine Träne ins Auge tritt, der könnte leicht der Gefühlskälte bezichtigt werden. Hier geschieht genau das, was Monteverdi wollte: Wahre Kunst (verità dell’arte) soll direkt ins Herz dringen, zum Weinen bringen und einem die Sprache verschlagen.
Beim Blick auf dieses soeben skizzierte musikalische Bauwerk in seiner Schönheit drohen die alltäglichen Sorgen Monteverdis vergessen zu werden. Indessen: Wir können sie im genannten Trauergesang Mariens mitvernehmen. Nach acht Jahren Ehe verlor er seine Frau und heiratete nicht wieder. Er musste nach dem Tod seiner Gattin trotz riesiger Arbeitsbelastung zwei kleine Kinder versorgen. Sein Vater ging ihm dabei aufopferungsvoll zur Hand. Er verliert wichtige Weggefährten an die zu dieser Zeit wütende Pest und lässt sich wohl unter diesem Eindruck zum Priester weihen.
Referent: Dr. Wolfgang Steffel
Eintritt frei und ohne Anmeldung
Weitere Termine:
Sonntag, 18.06.2023, 14.30 Uhr
Alessandro (1660-1725) und Domenico (1685-1757) Scarlatti
Vater und Sohn: Teuflisch am Cembalo, himmlisch im Kirchenchor
Sonntag, 15.10.2023, 14.30 Uhr
Luigi Cherubini (1760-1842)
Im Helldunkel entschwindender Wandersmann