Geistlicher Weg: Pilatus und Jesus - Der Prozess der Welt gegen ihren Schöpfer

Geistlicher Weg: Pilatus und Jesus - Der Prozess der Welt gegen ihren Schöpfer

Wer aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme (Joh 18,37)

Auftakt zum Geistlichen Weg in Präsenz und online möglich!

Im Mittelpunkt stehen die Gespräche zwischen Pilatus und Jesus in der Passionsgeschichte nach Johannes. Sie kreisen um das Wesen Gottes und die Frage nach der Wahrheit. Pilatus ist hin- und hergerissen zwischen dem Prätorium und dem Platz mit der Volksmenge, zwischen drinnen und draußen. Der Platz symbolisiert Welt und Weltmechanismen, die Intimität des Gesprächs zwischen Jesus und Pilatus im Haus steht hingegen für die inneren Regungen des Herzens. Die Kirche und ihre Gläubigen sind viel draußen, könnte man bildlich sagen, und wenig am Herzschlag Gottes - anders der Lieblingsjünger, der beim Mahl am Herzen Jesu ruhte.

Die Kapitel 18 und 19 des Johannesevangeliums sind Dramatik pur. Im Dreieck zwischen Pilatus, Jesus und dem Volk spitzt sich alles zu. Das ist nicht nur eine Szenerie von vor 2000 Jahren, sondern spielt sich in vielen Formen zu allen Zeiten bis heute ab. Hier führt gewissermaßen die Welt einen Prozess gegen ihren Schöpfer. „Welt“ ist hier verstanden als Amalgam von Haltungen und Handlungen, die ganz in der Welt gefangen bleiben und den Fallstricken bloßer Weltlichkeit verfallen sind. Dies ist von Pilatus als dem Vertreter der weltlichen römischen Macht genauso zu sagen wie von den geistlichen Vertretern, den Hohepriestern und dem Volk, das diesen blind folgt oder von ihnen strategisch gefügig gemacht wird. Hier wie da „Welt“ ohne Sensorium für ein Darüberhinaus und ohne ein Gespür für die Innerlichkeit.

Jesus als König der Innerlichkeit passt nicht nur nicht zu den äußerlichen Maßstäben derer, die Macht haben und ausüben, sondern er soll jetzt als Gefahr für diese Macht sogar unschädlich gemacht werden. Pilatus sieht in ihm keine Gefahr für das römische Reich, lässt sich aber von jenen treiben, die in Jesus eine Gefahr für ihre religiöse Macht und Pfründe sehen. Wer dieses Drama betrachtet, wird darin eine treffliche Gewissenserforschung darüber finden, wie wir heute als Gläubige und als Kirche leben. Dass wir hier um den Begriff der „Entweltlichung“ nicht herumkommen, ist gesetzt. Der Prozess der Welt gegen ihren Schöpfer wird vielfach geführt: Nichtannahme unserer eigenen Geschöpflichkeit, unserer Verwundbarkeit und unseres Geschaffenseins als Mann und Frau; Perfektionismus, Gier, Fitnesswahn und Vergötzung der Gesundheit; Flucht in digitale Welten und krankhaft ausgedehnte Handy-Kommunikation sowie der Hang und Drang mit menschlichen Mitteln sich selbst ständig neu zu planen gemäß den Appellen vieler Agenturen und mit wenig Rücksicht auf Gott und seinen Plan bzw. ohne die Bereitschaft, diesen Plan in Meditation, Bibellektüre und Glaubensgespräch überhaupt zu erkunden und zu ergründen.

Nehmen wir als Sammelbegriff für alle diese Strategien den Begriff „Transhumanismus“, nicht nur in dem engeren Sinne eines krampfhaften Versuchs, mit biochemischen, technischen und digitalen Mitteln einen neuen Menschen zu schaffen, sondern auch im weiteren Sinne als eine Metapher für viele Entwicklungen „im Kleinen“. Denn dieses aus eigener Kraft Über-sich-hinaus-wollen, wie Gott sein zu wollen, ist auch in unserem eigenen Alltag wie angedeutet vielfach präsent und hat bereits Wege in unsere Herzen gebahnt. Wir haben eine transhumanistische Ideologie in vielen kleinen Bausteinen schon so verinnerlicht, dass wir uns inzwischen selbst von Innen her antreiben: „Ich muss, ich muss, ich muss!“ Dies alles führt nicht nur nicht zu einer humaneren Gesellschaft, sondern es droht die Gefahr immer größerer Inhumanität.

Können wir in eine neue Souveränität kommen, wie sie der Evangelist Johannes von Jesus mitten im Prozess zeichnet, eine sorglose Distanz und Hochgemutheit, die eben nicht alles mitmacht, was „man“ vermeintlich muss? Geben wir heute mehr denn je dem inneren Menschen, dem geistlichen Menschen, dem einzelnen Menschen eine Stimme! Lassen wir uns nicht von dem bestimmen, was die Medien sagen, was die Zeitungen schreiben und was die Fernsehsender senden. Wir haben eine Sendestelle im eigenen Herzen, den Geist: „Denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist“ (Röm 5,5). Lassen wir uns nicht davon bestimmen, was man sagt, was man tut, was man nicht versäumen darf, wo man gewesen sein muss, was man gelesen haben muss. Sonst sind wir getrieben von außen und können unsere Innerlichkeit nicht entwickeln. Paulus sagt: „Wir aber haben nicht den Geist der Welt empfangen, sondern den Geist, der aus Gott stammt, damit wir das erkennen, was uns von Gott geschenkt worden ist“ (1 Kor 2,12).

In der Johannespassion von Johann Sebastian Bach, die in Notenbeispielen anklingt, die als kleine Meditationsbilder immer wieder im Begleitheft auftauchen und uns rein von ihrem äußeren Erscheinungsbild vieles lehren und verdeutlichen können, heißt es in einer Arie:

Nehmet an des Glaubens Flügel,
flieht - Wohin? - zum Kreuzeshügel,
eure Wohlfahrt blüht allda.“

Der Glaube verleiht uns wahrhaft Flügel. Und die Kreuze stehen nicht nur auf dem Kreuzeshügel, sondern sind in unserem Alltag alltäglich da. So finden sich im Begleitheft auch Bilder von zufällig im Alltag gefundenen Kreuzkonstellationen. Alle sind eingeladen, selbst solche Kreuze, die uns „zufallen“, zu fotografieren und während des geistlichen Weges an uns zu senden.


Begleitheft und Vorträge (Begleitheft für die Kalenderwochen 11  - 15)
Ein Begleitheft für die Tage vom Dritten Fastensonntag (12. März 2023) bis zum Weißen Sonntag (16. April 2023) mit Impulsen für jeden Tag wird kostenlos per Post oder per Mail im PDF-Format zugeschickt. Zusätzlich gibt es einen hybriden Online-Vortrag mit Telefonmöglichkeit und Präsenzteilnahme zur Einführung und einen reinen Präsenzabend am Dienstag der Karwoche.

Ab 15.00 Uhr Kaffee, 16.00 – 18.00 Uhr Hybrider Vortrag im Saal des Bischof-Sproll-Hauses, Olgastr. 137, Ulm

Nächster Termin:
Dienstag, 04.04.2023, 19.00 Uhr, Nikolauskapelle, Neue Str. 102, Ulm
Mein Reich ist nicht von dieser Welt (Joh 18,36)

Referent: Dr. Wolfgang Steffel

https://zoom.us/j/8852699290?pwd=OHpQZ05VVW80dUU1d1pZT3BCSHc1QT09 

Alternativ Zugang über www.zoom.us bei "Einem Meeting beitreten" mit:
Meeting-ID: 885 269 9290
Kenncode: 196365

Außerdem gibt es die Möglichkeit über Telefon mitzuhören:
Tel.: 0695 050 2596, 069 7104 99222 oder 069 3807 9883
Dann werden Sie zur Eingabe nachfolgender Nummern aufgefordert:
Meeting-ID: 885 269 9290, Kenncode: 196365
jeweils mit Raute-Taste # abschließen